Jahreszeiten – schmerzlich vermisst

Sa., 13.Mai 17, Belize/Robinson Cays, Tag 1077, 10.252 sm von HH

In den Tropen gibt es drei Jahreszeiten: heiß, sehr heiß und unerträglich heiß.
Wir haben ‚unerträglich heiß‘.
Schon vor dem Aufwachen erreichen die Temperaturen über 30 Grad. Wir können gar nicht so viel trinken, wie wir schwitzen.

Schon längst ist europäische Arroganz über die Unbeweglichkeit der Einheimischen einem mitfühlenden Wohlwollen gewichen. Man kann bei dieser Hitze nicht gut arbeiten. Wir verstehen, warum tageweise vor der Hütte im Schatten gesessen wird.

Vor zwei Monaten, in einer Art Winter, gingen die Temperaturen nachts runter auf 20 Grad.
Was für eine Wohltat. Durchschlafen, ohne im eigenen Saft gebacken zu werden.
Eine Jacke überziehen? Großartig. Es bildet sich Gänsehaut? Prima, der Körper funktioniert noch.

Vorbei.

Ein Projekt am Tag, lautet die Devise. Und das möglichst in den Morgenstunden. Obwohl das auch nur Spinnerei ist. Es macht keinen Unterschied, ob es beim Putzen oder beim Dinghy aufblasen, noch ein paar Grad wärmer ist.
Kochen ist was für Masochisten. Ist ja modern geworden seit ‚Shades of Grey‘. :lol:
Die können alle zu mir kommen: die Ecke in der Pantry schafft es, selbst bei Kurzgerichten, locker auf 38 Grad.

Auch mein Auge vermisst die Jahreszeiten.
In den Tropen gibt es grün, sehr grün oder grün-grün.
Wir haben grade ‚grün‘.

Von Freunden, die weiterhin Bilder von nickenden Schneeglöckchen, überquellenden Wiesen von blühendem Bärlauch und den ersten Rosenknospen posten, muss ich mich leider entfreunden. :shock:
Mangroven, Lianen, Bromelien, sind alle exotisch und aufregend. Aber es geht doch nichts über die sanftgrünen Blätter-Rosetten der Akelei, die sich zerbrechlich zart aus dem Boden schieben. Ein kleines Wunder, was sich da jeden Frühling aus der Erde dreht.

Hier agiert die Natur mit dem Holzhammer. Alles ist üppig, alles ist groß, alles grün.
Blüten sind selten. Aber, wenn ein Baum Blüten trägt, sind die groß wie Kalbsköpfe.
Meistens mit einem Hauch Plastik-Look. Grelle Farben, um Aufmerksamkeit kreischend.
Falls das nicht reicht, wird häufig noch ein betörender Duft ausgestrahlt.
Gepflegtes Understatement ist die Sache der Tropen nicht.

Die Regenzeit steht vor der Tür.
Die ersten Regentage hatten wir schon. Eine Art vierte Jahreszeit: schwül-heiß.
Allerdings ohne die Klärende Abkühlung danach, wie zu Hause.
Nun dreht die Pflanzenwelt hier völlig durch. Alles scheint zu explodieren. Die Rosenschere, achtlos im Garten vergessen, ist am nächsten Tag überwuchert. Bambus kann bis zu einem Meter am Tag wachsen. Himmel, wer denkt sich solche Pflanzen aus?

Ich liebe die Tropen. Ich liebe diese Prahlerei, diese Übertreibung der Natur.
Und wer mag sie nicht, diese lauen Sommer-Nächte? Mit Wind, wie Samt auf der Haut (da war er wieder, mein Lieblingssatz ;-) ) und einem Sternenhimmel zum Greifen nah.
Aber Jahreszeiten werden vermisst.

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