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2 Jahre – 2 Fazits

Mi., 01. Juni 16, Tobago Cays, Tag 732, 6.537 sm von HH

Getrennt voneinander geschrieben.

Aber zuerst die nackten Fakten:
– 3.950 sm – davon 3.541 unter Segeln (Vorjahr 2.587 sm – davon 1.803 unter Segeln)
– 366 Tage – davon 31 Tage auf See (Vorjahr 365 Tage – davon 22 auf See)
– entspricht, wie im Vorjahr, einer Durchschnittsgeschwindigkeit von: 5,3 kn = 9,8 km/h

– Fahrrad 237 km (Vorjahr 810 km)
– Durchschnittsgeschwindigkeit, ebenfalls wie im Vorjahr, nur schlappe 10 km/h, aber ich bin noch immer schneller als der Kahn. :-)

Joachim:
Zwei Jahre…klingt erst einmal viel, ist es aber nicht. Irgendwie ging alles wie im Flug. Wir haben viel gesehen und erlebt. Es gab Zeiten, da waren wir so schnell unterwegs, dass die Seele Probleme bekam, hinterher zu kommen. Das versuchen wir jetzt zu korrigieen und drücken unser Tempo wieder etwas runter.

Genau genommen muss ich zugeben, dass mein Zeitgefühl sich dramatisch verändert hat. Das Jahr bekomme ich noch ganz gut hin, aber dann wird es dünn. Zeit spielt eigentlich keine rechte Rolle mehr. Das ist ein unglaublicher Luxus und ich bin sehr dankbar dafür.

War die Entscheidung richtig, alles aufzugeben und sich mit dem Boot auf eine Reise ins Ungewisse zu machen? Die Antwort ist einfach und lautet: „EINDEUTIG JA“.

Das Leben ist zu kurz und ungewiss und das einzige, was sicher ist, ist, dass es mit dem Tod endet. In diesem Sinne freue ich mich auf die nächsten 12 Monate und auf viele neue Dinge und Eindrücke.

Sabine:
Zwei Jahre sind wir nun bereits unterwegs. Kaum zu glauben.
Inzwischen ist unser neues Leben zum normalen Leben geworden.

Wir haben keinen Dauer-Urlaub, auch wenn wir da wohnen, wo andere Urlaub machen. ;-)
Routinen sind abzuarbeiten, ein normaler Haushalt zu versorgen.
Mich erstaunt es auch nach zwei Jahren, wie viel Zeit der Tages-Punkt ‚essen‘ verschlingt:
– Supermarkt suchen und finden
– im Supermarkt das Gewünschte suchen und finden
– lange und umständliche Wege (Dinghy und zu Fuß, oder gar das Fahrrad per Dinghy an Land schaffen)
– mehrmals wöchentlich einkaufen müssen (frische Vorräte sind einfach schwierig aufzubewahren)
– Stauplatz finden
– verstauen
– in Stauliste eintragen
– Tage später umstauen
– überlegen, was ich kochen könnte
– etwas suchen, was auf der Stauliste steht, aber nicht mehr vorhanden ist
– kochen (bei 34 Grad nicht nur pure Lust) und Brot backen
– von Stauliste streichen
– Staulisten umschreiben
– neues Gas besorgen (schwer zu tragen und schwer zu finden)
– der Akt des Essens an sich
– und, nicht zu vergessen, der Abwasch (unter dem Gemecker zu viel Wasser zu verbrauchen)
– ein Fest feiern, weil etwas gefunden wurde, was nicht auf der Stauliste steht

Mit dem Thema ‚essen‘ verbrauchen wir viel Zeit des Tages.
Essen, so sagt man, der Sex der alten Leute. :mrgreen:

Manche andere Dinge sind ebenfalls umständlich, zeitweise beschwerlich, aber das Positive überwiegt.
Diese unbeschreibliche Freiheit. Haben wir keine Lust mehr, fahren wir weiter, gefällt es uns, bleiben wir. Zum Glück ticken unsere Uhren bezüglich der Reisegeschwindigkeit noch immer gleich.

Direkt morgens von der Bettkante in ein türkis Badezimmer zu springen. Das Wasser ist auf 28 Grad angenehm vorgeheizt (etwas weniger Badesalz wäre nicht schlecht).
Schöner kann ein Tag nicht beginnen. Die Sonne lacht (meistens) und die Nachbarn am Ankerplatz ebenfalls (auch meistens).

An den begrenzten Raum habe ich mich längst gewöhnt.
Trotzdem nervt es manchmal, wenn überall Dinge herum liegen, die keinen festen Platz haben oder den, ihn angestammten, Platz nicht wieder finden.

Dann gibt es auch mal Streit. Hierbei ist das Schlimmste, dass es keine Türen zum Knallen gibt. Alle Zimmertüren sind mit Haken festgesetzt. Wie blöd ist das denn?
Wütend erst nach einem Haken zu fingern, um dann zu knallen, nimmt jeden Spaß aus der Aktion. Das Knallen ist also ersatzlos gestrichen worden. ;-)

Nach wie vor vermisse ich nichts, außer lieben Menschen zu Hause.
Der schmerzlich entbehrte Gegenstand, die Dunstabzugshaube, ist durch eine Süßwasser-Dusche ersetzt worden.
Und manchmal Schokolade.
Schokolade, so wie es früher einmal war. Schon auf dem Weg nach Hause eine Tafel Ritter Sport bereits an der vierten Ampel verschlungen zu haben. Vorbei, aus, geht nicht, gib es nicht.

Die Auswahl an Schokolade ist dünn geworden, der Transport aufs Schiff nicht ganz unkritisch, im Kühlschrank ist kein Platz dafür (zumindest nicht für große Mengen) und mittlerweile sind wir bei 4,50 EUR für eine schnöde Tafel Vollmilch-Schokolade angekommen. :cry:

Ein herzliches Dankeschön an Euch, liebe Leser, die Ihr uns seit zwei Jahren die Treue haltet und natürlich an die, die auf das fahrende Schiff aufgesprungen sind.
Ihr seid klasse!

Tobago Cays


Di., 31.Mai 16, Tobago Cays, Tag 731, 6.537 sm von HH

Sechs traumhafte Tage verbringen wir zwischen den vier kleinen Inseln.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings die Ankerei für uns. Normalerweise wird in geschützten Buchten auf der windabgewandten Seite einer Insel geankert. Dort ist das Wasser ruhig und Wind entsteht meistens nur durch Fallböen von nahen Bergen oder Hügeln.

In den Cays ist das ganz anders: Die Inselchen liegen hinter einem Außenriff. Das kommt hier bis zur Wasseroberfläche hoch und hält die ungebremste Atlantik-Dünung fern.
Wir ankern praktisch mitten Im Ozean. Die nahe Brandung ist deutlich als fauchendes Grollen zu hören. Auf unserer Seite ist es ruhig wie auf einem Binnensee.

Nur bei Hochwasser und viel Wind schwappt etwas mehr Meerwasser über die Riffkante, so dass der Ankerplatz schaukelig wird. Nach drei Nächten verlassen wir aus dem Grunde unseren ersten Platz.
Der ist optisch schöner gelegen, bringt aber deutlich mehr Schwell mit.

Im Grunde ist dies unsere erste Riff-Einfahrt.
Wo in Dänemark Dutzende Barken, Untiefen-Tonnen, Bojen und Anfahrtstonnen einem den Weg weisen, gönnt man hier dem gemeinem Segler genau zwei Seezeichen.
Als ob es nicht schon warm genug wird, bringt uns die Einfahrt zusätzlich zum Schwitzen.
Im Slalom geht es um Felsen, Untiefen und um, gerade unter der Wasseroberfläche liegende, Riffe herum.
Plotter und Realität passen gut übereinander, somit kommen wir heil an. :-)

Sechs traumhafte Tage schwimmen und schnorcheln wir bis die Haut schrumpelig wird. Glasklares Wasser am Außenriff und in der Lagune, intakte Korallen und eine Fisch-Kinderstube lassen Schnorchlers Herz jubilieren.

Oder wir fahren mit dem Dinghi zu einem der Puderzucker-Strände, erklimmen die kleinen Hügel und haben einen traumhaften Blick über die Bucht.

Achim lässt es sich, trotz Schwell, nicht nehmen in den Mast zu klettern. Ein Foto von ganz oben soll es bitte sein: Atanga schwimmend in gleißendem Türkis.

Keine Aktion ist so sinnlos, dass sie nicht noch einen Nutzen bringt. Bei der Kletterei stellt er fest, dass eins unserer Lazy’s (Tütelbänder vom Mast zum Baum gespannt, die das Auffangen des Groß-Segels erleichtern, wenn es runter gelassen wird) durchgescheuert ist.
Zum Glück ist Ersatz an Bord, so dass dies gleich repariert werden kann.

Sechs traumhafte Tage, die als Highlight unvergessen in die Rangliste der Top 10 Plätze eingehen werden.

Die Vertreibung aus dem Paradies…

Sa., 28.Mai 16, Tobago Cays, Tag 728, 6.537 sm von HH

…kommt für uns nicht in Frage.
Wäre ja noch schöner, wenn solche Verbrecher, die Menschen und fremdes Eigentum nicht respektieren, Einfluss auf unsere Törnplanung hätten.
Wir bleiben. Andere sind gefahren.
Wir bleiben. Wir bleiben genau so lange, wie es uns gefällt! Solange wie unsere Vorräte reichen oder wir noch eine Idee haben, wo wir unseren Müll zwischen lagern können.

Das wird gerade zu einem Problem. Bereits seit acht Tagen sammeln wir. Im Ankerkasten sieht es aus wie in einem Messi-Lager.
Schon auf Mayreau haben wir keinen Müll mehr an Land gebracht. Dort lag so viel Dreck herum und eine vernünftige Müll-Entsorgung war nicht zu erkennen. Da wollten wir unseren Müll nicht am Strand wieder finden.

Nach einer Woche Atlantik-Überquerung hatten wir nur einen Bruchteil von dem, was wir jetzt lagern. Allein ein gemütlicher Abend mit der La Joya hinterlässt Berge an Dosen. ;-)

Stinken werden die Säcke nicht, da Organisches nachts über Bord geht. Das wird mit der Strömung aufs offene Meer getragen.
Plastikverpackungen und Dosen spülen wir kurz aus. Es ist allein das Volumen, was Sorgen bereitet.

Die Tobago Cays sind zauberhaft. Alle Farben türkis. Jeder Blick übers Meer ruft Entzücken hervor. Selbst vorbei fliegende Möwen schimmern an der Unterseite türkis statt weiß.

Das Wasser ist glasklar, Rochen schwimmen unterm Schiff und am Riff paddeln so viele Schildkröten, dass man sie „bei Seite schieben muss“, um einen Blick auf Fische zu erhaschen. Nicht scheu, lassen sie sich beim äsen beobachten. Zum Luft holen tauchen sie direkt neben uns auf und schauen neugierig rüber. Die Weisheit der Welt in ihrem alten Blick.
So schööön. Wir bleiben! :-)

Überfall am Traumankerplatz

Do., 26.Mai 16, Tobago Cays, Tag 726, 6.537 sm von HH

Gleich in unserer ersten Nacht in den Tobago Cays kommt es zu einem ueblen Ueberfall: Eine englische Yacht wird von drei Maennern ueberfallen. Das Eigner-Ehepaar kommt zum Glueck mit kleineren Verletzungen, die von einem Messer herruehren sollen, davon.

Die Nacht haben sie wohl auf Union Island verbracht, wurden heute Vormittag aber von den Park-Rangern in Begleitung der Coast-Guard zu ihrem Schiff zurueck gebracht.

Der Ranger versicherte uns, dass die drei Raeuber bereits gefasst worden seien. Weitere Details sind uns nicht bekannt.

Verwunderlich ist, dass ausgerechnet diese englische Yacht ueberfallen wurde.
Die liegt mitten in einem engen Ankerfeld. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Findus und La Joya. Letztere haben den Ueberfall selig verschlafen.

Achim und ich waren gestern als erste in den Tobago Cays angekommen. UEberwaeltigt von dem Tuerkis der ersten Sandflaeche haben wir bereits ca. 700 Meter vom Hauptankerfeld entfernt unseren Anker geworfen.

Die meisten anderen Schiffe ankern ‚auf einem Haufen‘ am anderen Ende der Bucht.

Wir liegen komplett alleine. Im Umkreis von mindestens 500 Metern keine weiteren Schiffe.

Somit waeren Atanga oder zwei, drei andere Schiffe, die etwas separiert liegen, die logischeren Opfer gewesen. Warum es die Englaender erwischt hat, ist nicht bekannt.

Spekuliert wird, dass sie im Vorwege ausspioniert wurden und keine geschlossenen Luken hatten.

Wir liegen in einer traumhaften Bucht. Sicherlich einer der schoensten der gesamten Reise. So ein Ueberfall, direkt neben an, nimmt viel Freude. :cry:

P.S. Kein Internet hier, daher per Funk und ohne Bilder gesendet

 

Mayreau

Mo., 23.Mai 16, Mayreau/Saline Bay, Tag 723, 6.531 sm von HH

Zu den Tobago Cays gehört eine bewohnte Insel: Mayreau.
Diese wird allerdings nicht dem Nationalpark zugerechnet. Windiges Wetter hat uns einen Zwischenstopp hier einlegen lassen, da wir auf Mayreau noch ein wenig Abdeckung finden können.
Mittwoch soll der Wind nachlassen, dann geht’s in die Cays.

Auf der knapp drei mal zwei Kilometer großen Insel wohnen 250 Menschen.
Es gibt zwölf Autos, drei Mopeds und einen Supermarkt, der außer Mehl und Hülsenfrüchten nicht viel bietet.

Auf Mayreau liegt die wohl schönste Bucht der Kleinen Antillen.
Nur durch eine schmale Landzunge wird die Salt Whistle Bay vom offenen Atlantik getrennt. Die eine Seite wild und windig, liegt man zehn Meter weiter in glasklarem, ruhigen Türkis.

Wie es immer so ist, wo es schön ist, sind auch andere Menschen. Entsprechend voll ist die Bucht mit weißem Charter-Kunststoff.
Touristen hassen ja nichts mehr als andere Touristen. Somit sind wir froh auf der anderen Inselseite zu liegen.
Selbe Anzahl Yachten, allerdings zehnmal so viel Platz.

Manchmal kommen in diese Bucht Kreuzfahrtschiffe. Das mag man sich nicht vorstellen, wenn 1.000 Leute auf die kleine Bucht losgelassen werden.
Jetzt ist es ruhig und fast einsam hier. Die Saison geht zu Ende und die meisten Yachten sind schon viel weiter südlich.

Der namenlose Ort hat eine hübsche Kirche von deren Hinterhof man direkt die Cays überblicken kann. Der benachbarte Friedhof ist schlicht an den steilsten Hang des Ortes gelegt worden. Die Ziegen grasen zwischen den Gräbern, aber er ist nicht so vermüllt, wie bereits gesehen.

Am schwarzen Brett finden wir eine tolle Statistik der öffentlichen Bibliothek: Vielleser werden mit kleinen Preisen belohnt.
So hat eine Gewinnerin, Mutter Helen, ihrer Tochter 111 Büchern vorgelesen und erhält einen Gutschein über 25 EUR vom örtlichen Supermarkt.
Der dritte Gewinner fällt mit sechs Büchern deutlich hinter der Performance von Helen ab. Trotzdem herzlichen Glückwunsch auch von unserer Seite. ;-)