Tag 3 ==> Hao

Sa., 11.Mai 19, Pazifik, Tag 1805, 17.660 sm von HH
Schluss mit Romantik. Wir haben den Wind gefunden. Zunächst perfekte 13 bis 15 Knoten, die jetzt auf knapp 20 Knoten angestiegen sind. Es geht nun deutlich flotter voran. Wir sind längst in das Tuamotu Archipel vorgestoßen. Unser Weg nach Hao führt uns quer durch die verstreuten Atolle. Rechts und links des Weges tauchen die ersten unbewohnten Inselgruppen auf. Allerdings nur sichtbar auf dem Plotter. Als blaue Flecken mit sandfarbenem Kringel drum herum in die Karte gezeichnet. Tiefenangaben oder Angaben über Pässe, die durch die Riffe führen, werden nicht gemacht. Sowohl die flachen Sandhaufen, die nicht mal drei Meter über die Wasseroberfläche hinausragen, als auch die tückischen Saumriffe sind erst auszumachen, wenn man praktisch dagegen fährt. James Cook nannte vor 250 Jahren die Tuamotu die ‚gefährlichen Inseln‘. Erst mit Einführung der GPS-Naviagtion ist es uns Seglern möglich ‚gefahrlos‘ -auch nachts- durch die Tuamotu u schippern. Vor GPS wurde dieses Seegebiet kaum befahren.
Letzte Nacht haben wir ‚Mururoa‘ und ‚Fangataufa‘ mit ungefähr 50 Meilen Abstand passiert. Diese beiden Atolle wurden von 1966 bis 1996 von den Franzosen für Atomwaffenversuche missbraucht. Heute sind beide Atolle Sperrgebiet. Zurück geblieben sind Unmengen radioaktiver Müll und Tausende krebskranker Menschen. 2018 wurde Frankreich vom Internationalen Gerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verklagt für ihre 193 Tests in Französisch Polynesien, die unter anderem eine Zunahme der Krebserkrankungen in der Bevölkerung zur Folge hatte. Während die USA, die UdSSR und GB bereits 1963 ihre oberirdische Atomversuche einstellten, bombten die Franzosen ungeniert bis 1974 oberirdisch weiter. Bis 1996 fanden noch weitere 152 unterirdische Tests statt trotz internationaler Proteste. In mit Beton versiegelten Röhren lagert nun der Atommüll in den kleinen Atollen. Die Franzosen sind abgezogen, der Müll geblieben. Die Opfer sollen noch immer auf angemessene Entschädigungen warten.
Tag 3 Meilen: 114. Noch 176 Meilen bis Hao.

Tag 1+2 ==> Hao – Schleichfahrt

Do./Fr., 09./10.Mai 19, Pazifik, Tag 1803/4, 17.546 sm von HH
Am Morgen nach der Wanten-Reparatur herrscht Totenflaute am Ankerplatz. Nochmal die Abfahrt verschieben? Nein! Wir ignorieren den Leitsatz ’nur der geduldige Segler hat immer guten Wind‘. Schließlich soll es am frühen Abend Wind geben, sagt die Vorhersage. Am Nachmittag gehen wir Anker auf – wir wollen noch vor Sonnenuntergang das flache Atoll verlassen haben. Nach zwei Stunden erwarten uns auf offener See zwei Windstärken und ein plattgezogenes Meer. Die alte Dünung ist schwach und von niedriger Frequenz. Die ausgebaumte Genua steht wie eine ‚eins‘ und zieht uns mit 1,5 Knoten gemächlich vorwärts. Geräuschloseses Segeln. Aufrecht. Fast romantisch. Unser Abendmahl genießen wir als ‚Candle light Dinner‘ am mondlosen Abend. Die Nacht ist wie Samt und Seide.
Der versprochene Wind bleibt aus. Drei Knoten, mehr Fahrt liegt die Nacht über nicht drin. Der Wetterbericht am Morgen verspricht Wind für den Nachmittag. Wie eine Möhre am Band vor der Nase, die den Esel locken soll, wird das Windgebiet auf der Karte weiter vor uns her nach Norden verschoben. Wir zuckeln gemütlich weiter. Die Schiffsbewegungen sind geringer als an einem schlechten Tag am Ankerplatz vor der Osterinsel. Der nächste romantische Abend folgt.
Am zweiten Vormittag frischt es etwas auf. Vier Windstärken. Für ein paar Stunden. Wir kommen besser voran, zeitweise machen wir 5 Knoten Speed. Damit ist es jetzt wieder vorbei. Das Windfeld ist weiter in den Norden verschoben worden. Ein dritter romantischer Abend droht.
Meilen gesamt in den ersten 48 Stunden: 161. Noch 294 Meilen bis Hao.

Die Abfahrt verzögert sich

Mi., 08.Mai 19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1802, 17.385 sm von HH
„Ich kletter‘ noch mal eben in den Mast und mache einen Rigg-Check“, teilt Achim mir mit. Der Skipper muss sich die Frage gefallen lassen, warum er dies zwei Stunden vor Sonnenuntergang am letzten Abend vor der Weiterfahrt macht ( 30 Minuspunkte). Er hatte dafür 7 ( in Worten: sieben) Wochen Zeit (nochmal 10 Minuspunkte, wenn man mal anfängt genau darüber nachzudenken). Die Untersuchung bringt nichts Gutes zu Tage: „Unser Unterwant ist angeknackst! Eine von neunzehn Litzen ist gebrochen. Da muss ich Morgen wohl was unternehmen.“ Achim geht es wie dem Teufel, der seine Großmutter erschlagen hat: ihm gehen die Ausreden aus (10 Minuspunkte), warum er das erst heute untersucht. „Ich war wohl zu faul“, ist noch die beste Antwort (5 Pluspunkte wegen Ehrlichkeit). „In Zukunft checke ich wohl besser das Rigg direkt nach der Ankunft“, wird mir versichert (5 Pluspunkte für guten Vorsatz, leider 10 Minuspunkte für ein, sowieso faules, Versprechen). Ich kann es nicht ändern, der Mann ist nun mal wie er ist (5 Pluspunkte für mich – für unglaubliche Toleranz). Er macht immer alles auf die letzte Minute. Bleiben wir halt noch einen Tag (5 Pluspunkte); ich bin sowieso verliebt in Mangareva. Durch die Verschiebung kommt der Speiseplan durcheinander. Ich muss nun noch einmal vorkochen für den ersten Tag auf See (10 Punkte Abzug).
Da uns bereits zweimal ein Unterwant angeknackst ist, hat Achim vor zwei Jahren vorgesorgt. Es gibt Reparatur-Teile für alle Wanten an Bord (echte 20 Pluspunkte). Die damalige Investition von 850 Euro ( :shock: ) in Stalock Terminals zahlt sich heute aus. Ganz cool (5 Punkte gutgeschrieben) erläutert Achim mir den Reparatur-Plan. Als wir vor drei Jahren das erste Mal ein gebrochenes Want hatten, haben wir noch Panik auf dem Dampfer geschoben.
Noch vor (5 Pluspunkte) dem Frühstück, sägt Achim das Want unterhalb der Saling einfach ab. *** Der Bruch befindet sich ungefähr 30 cm von der oberen Pressung entfernt. Das ist eine glückliche Fügung (0 Punkte – Eigenleistung fehlt ;-) ), denn das Stalock Terminal passt somit haargenau als Ersatzteil dazwischen.
Die Reparatur ist blitzschnell erledigt, da kann man nichts gegen sagen (55 Pluspunkte). Er ist schneller damit fertig, als wir beide befürchtet haben. „Hätte ich das früher gewusst, wie einfach das mit den Stalock-Teilen ist, hätte ich auf die Scheiß Pressungen komplett verzichtet“ (10 Minuspunkte für ‚hätte-hätte‘-Jammerei und 20 Minuspunkte für mangelnde hellseherische Fähigkeiten : mrgreen: )
Einer heutigen Abfahrt am frühen Nachmittag steht eigentlich nichts im Weg. „Ach nö, jetzt habe ich mich schon ganz und gar auf Morgen eingestellt. Lass uns dabei bleiben“, bittet Achim mich. Wir fahren Morgen. Mir geht es nicht anders, ich hab mich ebenfalls auf Morgen eingeschossen und außerdem den Speiseplan bereits umgestellt (jeweils 20 Punkte Abzug für uns beide, wegen mangelnder Flexibilität). Altersbedingt scheint es bei uns beiden mit lustvoller Spontanität aufgehört zu haben. :lol:
Atanga bekommt ebenfalls 20 Minuspunkte als Unterwant-Killerin. Wir fragen uns nun, woran das liegen könnte. An uns liegt es jedenfalls nicht (jeweils 10 Punkte im Plus) – sind wir doch die Weltmeister im Oma-Segeln. Sind die Unterwanten mit 10 mm vielleicht unterdimensioniert? Bis Tahiti wird die Reparatur in jedem Fall halten. Zumal wir die Segel die nächsten tausend Seemeilen auf der Seite mit der Reparatur stehen haben werden. Das bedeutet keine Belastung auf dem kritischen Want. In Tahiti wird es dann ein neues Unterwant geben, wenn möglich in 12 mm.
P.S. Wir waren nachmittags noch mal an Land. Da aber Feiertag ist (2.Weltkrieg-Ende!), gibt es heute kein Internet. Daher per Funk gesendeter Bericht. Wir hängen noch immer am Anker. :-)
*** Um zu verhindern, dass der kritische Leser ihn für total bekloppt hält, besteht Achim darauf, dass ich schreibe, dass er das Want oben absägen musste. Da sich am anderen Ende (an Deck) bereits ein Stalock-Terminal befindet, konnte er das Want nicht durch die Saling ziehen.

Next Stop: Hao

Di., 07.Mai 19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1801, 17.385 sm von HH

450 Seemeilen. Ein Katzensprung. Alles unter 500 Seemeilen gilt auf dem Pazifik als Kurzstrecke. :lol: Morgen geht es nun endlich los. Das schlechte Wetter hat sich verzogen. Wir haben ein zweites Mal noch ‚ein letztes Mal‘ gewaschen. Diesel ist aufgefüllt, die Wassertanks sind voll. Wir sind für drei Monate mit Grundnahrungsmitteln, eingekochtem Fleisch, Hülsenfrüchten und Gemüse-Dosen ausgerüstet.

Die Tuamotus gelten als ‚versorgungsarm‘. Was auch immer das heißen mag. Wir lassen sich uns überraschen, ob das nur Gerüchte sind . Die Gambiers werden gut versorgt, trotzdem kommt es zu Engpässen von Gas zum Kochen, beim Benzin oder auch H-Milch in Tüten oder Käse.
Die Tuamotus sind einsame Inseln, wenig besiedelt. Flache Sandhaufen auf denen nur Kokospalmen wachsen. Schluss mit dem üppigen Bewuchs der Gambiers. Im Schiffsbauch haben wir 30 Stück der köstlichen Pampelmusen gelagert. Zum Tauschen und selber futtern. Martha von der Osterinsel hat uns erzählt, dass sie für eine Pampelmuse eine Perle eingetauscht hat. Entweder sind Perlen wirklich nichts wert oder die Einwohner der Tuamotus sind ausgehungert nach Obst.

Gut gerüstet geht es in die Obst freien Tuamotus Papaya Pampelmusen Orangen Kürbis Kokosnuss

Gut gerüstet geht es in die Obst freien Tuamotus Papaya Pampelmusen Orangen Kürbis Kokosnuss

Wir wollen drei Monate in den Tuamotus bleiben. Tahiti soll im Juni/Juli total überfüllt sein. Dann würde es gut passen, wenn wir tatsächlich erst im August dort ankommen, wenn die meisten Segler schon Richtung Westen weiter gezogen sind.

Wie immer berichten wir von unterwegs über Funk. Vielleicht erleben wir in den Tuamotus dann auch tatsächlich einen der letzten Plätze auf der Welt ohne Internet. Und ob wir das drei Monate aushalten können. :shock: Hier in Rikitea konnte die Internet-Sucht ja noch ganz bequem (und kostenlos, was ich sensationell finde) befriedigt werden.
Also, Ahoi, next stop: Hao.

Alles wieder friedlich in Rikitea

Alles wieder friedlich in Rikitea

 

Die Tuamotus

Do., 02.Mai 19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1796, 17.385 sm von HH

Die Tuamotus bestehen aus 78 Atollen, verteilt auf eine Länge von fast 2.000 Kilometer. Jedes dieser Atolle ist von einem Saumriff umgeben. Dieser Saum besteht aus bewohnbaren Inseln, aus kleinen Inselchen, den sogenannten Motus, Sandbänken und einem Riff, was nur knapp unter der Wasseroberfläche liegt. An diesen Stellen ist eine Einfahrt in die Lagune unmöglich.
Aber fast alle Atolle haben mindestens einen tiefen Pass durch den man in die Lagune gelangen kann. So ein Durchbruch kann wenige Metern bis mehrere hundert Meter breit sein. Aber eins haben sie gemeinsam: sie sind nur (gut) befahrbar bei Stillwasser. Dem Moment zwischen Ebbe und Flut. Dann kommen die Strömungen, die in den Pässen entstehen können, zum Erliegen. Fünf Knoten, acht Knoten, zwölf Knoten. Die Literatur warnt vor aberwitzigen Geschwindigkeiten in den Riffpassagen.

 

Die Einfahrt vom Hao Atoll liegt im Norden

Die Einfahrt vom Hao Atoll liegt im Norden

Hao Atoll - über das Riff schwappt die Lagune aus Süden voll Wasser

Hao Atoll – über das Riff schwappt die Lagune aus Süden voll Wasser

Unser nächstes Ziel-Atoll soll ‚Hao‘ sein. Hao hat eine Länge von über 30 sm und der Pass zur Einfahrt liegt ganz an der Nordspitze des Atolls. Leider erstreckt sich zur Zeit ein Windfeld von Tahiti, über die Tuamotus bis zu uns auf die Gambier Inseln, von 20 bis 30 Knoten Dauerwind. Der Wind kommt aus Südosten und drückt über das Saumriff die Lagune von Hao voll Wasser. Im Norden strömt das überschüssige Wasser durch den Pass wieder aus der Lagune raus. Stillwasser existiert im Augenblick nicht in Hao. Bis auf 20 Knoten (37 Stundenkilometer) soll sich die ausgehende Strömung dort aufbauen. :shock:

Der Starkwind dauert bereits sechs Tagen an. Zwanzig Knoten im Schnitt, Böen bis 35 Knoten. Die letze Nacht bis zum Mittag war es am schlimmsten. Waagerechter Regen und am Vormittag gehen die ersten Schiffe auf Drift, obwohl der Ankergrund aus exzellentem Schlamm besteht. Hektisch ankern die betroffenen Schiffe um. Die Ankerbucht ist ziemlich voll, so dass sich jeder um sein Schiffchen sorgt. Nicht, dass es vom Vormann weggerissen wird. Besorgte Funksprüche von Schiff zu Schiff: „Hey, du kommst mir zu nahe.“
Glaubt man der Vorhersage soll ab Morgen der Spuk zu Ende sein.

Der Wind bringt reichlich kalte Luft aus dem Süden mit. Der Winter ist nah! :mrgreen: (ja, auch hier kennen wir was von GoT). Wir merken deutlich, dass wir uns im südlichen Spätherbst befinden. Die Gambier Inseln befinden sich in etwa auf dem gleichen Breitengrad wie die Kanaren und dort ist es im Winter ja auch nicht nur lieblich warm. Nachts fallen die Temperaturen ins Bodenlose und morgens müssen wir Socken im Schiff tragen. Pullover-Alarm! Früher müssen die Einwohner in ihren Baströckchen ganz schön gezittert haben.

Bei Sonnenschein ist es herrlich. Nicht zu warm, nicht zu kalt. Wir nutzen die Regen-Pausen mit schwächerem Wind und machen weiterhin die Insel unsicher. Auf jeder Tour entdecken wir noch etwas Neues. Unser Zwangsaufenthalt von seiner schönen Seite.

Die Badewanne der Prinzessin

Die Badewanne der Prinzessin

wird dieses kleine Naturbecken mitten im Dschungel genannt

wird dieses kleine Naturbecken mitten im Dschungel genannt