Der gemeine Langfahrt-Segler

Fr., 13.Jan.17, Curaçao, Spanish Water, Tag 958, 8.752 sm von HH

Man sollte denken, dass sich alle Langfahrtsegler ähnlich sind.
Schließlich eint uns ein und der selbe Traum: Die verschrobene Idee, um die halbe oder gar ganze Welt zu segeln. Menschen, die wahlweise als verrückt oder mutig bezeichnet werden.

Die allermeisten Segler, die wir bislang kennen gelernt haben, sind angenehme, lustige Zeitgenossen. Hilfsbereit, immer gut drauf und es ist eine Freude, sie am Ankerplatz wieder zu treffen.

Neben den normalen ;-) Macken, die wir alle haben, gibt es vier herausstechende Typen.

Der ängstliche Typ
Bei dem Typ wundert man sich, wie er überhaupt seinen Heimathafen verlassen konnte.
Er traut seinen eigenen Hosen nicht, trägt Gürtel und Hosenträger und selbst am Anker eine Rettungsweste. Für seinen Notfall- und Medikamentenkoffer braucht er einen Anhänger.

Er hat vor allem Schiss: vor Höhe, vor Haien, vor Krankheiten, vor Salmonellen und Trichinen, vorm schwarzen Mann. Ja, selbst die Regenzeit lässt ihn die Sorgenfalten auf der Stirn erscheinen.
Seine Ängste machen ihn zu einem launenhaften Gegenüber. Abends beim Bierchen trinkt er sich Mut an, um schon am nächsten Tag getroffene Vereinbarungen zu widerrufen.
Diesen Typ findet man überraschend häufig unter den männlichen Exemplaren.

Der ‚immer-einen-oben-drauf-Geber‘
In dieser Gruppe findet man viiiiele Männer.
Dieser Typ hat immer mehr PS, immer mehr Ampere, mehr Watt, mehr Leistung, mehr Drehzahl. Er hat immer den Längsten. Und den Dicksten.
Mit diesem Typ kann man nicht sprechen. Egal, was man sagt, bei ihm war es schlimmer, der Wind heftiger, die Wellen höher, der Schlafentzug schwerer zu ertragen. Er fällt einem sofort ins Wort und übernimmt.
Frauen dieses Typs erheben gerne Zeigefinger und Stimme und unterbrechen den eigenen Ehemann zuckersüß: „Moment, Chérie, Moment“, um ihm und der Welt ausschweifend zu erklären, wie schlimm die Überfahrt denn nun wirklich gewesen sei.

Der redselige Typ
Dieser Typ ist vor allem unter den Frauen anzutreffen.
Bereits beim ersten ‚Hallo‘ erfährt man alle Eckdaten der Kinder, der Familie und der alten Nachbarn. Welcher Beruf, wie lange unterwegs, warum unterwegs, woher man kommt, wohin man will.
Bei Treffen zwei ist man im Bilde über die finanzielle Situation, hässliche Scheidungen und die Krankheiten der alten Nachbarn, die Vergehen von Ex-Schwiegerkindern und seit wann man nicht mehr in Kleidergröße 40 passt. Und wer die Schuld an diesem Dilemma trägt.
Der Redefluss der Redseligen ist durch nichts zu stoppen und keine Peinlichkeit zu groß, um nicht in die Welt geplappert zu werden.
Wenn mir allerdings bei Treffen Nummero 3 erzählt wird, dass der Sex trotz hohen Alters noch gut und regelmäßig klappt, dann habe ich Angst vor Treffen Nr. 4 und bin froh, wenn es nicht statt findet. :mrgreen:

Der ‚ich-bin-schon-einmal-rum-Typ‘
Der Typ tritt als Pärchen auf und diese Gruppe ist in zwei Lager gespalten.

Da gibt es die Guten, die unaufgeregt ihre netten und spannenden Erlebnisse zu erzählen wissen, gute Ratschläge parat haben und sehr unterhaltsam sind.

Und dann gib es da die anderen.
„Früher war alles besser“, so beginnen sie jede Unterhaltung. „In die Südsee brauchst du heute nicht mehr fahren“, so nörgeln sie weiter.
„Überall nur noch Abzocke, ausgetretene Pfade, alles überlaufen. Schade, dass ihr erst jetzt unterwegs seid, früher konnte man noch was erleben. Heute ist es ja auch keine Kunst mehr dank AIS, Plotter und Satelliten-Telefon. Als wir gestartet sind, da gab’s das alles noch nicht.“
Je länger der Abend, desto absurder erscheint einem die eigene Idee, weiter segeln zu wollen. Es hat ja alles sowieso keinen Sinn mehr.
Nach einem Abend mit solchen Gesellen sehnt man sich nach einem der „oben-drauf-Geber“.

 

2 Gedanken zu „Der gemeine Langfahrt-Segler

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