Archiv der Kategorie: Canouan

Gute Geschäfte in Charlestown

Fr., 20.Mai 16, Canouan, Tag 720, 6.525 sm von HH

Die Läden und Geschäfte auf den Mini-Inseln der Grenadinen sind schon eine Klasse für sich.
Es wäre mal wieder an der Zeit zum Friseur zu gehen, aber beim besten Willen, in den Laden traut sich keiner. Dass in dem dunklen Loch nebenbei auch noch Tattoos verabreicht werden, macht es nicht besser.

Die Wäscherei macht von außen keinen besseren Eindruck.
Jedoch, bekommen wir die Wäsche tiptop gewaschen und richtig trocken zurück. (12 EUR für 8 kg)


Dass ein Teil in der Wäscherei liegen bleibt, bemerken wir nicht beim Einräumen. Das Mädel aus der dem Laden aber schon.
Außer uns Yacht-Bewohnern gibt es im Ort keine Weißen, die ihre Wäsche dort waschen lassen. Somit ist ihr klar, dass sie zum Anlege-Steg gehen muss.
Sie wartet dort so lange bis jemand mit dem Dinghi angefahren kommt. Zufällig sind das Gabi und Petra. Den beiden gibt sie unser fehlendes Wäscheteil mit auf den Weg.
Gäbe es so etwas Großartiges in Deutschland? Ich behaupte nein!

Toll sind auch die Plakate im Supermarkt.
Neben der Kasse hängt eine abgegrabbelte Karte. Hier wird im Fall der Fälle die Zugbahn eines Hurrikans eingetragen. Das kann sicherlich lebensrettend sein.
Ob dann das Verbot für die Kassiererin aufgehoben wird, dass sie ihr Handy benutzen darf, haben wir nicht gefragt. Sie findet das Verbot in Ordnung, wie sie versichert, schließlich sei ja immer etwas zu tun. Trotz der harten Strafe von einer Woche Lohnabzug. Könnte ironisch gemeint sein, denn im Laden ist so wenig Kundschaft, dass alle Mädels gerne auf einem Haufen stehen und quatschen und giggeln. ;-)

Wenn man sich die Schlichtheit der Geschäfte so betrachtet, ist umso erstaunlicher, dass die gesamte Bucht mit einem kostenlosen Internet versorgt wird.
Dies funktioniert nicht immer gut, aber doch zumindest zu Zweidrittel des Tages. :-)

In den Kesseln, da faulte das Wasser

Do., 19.Mai 16, Charlestown/Canouan, Tag 719, 6.525 sm von HH

Wasser! Sowieso ist Wasser eines der höchsten Güter.
Mit zunehmender Ankerliegerei und das Vordringen auf Kleinst-Inseln ohne Marina, ohne Schlauch am Steg, wird Wasser immer wertvoller.

Viele Inseln der Grenadinen haben kein Grundwasser.
Neben jedem Haus steht ein Wassertank in dem Regenwasser eingefangen wird. Nur dass es zur Zeit nicht regnet. Zumindest nicht ergiebig.
Die Regenzeit in dieser Region beginnt erst im Juni. Wasserwagen versorgen somit die Häuser. Gestrüpp ist braun verbrannt, Pflanzen und Menschen warten auf Regen.

Wir Yachties können von kleinen Booten aus Wasser bunkern.
Das in Bequia angebotene Wasser war nicht nur teuer (0,15 EUR pro Liter :shock: ), sondern auch von schlechter Qualität.
Reinhard hat ein Messgerät mit dem er die Leitfähigkeit von Wasser messen kann. Die Leitfähigkeit gibt eine Indikation über enthaltene Salze und andere Mineralien.
Leitungswasser gemäß EU-Richtlinie darf 400 Punkte, in Krisengebieten gemäß WHO 750 Punkte vorweisen. Das Wasser aus Bequia zeigte einen Wert von 1.800 Punkten. :roll:

Die Tanks auf den Versorgungs-Booten stehen in den ganzen Tag in der prallen Sonne.
Sie sind zwar schwarz, damit sich die Algenbildung in Grenzen hält. Jedoch, ich möchte nicht wissen, wie es in den Tanks aussieht.

Für unsere Wassertanks gilt das gleiche. Eingebaut im Schiff sind die zwar beschattet, dafür aber auch schon fast 30 Jahre in Gebrauch. :shock:
Um es pseudo-Mikroben-frei zu bekommen schütten wir Silber-Ionen ins Wasser. Ob’s hilft, wissen die Götter.

Wir trinken das Wasser aus unseren Tanks nicht. Nur abgekocht für Kaffee und Tee. Und natürlich zum Zähneputzen und Waschen.
Wir hatten mal das Angebot, dass in einem Labor ein Bakterien-Abstrich von dem Wasser gemacht wird. Wir haben dankend abgelehnt: was ich nicht weiß, macht mich nicht krank.

Andere Schiffe gehen da durchaus anders mit um: da gibt es Vorfilter, Nachfilter und Wasserleitungen werden gereinigt. Wassertanks ebenso.
Wir machen und nutzen das nicht.
Den Schlauch, der auf dem Steg liegt, können wir schließlich auch nicht kontrollieren.
Auch zu Hause reißt keiner seine Wasserleitungen raus, um dort mal zu putzen.

Wir für uns, fahren gut damit. Keine Magen- und Darmprobleme und leuchten von den Silber-Ionen tun wir auch noch nicht. Die meisten Menschen auf der Welt dürften noch schlechteres Wasser jeden Tag zur Verfügung haben. Macht man sich das mal klar, relativiert sich alles wieder.

Unser täglicher Wasserverbrauch beträgt ca. 20 bis 25 Liter. Wir schauen zwar, nicht mit dem Wasser zu aasen, aber ultra sparsam sind wir nicht.
Je nach Sonne, machen wir täglich 15 bis 20 Liter neues Wasser mit dem Wassermacher.
Somit kommen wir 70 bis 90 Tage aus, ohne das Wasser von den Boat-Boys nehmen zu müssen. Bis dahin sind wir wieder in der Zivilisation. Mit altem, algigem Schlauch am Steg.

It’s only a dance

Mo., 17.Mai 16, Charlestown/Canouan, Tag 717, 6.525 sm von HH

„It’s only a dance“ beruhigt Demonick mich.
Für mich sieht es nach mehr aus, was der junge Bursche da mit seiner karibischen Kollegin treibt. Die zwei tanzen zu Soca.
Hauptelement beim Soca Tanzen ist, recht breitbeinig, in rasender Geschwindigkeit den Popo zu schwingen. Dabei wird der Oberkörper weit nach vorne gebeugt und das Gesäß deutlich ausgestellt. Schmiegt sich nun ein Junge von hinten an das Mädel, sieht es für mich eindeutig nach mehr als Tanzen aus. :mrgreen:

Demonick will mir zeigen wie das geht. :shock:
Ich kann ihn überzeugen, dass ich als weiße, ältliche Mitteleuropäerin weder in der Lage noch Willens bin, dies zu tun. Und das nicht nur, weil ich seine Mutter sein könnte.
Er sieht das ein, zieht ab und sucht sich ein neues ‚Opfer‘.

Wir befinden uns auf der Pfingstfeier mitten im Tagespunkt ‚beer drinking‘.
Dort treffen wir auf Olaf von der SY Renos, der als Einhandsegler schon vor Tagen Demonick und Ezra kennen gelernt hat.
Die zwei Jungs sind sympathisch und nehmen uns gerne in ihrem Kreis mit auf.

Schnell wird gefragt, ob Achim und ich verheiratet sind. Okay, alles klar. Fronten geklärt, sie lassen mich in Ruhe.
Ihre Distanzzone liegt allerdings deutlich unter den üblich deutschen 50 cm. Alle fünf Minuten bekommt man eine Ghetto-Faust hingehalten oder hat eine Pranke auf der Schulter.
Sie rücken nah ran, verhalten sich aber total korrekt.

Ezra hat eine Strandbar, die wegen der Feierlichkeiten im Ort den zweiten Tag in Folge geschlossen ist. Er stammt hier von der Insel, ist 27 und hat drei Kinder von drei verschiedenen Frauen.
Demonick stammt aus Guyana, hat dort studiert und was er macht, bleibt nebulös.

Die Feierlichkeiten beinhalten Kindergeburtstags-Spiele. Unter viel Gejohle und Applaus werden ‚die Reise nach Jerusalem‘ und Tauziehen gespielt.
Und über allem schallt der Soca.

Mit Bob Marley ist auch der Reggae gestorben.
Nur selten hören wir die, mit der Karibik zum Klischee verbackenen, Klänge.
Und Steelbands treten nur in Hotels auf, wo die Gruppen für Touristen spielen.
Die Einheimischen stehen auf Soca. Eine etwas eintönige Musik, die aus dem Calypso entstanden ist (Soul of Calypso).

Heute gemischt mit Rap oder indischen Elementen.
Häufig feuert der DJ mit Sprecheinlagen zu waves, wines und jumps an. Dann werden die Popo-Schwingungen noch abenteuerlicher.

Die Jungs sind Poser, lassen sich mit Wonne fotografieren. Den Oberkörper frei, das Shirt in die hintere Tasche von der Jeans gesteckt, stellen sie ihre Muskeln zur Schau.
Die Mädchen im Vergleich, fallen schwer ab. Häufig übergewichtig, finden sich nur selten karibische Schönheiten unter ihnen. Was waren die Frauen auf den Kap Verden für Augenweiden dagegen. Rausgeputzt, zurecht gemacht, durchgestylt.

Es wird Nacht, es wird dunkel. Die Feier geht friedlich weiter. Kinder hüpfen auf der Bühne.
Es wird gelacht, getanzt, geflirtet. Natürlich wird Bier getrunken, aber ohne sichtbare Ausfälle. Die Stimmung ist freundlich, wir fühlen uns weiterhin wohl.

Ezra tanzt nun ebenfalls Soca. Mit der Tanzpartnerin von Demonick.
Es ist Zeit, dass wir gehen. Der Tanz macht den Eindruck, ein weiteres Kind könnte heute Nacht gezeugt werden.
„It’s only a dance“, …ja, nee, is klar, und die Erde ist ’ne Scheibe. ;-)

Ankunft in Canouan

So., 16.Mai 16, Charlestown/Canouan, Tag 716, 6.525 sm von HH

Von Mustique nach Canouan sind es nur 14 sm. Und doch finden wir uns in einer anderen Welt wieder: Charlestown, mit weniger als 2.000 Einwohnern, kommt wieder karibisch daher. Das aufgeräumte, etwas sterile Ambiente von Mustique ist verschwunden.
Hier wohnen echte Menschen und diese echten Menschen feiern Pfingsten. Lautstark.

Bereits morgens um 9:00 Uhr wird die Bucht beschallt.

Ein Plakat weist auf die Höhepunkte der Feierlichkeiten hin. Die sind seit Jahren identisch und praktischerweise braucht nur die Jahreszahl überschrieben zu werden. Hat man in diesem Jahr leider vergessen… ;-)

Cool, dass ‚beer drinking‘ am Montag eine extra Erwähnung findet.

Die Leute schleppen Eiskisten, provisorische Tribünen, Bühnen, Grills und Bierstände sind aufgebaut.
Alle sind übermäßig freundlich, grüßen und grinsen uns an. Im Vorbeigehen gibt’s ‚high five‘ oder Händeschütteln.
Petra erzählen sie, dass sie nach dem Vorfall auf St. Vincent auf ‚ihre‘ Touris aufpassen. Uns soll nichts passieren.

Mustique ist schöner, aber es gefällt uns hier besser. Nicht, dass wir Müll und Schutt mögen, aber die Atmosphäre ist angenehmer.

Beim Rundgang durch Charlestown (Dauer eine knappe Stunde) finden wir drei Friedhöfe.
Es scheint, dass Baulücken dafür verwendet wurden und wenn voll, dann wird eben eine neue Baulücke gesucht.
Großer Totenkult wird in der Karibik wahrlich nicht betrieben. Die Friedhöfe sehen abgerissen und verwahrlost aus. Es liegt viel Schutt und Unrat zwischen den Gräbern.
So wie der eigene Vorgarten aussieht, so auch die Friedhöfe. Wie man zu Lebzeiten wohnt, so ruht man auch am Ende.

Die Menschen kümmern sich nicht sehr um ihre Umgebung. Müll wird überall hin gekippt. Schutt und Baustellen-„Abfälle“ bleiben ein Leben lang vor dem eigenen Haus-Eingang liegen. Mit viel Herzblut wird alles bunt angepinselt und dann, direkt daneben Müll.
Das ist nichts, was mein Herz erfreut und so mancher Anblick stimmt traurig.

 

Der örtliche Telefonanbieter versucht mit Plakaten dagegen zu steuern.
Hoffentlich trägt das bald Früchte und alle begreifen, dass sie ihr größtes Kapital zerstören. Es wäre sehr zu wünschen, wenn wenigstens Plastik-Müll vernünftig entsorgt würde.

Auf der anderen Seite sieht man zauberhafte Eigenwerbung vom örtlichen Laden: „Wir haben alles was Du brauchst, haben wir es nicht, können wir es besorgen, können wir es nicht besorgen, existiert es nicht“.