Tag 9 ==> Pitcairn – Noch mehr Rollerei

Mi., 06.Mrz.19, Pazifik, Tag 1739, 16.532 sm von HH
Für dreißig Stunden ist Ruhe im Schiff. Mit Windstärke vier kreuzen wir vor dem Wind. Die Segel stehen und zeitweise kommen wir mit 5 bis 6 Knoten Speed voran. Die Rollerei ist auf ein erträgliches Maß zurück gegangen, wir schlafen besser und es wird wieder gelacht an Bord.
Seit drei Stunden ist Schluss damit. Der Wind haucht mit 6 bis 8 Knoten in die Segel. Das Groß steht schon lange nicht mehr. Vorbei mit dem Gelächter. Nach zwei Stunden lassen wir es fallen, es ist nicht zum Aushalten. Schlagartig ist die Rollerei wieder da. Nicht so heftig wie vor drei Tagen, aber genug. Die Begeisterung über diesen Törn ist in einen nicht messbaren Bereich gesunken. :mrgreen: Zwei verschiedene Dünungen machen uns das Leben schwer. Eine schnelle, flache rollt aus Osten ran und eine langsame hohe Dünung trifft aus Süden ein.
Noch dreihundert Meilen direkter Weg. Die Hochrechnung sprach schon mal von Ankunft am Samstag, der ist gerade auf Sonntag gerückt. Die Vorhersage spricht nicht von so einem schwachen Wind …
Tagesmeilen: 107 , noch 307 Meilen to go direkter Weg
P.S. Eben kommt der Ruft vom Käpt’n: „Ich bereite schon mal das Setzen des Großsegel vor. Kommst du? Wir haben 11 Knoten Wind!“ Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Tag 7+8 ==> Pitcairn – Rollin‘ home

Mo./Di., 04./05.Mrz.19, Pazifik, Tag 1737/8, 16.532 sm von HH
Seit 48 Stunden rollen wir wie Sau. Die Nerven liegen blank. Wir haben alles versucht. Genua ausgebaumt auf Backbord, Genua ohne Baum auf Steuerbord. Wir haben angeluvt und wir sind abgefallen. Um das Großsegel zu setzen, ist der Wind zu schwach und die Wellen zu hoch. Baum und Segel würden in der Dünung schlagen. Seit 48 Stunden ist die Schlechtwetterfront durch. Der Regen und die Squalls sind verschwunden. Blauer Himmel mit Schafswolken. Der Wind hat über Nord zurück auf Ost gedreht. Er zeigt nun genau auf unseren Hintern und wir rollen. Wir rollen wie nie zuvor.
Seit 48 Stunden spielen wir Schiffsschaukel, finden kaum Schlaf. Achim wünscht sich Klett auf dem Bettlacken und einen Schlafanzug mit Gegenklett, um sich festkleben zu können. Es ist eine Qual. Die Stimmung sinkt auf den Gefrierpunkt. Wir sind grantig und schlecht gelaunt. Ungerecht und unfreundlich. Die schlechteste Laune seit Monaten.
Damit ist seit heute Morgen Schluss. Der Wind frischt etwas auf, das Großsegel kommt hoch und wir ändern unsern Kurs soweit, bis es sich gut anfühlt. 30 Grad weichen wir jetzt vom Kurs ab. Aber Atanga liegt angenehm in der Dünung, die jetzt schräg von hinten kommt. Drauf gepfiffen, dass sich unsere Rest-Strecke dadurch verlängert wird (ca. 15 Prozent). Drauf gepfiffen, dass wir vielleicht einen Tag länger brauchen (andererseits sind wir auf diesem Kurs auch schneller). Endlich ist Ruhe im Schiff. Haben wir gestern noch den golden Zündschlüssel am Band für nicht motoren verliehen bekommen, so gibt es jetzt den silbernen Orden für ‚Weichei-sein‘. Drauf gepfiffen. :-)
Tagesmeilen: 96 bzw. 110 , noch 394 Meilen to go. ??? Rollin‘ home, rollin‘ home, rollin‘ home to good old Hamburg… ???

Tag 6 ==> Pitcairn – Flautenroller

So., 03.Mrz.19, Pazifik, Tag 1736, 16.326 sm von HH
Die Freude über den guten Wind währt nicht lange. Kontinuierlich werden wir langsamer. Dazu Squalls, Regenschauer, Wind aus allen Richtungen. Alle halbe Stunde müssen wir die Windsteueranlage nachjustieren, um auf Kurs zu bleiben. Achim gibt in seiner frühen Nachtschicht alles. Kurbelt bei strömendem Regen am Steuerrad rum. Eben noch 10 Knoten aus Ost, dann 22 Knoten aus Nord. Alles vergeblich, der Wind schläft ein. Flaute. Wir nehmen um Mitternacht erneut die erbärmlich schlagenden Segel runter.
Der Schwell, der uns nun durchschüttelt, stammt aus der Hölle. Diese Nacht bleibt unvergessen. Alle zwei, drei Minuten neigen wir uns 15 Grad zu jeder Seite. Es geht ein paar Mal hin und her. Dann 20 Grad. Atanga schaukelt sich auf. 30 Grad, 35 Grad Schräglage. Unangenehme Beschleunigungskräfte. Es fühlt sich an wie in einer Schiffs-Schaukel. Nur, dass diese Fahrt nie zu Ende geht. :mrgreen: In den Schränken klappert und rappelt es. Konserven, dicht gestaut, schütteln sich solange zusammen bis Luft dazwischen gelangt und sie anfangen zu klimpern. Topfdeckel klappern, Gläser klirren. Ein unbekanntes Klopfen im Badschrank. Die Geräuschkulisse ist grausam. Nach den schlimmsten Ausschlägen beruhigt sich das Geschaukel. Für einen wunderbaren Moment liegen wir ganz still. Werden angehoben, scheinen zu schweben. Leichtigkeit macht sich breit. Erleichterung für den Körper. Erleichterung für die Nerven. Die Seele. Für zehn Sekunden keine Bewegung, kein Geräusch. Dann fängt es wieder leicht zu wippen an. Atanga schaukelt sich auf, es geht von vorne los. Nach zwei Stunden ist das Schlimmste vorbei, die Wellen beruhigen sich etwas. Wir finden etwas Schlaf . Nach acht Stunden kommt zum Frühstück der Wind zurück. Eine leichte Brise aus Nordost. Mit drei Knoten nehmen wir wieder Kurs auf Pitcairn auf. Tagesmeilen: 58 ( :cry: ), noch 592 Meilen to go.

Tag 5 ==> Pitcairn – Flautenlieger

Sa., 02.Mrz.19, Pazifik, Tag 1735, 16.268 sm von HH
Wir fahren 3 Knoten, 2 Knoten, 1 Konten und stehen. Nach den Squalls kommt zum Abend die Flaute. Die Segel flappen, der Baum schlägt. Nichts geht mehr. Entnervt nehmen wir alle Segel runter, das halten wir nicht aus. Mit einem Resthauch von Wind treiben wir nach Süden in die falsche Richtung. Der Motor bleibt aus. Es ist sowieso zu weit, um unter Maschine fahrend anzukommen. Unseren Diesel brauchen wir noch in den nächsten Monaten für Riffeinfahrten. Ob wir immer überall Diesel nachkaufen können, ist fraglich. Und wie lange wollen wir den Motor laufen lassen? Eine Stunde, zwei Stunden oder fünfzig Meilen? Wir wissen nicht wo wir Wind finden. Also, der Motor bleibt aus.
Ohne Vortrieb rollen wir prächtig in der Dünung. Nach zwei Stunden wird es etwas besser. Achim findet als erster Schlaf. Wie zuckersüß verlockend wäre es, sich dazu zu legen. Aber wir behalten unsere Nachtschichten bei. Erstens wollen wir neuen Wind nicht verpassen und zweitens haben wir doch gestern tatsächlich einen Frachter gesehen. Der zog in fünf Meilen Abstand an uns vorbei. Ganz alleine sind wir also doch nicht. Ich sitze in stockdunkler Nacht im Cockpit und habe Phantasien: Wie klein wir doch auf diesem großen Gewässer sind. Kleiner als ein Fliegenschiss. Ich komme mir verletzlich vor, und verloren, ohne Fahrt im Schiff. Ein Fliegenschiss, der wie ein unsichtbarer Korken auf dem Wasser treibt.
Erst nach 7,5 Stunden, mitten in der Nacht, kommt der Wind zurück. Richtige Richtung, richtige Stärke. Mit fast fünf Knoten geht es wieder dem Ziel entgegen. Ich geh‘ jetzt ins Bett.
Tagesmeilen: 81 (immerhin!!!), noch 634 Meilen to go.

Tag 4 ==> Pitcairn – Alles im Lot

Fr., 01.Mrz.19, Pazifik, Tag 1734, 16.187 sm von HH
Unsere Rechnung ist aufgegangen. Wie vorhergesagt, hat der Wind auf Nord gedreht und wir haben schon 50 sm Richtung Nord ‚im Sack‘. Sehr gut. Die vierte Nacht ist ein Traum: Milchstraße von Horizont zu Horizont. Das Kreuz des Südens ist klar zwischen den anderen Sternen auszumachen (also von Achim, ich bin da untalentiert und sehe vor lauter Sternen die Sterne nicht). Die meterhohe Dünung aus Westen ist verschwunden. Sanfte Wogen kommen nun aus Nord. Es ist schon beachtlich, wie dieser Ozean hin und her schwappt. Ohne Schiffsbewegung ziehen uns die Segel durch die Sternennacht.
Am Vormittag gibt es eine Dusche auf dem Vorschiff, so ruhig und grade liegen wir. Und das bei einem ‚am Wind‘ Kurs. Eine willkommene Abwechslung. Wasser in unbegrenzter Menge. Achim kippt uns literweise Meerwasser über den Kopf. Ein bisschen Süßwasser zum Abspülen. Fertig. Sich mit drei Liter Süßwasser im Cockpit zu waschen, ist auf Dauer nicht befriedigend. Obwohl wir erst 400 Seemeilen voran gekommen sind, ist die Wassertemperatur schon um einen Grad gestiegen.
Ab Mittag geht der Wind hoch auf vier Windstärken. Im Zwei-Stundentakt kommen jetzt Squalls vorbei. Kleine, harmlose Regenfelder von 20 Minuten. Keine großen Winddreher oder Überraschungen drin. Es bleibt friedlich auf Atanga. Aber Kino fällt aus deswegen.
Tagesmeilen: 104, noch 714 Meilen to go.