Tag 16 =>Osterinsel – Frohe Weihnachten

So., Heiligabend 2018, Süd-Pazifik, Tag 1667, 14.948 sm von HH
Der erhoffte Wind zum Abend ist ausgeblieben. Wir sind nur noch getrieben und dann auch noch in die falsche Richtung. Noch 119 Tage grinst uns der Plotter ins Gesicht. So geht das nicht. Das Großsegel haben wir entnervt runter geholt. Baum und Segel schlagen hemmungslos in der Dünung. Das Vorsegel fällt in sich zusammen. Solange das Fall im Mast verklemmt ist, können wir den Blister nicht benutzen. Achim müsste versuchen es aus seiner Klemme zu befreien, aber noch ist zu viel Dünung, so dass er auf keinen Fall in den Mast steigen wird. Um überhaupt vorwärts zu kommen, baumen wir die Genua aus. Das haut hin, obwohl der Wind mit etwas vorlicher als halb nicht optimal für ein ausgebaumtes Segel ist. Wir kommen voran, langsam zwar, aber wir kommen voran. Die letzten 24 Stunden schaffen wir einen Schnitt von 2,5 Knoten. Das ist Schrittgeschwindigkeit. :mrgreen:
Da ich früh ins Bett muss (die Sinnlosigkeit unserer Nachtwachen ist durchaus Diskussionsstoff an Bord. Warum machen wir das? Hier ist niemand…! ) gibt es Bescherung schon am Nachmittag. Bei einem Stück Kuchen und ‚Last Christmas‘ aus allen Rohren. Man stelle sich vor, die Seeschwalben, die uns begleiten, hören als erstes menschliches Geräusch ‚Last Christmas‘. Alle Hasser dieses Liedes mögen schon mal den Tierschutz benachrichtigen. Mir egal. Das ist Tradition und gehört genau so. Achim fügt sich augenrollend in sein Schicksal: „ich kann ja nicht weg…!“ Die Geschenke fallen praktisch aus: Ein T-Shirt für den Herrn und ich bekomme einen kleinen Mini-Lautsprecher-Würfel (damit ich beim Putzen an Deck auch Musik habe…pfffft).
Wir wünschen Euch da draußen ein wunderschönes Weihnachtsfest mit leckerem Essen, lieben Menschen und guten Getränken. Und ich überlege mir jetzt ein halbwegs anständiges Weihnachtsessen. Ahoi.
Essen: Abendessen: Noch einmal Chop Suey mit Rind – das hat für zwei Tage gereicht. Das Rindfleisch koche ich übrigens wie folgt ein: Fleisch in Gulaschwürfel schneiden, scharf anbraten und nur mit Salz und Pfeffer würzen. Den Bratensatz lösche ich ab und fülle ihn zum Fleisch in die Gläser. So kann ich das neutrale Rindfleisch für alle möglichen Gerichte verwenden. Frühstück: Brot mit Salami, Käse und Mortadella Mittag: Achim hat sich ein paar Tortillas rein und ich gönne mir eine Schüssel Müsli. Kaffee: Zur Feier des Tages gibt es selbstgebackenes Apfelbrot. Das ist ein Kuchen mit Äpfeln, Rosinen, Zimt und Lebkuchengewürz. Sehr weihnachtlich. (wer mich kennt, keine Angst, es handelt sich um eine Backmischung. Ich habe es nicht riskiert selber Kuchen zu backen. :lol: )
Meilen: Tagesmeilen 59 , Rest 785 sm auf direktem Weg

Tag 15 =>Osterinsel – Meer

So., 23.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1666, 14.889 sm von HH
„Wer Meer hat, braucht weniger“ – „VitaminSea“ – „Meer geht immer“ – Meer als Sehnsucht“, wer diese markigen Buchtitel und Lifestyle-Sprüche benutzt, dem empfehle ich eine lange Ozeanpassage auf einem Segelboot. Da bleiben einem diese Leitsätze schon mal im Halse stecken. Wir beide sind im Augenblick für weniger Meer. Wir kommen jetzt schlechter voran. Den dritten Nachmittag in Folge bricht der Wind auf 5 bis 7 Knoten ein. Zum Glück kommt er in den frühen Abendstunden (noch) wieder. In den Windkarten können wir allerdings schon das große windarme Feld sehen, was sich als Band zwischen uns und die Osterinsel gelegt hat. Das Hochdruckgebiet mit wenig bis keinen Wind ist also noch da.
Das Schlimme an wenig Wind ist nicht die langsame Fahrt, sondern das Rollen in der Dünung. Der Baum klappert, die Segel schlagen und in der Bude fliegt alles hin und her. Es macht mehr Lärm als mit 6 Knoten vorwärts zu preschen. „Segel runter, Bier raus“, lässt Achim vermelden. :mrgreen: Das Großsegel haben wir ins dritte Reff genommen, damit es nicht so knallt. Das Vorsegel steht noch halbwegs. Im Augenblick treiben wir mehr als dass wir segeln mit 2 Knoten in die richtige Richtung.“
Das Wetter ist Granate. Blauer Himmel bzw. tagheller Vollmondhimmel seit 24 Stunden. Und! die Wassertemperatur ist um 1,5 Grad gestiegen. Wir sind weiterhin allein hier draußen. Ein paar Seeschwalben begleiten uns. Immer mal wieder tauchen sie neben uns auf.
Essen: Abendessen: Chop Suey mit Rindfleisch, Möhren und Kohl (ja, etwas viel Kohl diese Tage ;-) Aber ich musste zwei große Köpfe vor dem Gammeltod bewahren. Zum ‚Über-Bord-Gehen-lassen‘ haben wir inzwischen zu wenig Auswahl. Kohl angebraten mögen wir zum Glück beide ganz gerne. Und Achim findet, wenn die Griechen den ganzen Tag Krautsalat essen, kann er das auch) Frühstück: Brot mit Salami, Käse und Mortadella Mittag: Gesammelte Wochenübersicht: Bratreis mit Knoblauch, Zwiebeln und dem letzten Rest der Würstchen in Scheiben geschnitten. Dazu Cole Slaw. Obstsalat mit Grapefruit und Apfel.
Meilen: Tagesmeilen 89 , Rest 840 sm auf direktem Weg

Tag 14 =>Osterinsel – Held an Bord

Sa., 22.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1665, 14.800 sm von HH
Nach drei Stunden Dümpelei werden wir dann doch tätig. Der Blister (das bunte Leichtwindsegel) wird hergeholt. Das Setzen gelingt problemlos. Wir haben einen Bergeschlauch, eine dünnen Hülle aus Tuch, in dem der Blister steckt. Dieser Schlauch wird mit einem Fall (das sind die Bänder die im Mast bist nach oben führen) bis in die Mastspitze gezogen. Anschließend wird mit einer Leine der Schlauch zusammen gerafft und das Segel entfaltet sich. Wir nehmen Fahrt auf, das Segel verrichtet seinen Dienst. Soweit so gut.
Die Freude währt nicht lange. Natürlich kommt nach kurzer Zeit wieder Wind auf. Der Blister muss zurück in seinen Schlauch. Kein Problem. Das klappt als ob wir Profis wären. Dann zieht Achim an dem Fall, um den 15 Meter langen Schlauch wieder an Deck zu holen. Er zieht und zieht. Nichts. Das Fall ist verklemmt. Uns ist klar, dass der Schlauch nicht am Mast hängen bleiben kann. Die 50 cm dicke Wurst schlackert ungesichert hin und her und würde sich aufreiben. Dann käme der Blister aus seinem Gefängnis und brächte uns bei viel Wind in arge Schwierigkeiten.
Es gibt nur einen Weg das verklemmte Fall zu lösen: wir brauchen jemanden, der in den Mast klettert. Alle Augen auf Achim. Etwas blass um die Nase holt er sein Klettergeschirr. An dem befestigen wir ein weiteres Fall, so dass ich ihn von unten sichern kann, falls er abrutschen sollte. Das verhindert einen Einschlag auf Deck. Diese Methode wenden wir immer an, wenn Achim in den Mast klettern muss. Nur dass wir sonst ruhig im Hafen liegen, ohne Schiffsbewegung. Nicht verhindern kann die Sicherung, dass Achim, sollte er den Halt verlieren, in der Dünung hin und her pendeln wurde. Ohne Verletzungen bekäme er kaum den Mast wieder zu fassen. Die Beschleunigungen in sechstzehn Meter Höhe sind enorm.
„Gut stramm halten“, gibt Achim mir auf den Weg, „du darfst nicht die Spannung verlieren.“ Ich nicke nervös. Dann erklimmt er auch schon die ersten Maststufen. Ich halte das Fall auf Spannung. Plötzlich ist Schluss, ich merke, dass er nicht weiter klettert. Ein Blick nach oben. Achim hängt in sechs Meter Höhe an der ersten Saling. In inniger Umarmung klammert den Mast. „Ich brauche eine Pause“, ruft er mir zu, „es schaukelt ganz ordentlich.“ Du lieber Himmel. Und er muss noch zehn Meter höher. Mir zittern die Knie. Wie mag Achim das erst ergehen? Dann merke ich, dass er weiter klettert. Wenn sich Atanga ganz besonders schlimm auf die Seite legt, ist oben Pause. Ich sehe wieder die Umarmung. Was Achim sonst routiniert wie ein Affe erledigt, dauert heute ewig. Ich konzentriere mich auf mein Fall. Vom Ziehen tun mir hier unten schon die Hände weh. Ich mag nicht dran denken, wie es seinen Händen geht.
Oben angekommen ist das Problem recht schnell gelöst. Der Schäkel hat sich unglücklich hinter einer Rolle verklemmt. So stark verkeilt als wäre er mit einem Hammer dort hinein getrieben worden. Die Lösung heißt Schäkel öffnen und den Schlauch auf Deck fallen lassen. Achim hat zum Öffnen seinen Letherman dabei. Das ist pures Glück. Darüber nachgedacht hat er nicht. Er hätte dann tatsächlich ein zweites Mal klettern müssen :mrgreen: Mit zittrigen Gummihänden öffnet er den Schäkel. Dort oben hat der Mast Ausschläge von drei Metern zu jeder Seite. Und das bei nur 10 Grad Krängung. Einige der Wellen drücken uns durchaus noch kräftiger auf die Seite. Dazu kommen die Fliehkräfte, die ich schon an Deck spüre und zeitweise aus der Bahn geworfen werde. Da soll man wohl Gummiarme haben.
Ich trete zur Seite. Der Bergeschlauch kommt runter. Schnell hole ich die Hälfte an Deck, die ins Wasser gefallen ist. Dann kommt Achim runter. „Ich habe Wackelbeine“, grinst er mich an. Das Grinsen fällt noch etwas schief aus. :-) Wir umarmen und beglückwünschen uns. Tausend Steine fallen mir vom Herzen. Wir tanzen, jubeln und freuen uns. Ein paar Blessuren vom fest klammern an Oberarmen, Schienbeinen und Handgelenken sind nicht der Rede wert. Später in der Nacht lese ich im Logbuch, dass er unter die Beschreibung des Geschehens ‚Horror‘ geschrieben hat.
Das Segel kann nichts dafür, trotzdem steht Morgen bei Ebay Kleinanzeigen: Blister zu verkaufen.
Essen: Abendessen: Würstchen (so eine Art Hot Dog Wurst aus Bahía) mit dem Kartoffelsalat und Krautsalat (auch mal schön nicht kochen zu müssen) Frühstück: Brot mit Salami, Käse und Mortadella Mittag: Die verbliebenen Würstchen vom Vorabend in Scheiben geschnitten und mit Zwiebeln angebraten. Spiegelei drauf. Fertig. Dazu Cole Slaw (amerikanischer Krautsalat mit Mayo/Joghurt und Möhren – meine Kohlköpfe, die als Langzeitgemüse gedacht waren, neigen zum Gammeln und müssen verarbeitet werden). Ein Rest vom Milchreis zum Nachtisch.
Meilen: Tagesmeilen 80 , Rest 925 sm auf direktem Weg

Tag 13 =>Osterinsel – Wunderbar

Fr., 21.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1664, 14.720 sm von HH
Die letzten 24 Stunden läuft es ganz prima. Halber Wind, Stärke vier, angenehme Schiffsbewegung. Eine Art Genuss-Segeln. :lol: Mittags kommt dann der Einbruch. 10 Knoten, 8 Knoten, dann nur noch 5 Knoten Wind. Wir treiben mehr als dass wir segeln. Immerhin in die richtige Richtung. Da wir kaum noch Fahrt machen, spielt die Dünung mit uns Ping Pong. Der fehlende Druck in den Segeln lässt das Groß hilflos hin und her schlagen. Mit einem Knall beutelt sich das Tuch zur windzugewandten Seite aus und kommt mit einem neuen Knall zurück. Das ist nervig und hält aufs Material. Das Groß-Segel bergen wir und lassen uns von der Genua ziehen. Dieser schwache Wind ist eindeutig Blister Wind. „Jetzt bloß nicht hektisch werden“, stoppen wir aufkeimenden Aktionismus. Wir sitzen das erst mal aus. Die letzten Tage haben gezeigt, dass sich ein Segelmanöver kaum lohnt. Zu schnell ändern sich die Windstärken. Mal sehen, wenn es so bleibt, können wir am späten Nachmittag noch immer tätig werden.
Wetter: Es ist weiterhin kalt. Das Wasser hat seinen vorläufigen Tiefpunkt mit 20 Grad erreicht. Die Sonne scheint nur am Nachmittag. Einen glühenden Sonnenaufgang gab es bislang noch gar nicht. Die Vormittage sind garstig grau mit tief hängenden Wolken. Regen hatten wir bislang noch keinen. Das ist ja auch was. Essen: Abendessen: Gebratene Kasseler-Koteletts (zweite Hälfte aus dem Packet) mit Kartoffelsalat (Hamburger Art mit Ei, Gewürzgurke und Apfel) und Krautsalat (ein Kohlkopp musste weg) Frühstück: Ganz frisches Brot mit hartgekochtem Ei und Tomate Mittag: Milchreis mit Zimt und Zucker
Meilen: Tagesmeilen 109 , Rest 1.007 sm auf direktem Weg

Tag 12 =>Osterinsel – Halbzeit

Do., 20.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1663, 14.611 sm von HH
Die Hälfte der Strecke liegt jetzt im Kielwasser. Ob es wirklich Halbzeit oder nur Halbstrecke ist, wird sich zeigen. Leider haben wir bereits vor unserer Abreise ein langgezogenes Flautengebiet zwischen uns und der Osterinsel gesehen. Über hunderte Meilen erstreckt es sich als schmales Band von Südamerika weit in den Pazifik hinein. Ein lokales, dauerhaftes Hochdruckgebiet sorgt für Windarmut in dieser Region. In vier, fünf Tagen erreichen wir dieses Gebiet. Das wird spannend.
Der wechselhafte Wind hat sich etwas normalisiert. Die Sprünge sind nicht mehr ganz so heftig und es überwiegt seit zwölf Stunden ein konstanter Wind mit vier Windstärken. Der Wind kommt etwas vorlicher als halber Wind, so dass wir seit heute Morgen flott unterwegs sind. Daumen drücken, dass dies so bleibt.
Die Stimmung an Bord ist durchgängig gut bis sehr gut. Abgesehen von heute Vormittag. Da war der Skipper etwas unleidlich. Ein Spleiß, den er in unsere Ankertrosse arbeiten wollte, ging nicht wie gewünscht von der Hand. Da wird die Crew schon mal ungerecht angemeckert. Nur weil ich mit der Kamera vor seiner Nase gefuchtelt habe, um den schleppenden Fortschritt der Arbeit festzuhalten. :mrgreen: Mir wurde gedroht, dass ich auf Pitcairn ausgesetzt werde. Unverschämtheit.
Die Ankertrosse brauchen wir als Kettenverlängerung, um vor der Osterinsel sicher ankern zu können. Die Ankerplätze sind 20 Meter tief, da reichen unsere 50 Meter Kette nicht aus. Der Spleiß ist trotz Grummelei dann noch was geworden, so dass es jetzt los gehen kann. Von mir aus könnten wir schon da sein. So toll ist das Rumgeschippere hier draußen dann auch wieder nicht.
Essen: Abendessen: Bohneneintopf von dreierlei Bohne mit Möhren (frisch) und Speck (getrocknete Black Eye Peas, kleine weiße Bohnen und schwarze Bohnen gemischt, über Nacht eingeweicht). Der Speck ist aus Südtirol, ein Mitbring aus Deutschland und extra für diese Fahrt aufbewahrt. Frühstück: Brot mit Käse, Salami und einer Art Mortadella Mittag: Der Rest vom Bohneneintopf und zum Nachtisch eine halbe Wassermelone.
Meilen: Tagesmeilen 106 , Rest 1.115 sm auf direktem Weg