Langfahrtsegler rüsten auf

So., 05. Jun.16, Union Island/Clifton, Tag 736, 6.537 sm von HH

Seit wir aus Europa weg sind, häufen sich die Gespräche über die Sicherheit an Bord am Anker. Dass im Februar auf St. Vincent ein Segler erschossen wurde, war gerade gnädig in den Erinnerungen versackt, da kommt es jetzt zu dem Überfall in den Tobago Cays.

Ein Englisches Paar wird von drei Männern überfallen.
Der Frau wird eine Pistole (wahrscheinlich Schreck-Schuss) an den Kopf gehalten, während der Mann die Wertsachen herausgeben soll. Im Verlauf der Überfalls wird er durch eine Taschenlampe am Kopf verletzt.

Die Emotionen kochen wieder hoch.
Den Engländern hat es keinen Sicherheitsgewinn gebracht im Pulk zu liegen.
Ihre Yacht lag 30 bis 100 Meter von mehreren anderen Schiffen entfernt.
Wir lagen 700 Meter weiter. Mutterseelen alleine, wären wir eigentlich das bessere Opfer gewesen.

Es ist hoffentlich so, dass man auf Hilfe hoffen darf, wenn Räuber aufs eigene Schiff einsteigen.
In diesem Fall jedoch, werden die Rufe der Engländerin für Feier-Lärm oder häuslichen Ärger gehalten. Der Schuss aus der Schreckschuss-Pistole für Party-Raketen.

Eine andere Crew beobachtet das Geschehen vom eigenen Cockpit aus.
Ob keine Hilfe erfolgt aus (berechtigter) Angst ums eigene Wohl, aus Fehlinterpretation der gesehenen Dinge, aus Phantasielosigkeit, was an Gegenmaßnahmen möglich wäre, aus Scham, einen Ehestreit zu stören oder schlicht aus Gleichgültigkeit, macht nur moralisch einen Unterschied.

In Diskussionen sind sich alle einig: Einbrecher suchen das Weite, wenn umliegende Yachten wach sind, die Szenerie erleuchten und durch Lärm auf sich aufmerksam machen.

Es ist schwierig in Sekundenschnelle eine unbekannte, heikle Situation zu überblicken, einzuschätzen und die richtigen Mittel zu finden.
Allerdings lieber einmal zu viel einen Ehestreit stören als einmal zu wenig einen Überfall vereiteln.

Folgende Maßnahmen wären denkbar, ohne sich selber zu gefährden :
– Zur betroffenen Yacht rüber brüllen und mit einer starken Lampe leuchten
– UKW-Funk immer auf Stand-by halten und die ‚Distress‘ Taste drücken. Auf allen umliegenden Yachten, die ebenfalls den Funk eingeschaltet haben, ginge Alarm los. Die Küstenwache würde automatisch informiert.
– Das Nebelhorn drücken oder tröten

Bei der Einbruch-Verhütung sind sich ebenfalls alle einig. Es muss den Eindringlingen so schwer wie möglich gemacht werden, überhaupt an Bord zu kommen. Sollte dies nicht zu verhindern sein, dann sollen sie wenigstens nicht auch noch unter Deck gelangen.

Die Maßnahmen sind vielfältig wie die Yachten:
– Bewegungsmelder am Heckkorb, der das Schiff in Flutlicht taucht
– Alarm-Trittmatten (sogenannte Katzenklingeln), die Alarm auslösen
– Drahtlose Alarmanlagen, die durch Bewegungsmelder ausgelöst werden
– Panikknopf am Bett, der eine Alarmanlage auslöst
– Stolperdrähte
– Niedergang von innen verriegeln
– Metall-Kreuze oder Drähte in den Luken, Luke kann zur Lüftung geöffnet bleiben
– alle Luken verschlossen halten

Zur Selbstverteidigung gegen die Einbrecher, wenn man sich gegenüber steht, sollen Tränengas, Teaser, Nico-Signale und sonstiges Stech- und Hauwerkzeug zum Einsatz kommen.
Ich glaube allerdings, dass diese Art der Verteidigung kaum umsetzbar sein wird.
Wenn zwei, drei entschlossene Kerle mit Pistolen (ob echt oder nicht, kann ich als Laie nicht unterscheiden) vor einem stehen, werde ich kaum, pfffft, die Pfefferspray-Flasche heben.

Die wichtigste Prävention bleibt somit, das Verscheuchen der Einbrecher.

Achim und ich fühlen uns mit unserem Mittel-Cockpit recht sicher.
Ist es doch für uns selber eine üble Kletterei von der Badeplattform aus über die Heckreling zu steigen. Danach kommen diverse Stolperfallen, weil unsere Regenabdeckung über den Achter-Luken spinnennetzartig verspannt ist.
Ein Tampen, der den Baum am Schlagen hindert, macht die Situation nicht leichter.

Seit neuestem hängen wir unsere Badeleiter nach hinten aus und sichern mit einem Fender, dass sie nicht ans Heck zurück geklappt werden kann. Viel Platz ist nun nicht mehr für einen Dieb.
Oder er müsste die Leiter abschneiden, was sicherlich nicht geräuschlos möglich ist.

Unsere Luken lassen wir offen stehen.
Mit geschlossenen Luken zu schlafen, trüge gesichert den Erstickungstod nach sich. Da ist das Risiko überfallen zu werden kleiner. :mrgreen:

Wir vertrauen drauf, dass die Regenabdeckung und die reißfesten Mückengaze ein Eindringen über die Luken verhindern. Zudem quietschen sie erbärmlich, wenn man sie ganz aufstellt, um Platz zum Einsteigen zu haben.
Ein lange bemängeltes Manko , erweist sich nun als positiv.

Unseren Niedergang schließen wir neuerdings ebenfalls ab.
Etwas was ich nie wollte und für unnötig erachtet habe.
Achim hat von innen einen Riegel angebaut, so dass man nur mit roher Gewalt und Lärm einsteigen kann.

Als dritte Maßnahme haben wir einen Bewegungsmelder im Salon installiert.
Der lag bislang unbeachtet und als Fehlinvestition bewertet in der Backs-Kiste.
Sobald sich jemand am Niedergang zu schaffen macht, geht ein grässlich piepender Alarm-Ton los.

Wir hätten es noch besser gefunden, diesen Bewegungsmelder im Cockpit zu haben, aber beim Schaukeln und Drehen am Anker, funktioniert das nicht zuverlässig.
Ein so entstandener Fehlalarm hat uns zu Tode erschreckt. Das war nichts. :shock:

Wir sitzen allabendlich aber nicht zitternd im Salon und kommen vor Furcht nicht in den Schlaf.
Das Risiko von einer Kokos-Nuss erschlagen zu werden, halten wir für ungleich höher.

Gefährliche Nüsse

Gefährliche Nüsse

4 Gedanken zu „Langfahrtsegler rüsten auf

  1. Steffi

    Hallo ihr Zwei,
    langsam frage ich mich, ob wir unser sicheres Brasilien wirklich gegen Norden verlassen sollten…
    Danke jedenfalls für den informativen Bericht, sind doch eingie Tipps dabei, die wir noch überlegen werden. Selbstverteidigung kommt nicht in Frage – jede Wafffe, und sei es Pfefferspray, die ich habe, kann der Angreifer gegen mich verwenden.
    Die Luke übern Bett bleibt jedenfalls aus dem gleichen Grund, wie bei euch offen ;-).
    Bleibt heil!
    Liebe Grüße
    Steffi

    Antworten
  2. Sabine

    Hallo Steffi,
    ach, ich glaube hier ist es nicht gefährlicher als in Brasilien.
    Passiern kann überall etwas. Daher, kommt nur hier in den Norden.
    Jetzt aber erstmal einen schönen Heimat-Aufenthalt für Euch. Geniesst die Familie. :-)
    lg
    Sabine

    Antworten
  3. Gabriela Herbst

    Liebe Sabine, eigentlich lese ich deinen Blog gerne, aber dein „Stammtischgeschwätz“ über den Überfall hättest du dir wirklich sparen können. Ihr habt von dem ganzen Hergang nun wirklich garnichts mitbekommen.
    Wir haben direkt neben der deep blue, so heißt das überfallene Schiff, geankert und einen Knall gehört. Da fragt man sich natürlich was das war. Hörte sich an wie eine Automatik-Rettungsweste wenn sie aufgeht, könnte auch eine explodierte Batterie gewesen sein, das hatten wir auch schon mal, oder ein Nico-Signal oder auch ein Schuss aus einer Schreckschusspistole. Also raus aus der Koje und nachsehen. Alles stockdunkel und still, nichts ungewöhnliches zu sehen. Wieder ins Bett. Keine 10 Minuten später hörte ich ein Boot mit großem Außenborder vorbeirasen und einen Schrei: AAhhhhh!!!!!! Kein Hilfe, sondern Aaahhhhhh!!!!!
    Wieder raus, nachsehen. In der dunklen Nacht erkenne ich eine Frau auf der Badeplattform die zu jemanden auf den 50m dahinter ankerndem Schiff spricht. Für mich heißt das: Problemlösung läuft anscheinend, sonst nix los, ab ins Bett. Das ein Überfall stattgefunden hat haben wir erst am nächsten Morgen erfahren.
    Aber das wichtigste: es ist in der Nacht direkt nach dem Überfall eine richtig gute Hilfsaktion gelaufen. Es gibt anscheinend reichlich Segler die nachts das Funkgerät an lassen. Wir bis dahin leider nicht. Es wurde geholfen, meine Liebe. Danach erst, ja aber woher soll man wissen was auf dem Nachbarschiff passiert? Es leichtet leider kein Schild mit „Überfall“ auf und es war alles mucksmäuschenstill.
    Zur Hilfsaktion: ein Schiff übernahm die Koordination über Funk, ein Arzt meldete sich von einem Charterschiff das weiter weg lag, da er nicht wusste wo er hinkommen sollte wurde mit dem Beiboot von einem anderen Schiff abgeholt, Verband-und Nahtmaterial wurde von einem anderen Schiff bereitgestellt. Ich habe 2Tage später mit den Beiden von der deep blue persönlich gesprochen und sie fanden es grandios dass so viele geholfen haben.
    Das Tollste ist, das die Coast Guard, die zuerst von der deep blue angerufen wurde nicht kommen wollte. Morgen, morgen im laufe des Tages würden sie mal vorbei schauen. Darum hat sich dann wohl der Skipper der Megayacht Lady J, die ankerte auch im Umfeld, über Funk und dann telefonisch gekümmert. Leider weiß keiner was der Skipper denen erzählt hat, jedenfalls kam die Coast Guard dann später noch mit Blaulicht angeschlichen. Da war das Paar medizinisch schon versorgt, dank der Hilfe der rundum ankernden Yachten.
    Nun zu deinem Ruf nach Superhelden, den ich zwischen den Zeilen in deinem Blogbeitrag lese. Ich glaube nicht dass ein (unbewaffneter) Normalmensch sich in einen bewaffneten Überfall einmischt und die Diebe in die Flucht schlägt. Hat es selbst bei Banküberfällen (real, nicht im Film) nicht gegeben.
    Wenn man einen Überfall bemerkt, kann man nur Alarm schlagen, bis alle wach sind und die Einbrecher das Weite suchen. Funkruf, Scheinwerfer, Alarmanlagen heulen lassen und was weiß ich nicht alles.
    Also immer vorsichtig mit Anschuldigungen speziell wenn man nicht dabei war.
    Gaby von der la joya

    Antworten
    1. Sabine

      Liebe Gaby,
      vielen Dank für Deinen Kommentar.
      Ich sehe es alles genauso wie Du, und so steht es auch im Bericht.
      Die Nachsorge und Hilfe nach (!) dem Unfall, die sehr gut war, ist nicht Inhalt meines Berichts gewesen. Mein Thema war die Prävention.
      In einem Punkt stimme ich nicht mit Dir überein: Es gibt, auch zwischen den Zeilen, keinen Ruf nach einem Superhelden. Zweimal schreibe ich, dass nur Maßnahmen ergriffen werden sollen, mit denen man sich selber nicht gefährdet.
      Wenn Du Anschuldigung gegen Jemanden herausliest, tut mir das Leid, das war nicht meine Absicht.
      Liebe Grüße
      Sabine

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