Tag 11 =>Osterinsel – Weiße Folter

Mi., 19.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1662, 14.505 sm von HH
Amnesty International und das Komitee gegen Folter haben klar gestellt, dass Folter durch Schlafentzug bestialisch ist und haben sie folgerichtig verboten. Die sogenannte ‚weiße Folter‘ erfreut sich dennoch großer Popularität, bietet sie doch eine wirksame Methode, um „den Willen des Gefangenen zu brechen“. Eine Methode sei es, die Schlafzeit auf vier bis sechs Stunden zu verkürzen.
Bereits elf Tage reichen uns, um Amnesty International Recht zu geben. Es schlaucht unerwartet schnell nur noch vier Stunden am Stück schlafen zu können. Wir sind dauermüde. In Gänze bekommen wir beide eigentlich genug Schlaf. Ich gehe um 20:00 Uhr ins Bett, schlafe bis 22:00 Uhr, habe Wache bis 2:00 Uhr und darf dann ins Bett bis 6:00 Uhr morgens. Das macht während der Nachtstunden sechs Stunden Schlaf plus eine bis anderthalb am Tag. Achim schläft von 22:00 Uhr bis 2:00 Uhr und ab 6:00 Uhr solange bis er von alleine aufwacht.
Leider sind die vier Stunden in der Nacht nur ein theoretischer Wert. Trotz extremer Müdigkeit kann ich meistens nicht sofort einschlafen. Irgendwas ist immer. Vorgestern liege ich in der Koje und dann ist es plötzlich da. Tok-tok … tok-tok. Ein ganz neues Geräusch. Wo(wtf) kommt das her? Einfach gar nicht ignorieren, ist die beste Devise. Aber das klappt nicht, ich wälze mich. Tok-tok. Sobald ich mich aufrichte zum Lauschen, ist das Geräusch verschwunden. Und sofort wieder da, sobald ich liege. Grrrr! Nach vier Lauschangriffen ist der Übeltäter gefunden. Der Zipper einer Jacke schlägt gegen die Tür. Jedoch nur bei den großen Ausschlägen des Schiffs.
Gestern war es ein leichtes Flattern, eine Art Klatschen an Deck. Ein Geräusch an Deck zu finden, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Draußen hört man das Flattern nicht. Wegen der Windgeräusche. Und was unter Deck wie Schläge mit einem Hammer klingt, kann an Deck ein Tampen sein, der zwei Zentimeter hin und her rollt. Da bleibt nur Methode ‚Kissen über den Kopf‘.
Bin ich dann mit einer Viertelstunde Verspätung eingeschlafen, kommt kurz darauf die Lokomotive. So nenne ich die Bedienung der Winschen. Die Winschen sind direkt über der Achterkoje angebaut und machen einen unglaublichen Radau. Die letzten Tage sind viele Lokomotiven unterwegs. Vorsegel kleiner: die große Lokomotive an Steuerbord. Baum dicht holen: die kleine Lokomotive, wahlweise Backbord oder Steuerbord, je nach Laune vom Chef. Eine Stunde später kommt der Güterzug: der Baum kommt rasselnd wieder raus. Morgen schreibe ich einen Brief an Amnesty International.
Wind und Wetter: Der Wind ist weiterhin flatterhaft. Innerhalb einer Stunde geht es von 12 Knoten hoch auf 22 Knoten und runter auf 7 Knoten. Der schwache Wind hält dann für 30 Minuten oder auch für drei Stunden an. Es folgt die nächste Wechselphase. Das Groß reffen wir gar nicht mehr aus. Sobald wir das nur denken, haben wir wieder über 20er Wind. Das lässt uns in den schwachen Phasen natürlich mit angezogener Handbremse unterwegs sein. Highspeed und Schneckentempo macht einen noch ganz guten Schnitt von 4 Knoten. Passt für uns.
Essen: Abendessen: gebratene Kasseler-Koteletts (in Bahía gab es eingeschweißte Koteletts im 4er-Pack) mit Röstzwiebeln und Kürbis-Kartoffel-Mus Frühstück: Brot mit Käse, Salami und einer Art Mortadella Mittag: Achim und seine Nudeln (mit den Augen roll): kalt, vom Vortag direkt aus dem Kühlschrank mit Ketchup. Ich ziehe eine Schale Müsli vor.
Meilen: Tagesmeilen 97 , Rest 1.219 sm auf direktem Weg

Tag 10 =>Osterinsel – White Christmas

Di., 18.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1661, 14.408 sm von HH
Es ist kalt. Ich trage mittlerweile Sweatshirt-Jacke und dicke Fleece-Hose. Im Cockpit sind weniger als 20 Grad. Der Wind ist eisig. Geduscht wird nur noch jeden zweite Tag. :mrgreen: Kommt die Sonne raus, reicht (noch) ein Doppel-T-Shirt. Wenn es so weiter geht, stoßen wir auf Eisberge und haben Weihnachten Schnee. Die Wassertemperatur ist auf 21 Grad gesunken. Wir sind verwirrt und fragen uns, ob es wieder wärmer wird. Der Humboldtstrom sollte längst nach Westen abgebogen sein. Segeln wir im Humboldtwasser? Wir haben keine Ahnung. Hoffnung gibt uns die Vorstellung, dass die Ureinwohner auf der Osterinsel früher in Baströckchen rum gelaufen sind. Das macht man doch nicht, wenn es kalt ist.
Der Wind hält uns auf Trab. Unbeständig wechselt er fast stündlich. Eben noch 8 Knoten, dann 20 Knoten. Einreffen, ausreffen. Baum dicht holen, Baum ausstellen. Fock reffen, Fock mehr reffen, Fock ausrollen. Was für ein Theater. Bei viel Wind donnern wir mit über sechs Knoten aufs Ziel. Bei wenig Wind, fallen wir ab, eiern neben der Kurslinie mit zweieinhalb Knoten. Das macht einen schlechten Schnitt. Bei viel Wind sagt der Plotter: Restzeit noch 11 Tage, bei wenig Wind noch 18.
Wir machen das Beste draus. Uns geht’s gut und genug zu essen haben wir auch noch.
Achim besteht drauf, dass ich dieses auch noch schreibe: ICH soll versucht haben das Schiff zu versenken, weil ICH angeblich vergessen habe, das Ventil von der Toilette nach der Benutzung wieder zu schließen (da Atanga Schräglage auf der Toilettenseite hat, gerät der Abfluss unter die Wasserlinie und durch die Toilette sprudelt das Wasser ins Schiff, wenn das Ventil offen steht). Wir sind nur nicht gesunken, weil ER es bemerkt hat, dass Wasser im Bad steht. Beweisbar, dass ICH zuletzt auf dem Klo war, ist die Angelegenheit allerdings nicht. Aussage gegen Aussage. ;-)
Essen: Abendessen: Achims Klassiker ‚Nudeln mit Ketchup‘ in der Edelvariante: Nudeln mit (richtiger) Tomatensauce. Frühstück: Brot mit Schinken, Käse, Salami Mittag: Apfel-Pfannkuchen
Meilen: Tagesmeilen 98 , Rest 1.313 sm auf direktem Weg

Tag 9 =>Osterinsel – die Tage vergehen

Mo., 17.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1660, 14.310 sm von HH
Der Wind kommt, wie gewünscht, etwas östlicher. Leider die Wellen auch. Dadurch rollen wir jetzt ein wenig, aber es ist aushaltbar. Die Wind-Stärken sind unverändert. Zwischen 9 und 19 Knoten, zeitweise geht es sechs Knoten hoch oder unter innerhalb von fünf Minuten. Mal scheint die Sonne, mal ist der Himmel grau mit tief hängenden Wolken.
Wir haben uns voll eingewöhnt. Die Tage verschwimmen. „Ist heute Tag 8 oder 9?“, fragt Achim mich. Ich kann nur mit den Schultern zucken. Ein Blick ins Logbuch gibt Aufklärung. Tagsüber haben wir keine festen Wachen. Unser Rhythmus wird durch die Mahlzeiten bestimmt. Dazwischen macht jeder von uns noch mal ein Nickerchen, holt fehlenden Nachtschlaf nach. Außer lesen, bleibt nicht viel Beschäftigung.
Aufs Meer schauen, macht nur bei wolkenlosem Himmel Spaß. Dann leuchtet der Pazifik tief blau. Mit der GoPro haben wir Aufnahmen vom Unterwasserschiff gemacht. Das Wasser ist unfassbar klar Keine Schwebteilchen, kein Plankton ist zu sehen. Ab und an kommt noch mal ein Tölpel vorbei. Neugierig schaut er nach den Angelködern und ins Cockpit hinein, dreht drei Runden ums Schiff und verschwindet wieder. Daneben gibt es noch kleine, schwarze See-Schwalben hier draußen. Mit vielen Flügelschlägen segeln sie nach Schwalbenart knapp über der Wasseroberfläche. Vom Festland sind wir inzwischen 700 sm entfernt. Eine erstaunliche Entfernung für so kleine Vögel.
Ansonsten sind wir allein. Zwei Schiffe auf dem AIS vor ein paar Tagen. Den letzten Fischer gesehen, haben wir vor einer Woche. Unser Kontakt zur Außenwelt beschränkt sich auf eine Funkrunde mit der Alrisha, die sich auf Galapagos befindet. Ferry schaut für uns auf die Großwetterlage im gesamten Südpazifik, ob sich da ein Zyklon zusammenbraut. Dann brauchen wir nur unsere Wetterdaten im Umkreis von 200 sm abholen. Das funktioniert ebenfalls per Funk. Die Zyklon-Saison hat bereits begonnen, allerdings gilt die Strecke von der Osterinsel, nach Pitcairn und Gambier als sicher. Aber was ist schon sicher? Daher sind wir froh, dass Ferry meldet: „Alles ruhig“.
Essen: Abendessen: Thunfischsalat (aus der Dose, wir haben noch immer keinen Fisch gefangen) mit Roter Bete (frisch gekocht), Zwiebeln, Kapern, etwas Sahne, Mayo, Tomate (schmeckt wie roter Heringssalat). Dazu Pellkartoffeln. Ohne pellen zu müssen. In Bahía gab es winzige neue Kartoffeln, die man mit Schale essen kann. Frühstück: Frisches Brot mit Schinken, Käse, Salami Mittag: Bratkartoffeln (der Rest vom Abend) mit dem restlichen Salat. Grapefruit-/Passionsfrucht-Salat
Meilen: Tagesmeilen 106 , Rest 1.409 sm auf direktem Weg

Tag 8 =>Osterinsel – Wechselhaft

So., 16.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1659, 14.204 sm von HH
Der Himmel über uns muss gestreift sein. Schmale Streifen blauer Himmel – bedeckter Himmel. Halb-bewölkte Streifen gibt es nicht. Seit zwei Tagen erscheinen vor uns, scharf abgegrenzt, die Wolkenkanten. Alle paar Stunden ändert sich das Bild. Der Wind passt sich dem Streifenmuster an. Letzte Nacht gab es wieder eine windlose Phase von vier Stunden, dümpelige sechs Knoten Wind waren noch übrig. Kurz davor, dass die Segel in der Dünung anfingen zu schlagen. Dann kam erneut Wind. Von jetzt auf eben geht die Windmaschine auf 18 Knoten hoch. Das ist dann feines Segeln für eine kurze Zeit. Glattgezogenes Meer und dadurch viel Speed.
Seit zwölf Stunden weht es jetzt kräftig und eine recht imposante Dünung hat sich aufgebaut und rollt uns entgegen. Die kommt schräg von vorne und nervt schon etwas. Das ist dann nicht mehr ganz so feines Segeln. Wir haben die Fock wieder gerefft, um die Schräglage etwas zu mildern. Das nimmt leider sofort einen Knoten Geschwindigkeit raus. Unter Deck ist es mächtig laut. Einzelne Wellen klatschen scheppernd an den Bug, und fließen gurgelnd rechts und links am Schiff vorbei. Manchmal wird der Bug in die Höhe gehoben und wir fallen donnernd ins nächste Wellental. Das Deck ist jetzt dauer- geflutet. Gischt fliegt übers halbe Schiff. Im Cockpit bleiben wir trocken und wir sind einmal mehr glücklich über unser Mittel-Cockpit. Hoch und trocken thronen wir über dem Geschehen (Bei vielen Schiffen mit achterlichem Cockpit müsste man jetzt schon Gummistiefel anziehen): Jetzt nach acht Tagen mit Wind von vorne, wünschen wir uns langsam, dass der Wind auf Osten dreht. Halber Wind wäre mal was.
Essen: Abendessen: Spaghetti mit Champignon-Sahne-Sauce Frühstück: Frisches Brot aus der Bordbäckerei mit Schinken, Käse, Salami Mittag: Brat-Nudeln (Rest von gestern Abend) mit Ei
Meilen: Tagesmeilen 114 , Rest 1.512 sm auf direktem Weg

Tag 7 => Alles Tutti

Sa., 15.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1658, 14.090 sm von HH
Um 20:00 Uhr ist die Flaute nach ein paar Stunden verschwunden. Es geht mit der üblichen Windstärke 4 normal weiter. Segelstellung unverändert. Da wir noch immer am Wind segeln, bleiben wir bei Fock und Groß. Um es komfortabel zu halten, reffen wir das Vorsegel bei etwas mehr Wind ein, in den schwächeren Phasen lassen wir das Reff wieder raus. Das war’s. Mehr haben wir nicht zu tun. Essen, Schlafen, Lesen und Wasser gucken. Wir sind sehr zufrieden, wie es läuft.
Wetter: Mal strahlend blauer Himmel, mal dicht bewölkt und noch immer „kalt“.
Essen: Abendessen: Veggie-Tortillas mit Möhre, Gurke, Paprika, Tomate und Zwiebeln und zweierlei Saucen-Dips. Frühstück: Die zweite Hälfte der Schwarzbrot-Packung mit Schinken, Käse, Salami Mittag: Tortillas mit dem restlichen Fijoles Bohnenmus, Tomate und Zwiebeln. Die letzte Mango wird geschlachtet.
Meilen: Tagesmeilen 107 , Rest 1.622 sm auf direktem Weg