Die Versorgungslage

Do., 05.Apr.19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1769, 17.385 sm von HH

Die Situation ist ernst, aber nicht hoffnungslos. :mrgreen:
Wenn das Versorgungs-Schiff da war, sind die Tiefkühltruhen in den Läden voll. Es finden sich Köstlichkeiten wie Entenbrust und Lammhaxen aus Neuseeland. Es gibt ganze Enten, Speck und gekochten Schinken zu kaufen. Die Preise sind ebenfalls köstlich. Eine (!) Entenbrust kostet 14 USD, Fleisch variiert im Kilopreis – zwischen 14 und 35 USD, je nach Qualität.
Da muss ein Hähnchen für zwei Tage herhalten. Die Keulen und Brust gibt es am erste Tag, gebraten mit süß-sauer Zwiebeln. Das Gerippe wird zur Brühe verkocht und zur Nudelsuppe verfeinert mit Gemüseeinlage aus der Dose und frischen „Frühlingszwiebeln“.

Obst gibt es nicht im Laden kaufen. Wir bekommen von Langzeit-Liegern den Tipp die Einheimischen in ihren Gärten zu fragen. :lol: Wir versuchen es mit ‚Banane‘. Das ist wenigstens ein Begriff, der weltweit gekannt wird. Und, oh Wunder, es klappt. Vati versteht nicht, was ich von ihm will, holt aber den Sohnemann aus dem Garten. Der übersetzt meinen Wunsch Mutti und die schleppt 15 kleine Bananen an. Nein, nein, ich soll nichts bezahlen, die bekomme ich geschenkt.
Papayas, Pampelmusen und Kokosnüsse suchen wir immer erfolgreicher auf unseren Wanderungen. Skorbut ist somit abgewehrt.

Die Pampelmusen wachen einem in den Mund

Die Pampelmusen wachen einem in den Mund

 

Gemüse ist ein echtes Problem. Knoblauch und Zwiebeln gibt es zu kaufen, mehr leider nicht. In der Botanik wächst eindeutig eine wilde Zucchini-Pflanze. Aber da hängen erst Tischtennisball große Früchte dran. Das braucht noch eine Zeit bis zur Ernte. Unsere holländischen Nachbarn haben einen Kürbis mit uns geteilt, der aus irgendwelchen dunklen Kanälen stammt.
Ich versuche mich an der Brotfrucht. Die erste bekamen wir geschenkt. Einfach so beim Spaziergang durch den Ort. Die anderen haben wir uns selber gesucht. Die Bäume wachsen überall wie Unkraut. Die Brotfrucht schmeckt wie Kartoffeln, wenn sie den richtigen Reifegrad haben. Den zu finden, war schwierig. Vier Versuche liegen hinter mir. Ist die Frucht zu reif, wird sie süß. Aber noch unreif gekocht, kann man sie als Kartoffelpüree oder Bratkartoffeln oder als Suppeneinlage verwenden. Unglaublich nahrhaft, ein paar Stücke und man ist pappsatt. Das ist übrigens die Frucht weswegen Käpt’n Bligh mit der Bounty in die Südsee kam. Man brauchte billige Nahrung für die Sklaven in der Karibik.

Der Brotfruchtbaum

Der Brotfruchtbaum

 

Noch unreife Brotfrüchte - genau richtig für die Kartoffel-Herstellung. Das Weiße ist Fruchtsaft der austritt

Noch unreife Brotfrüchte – genau richtig für die Kartoffel-Herstellung. Das Weiße ist Fruchtsaft der austritt

Das braune sind die Kerne, die entfernt werden vor dem Kochen

Das Braune sind die Kerne, die entfernt werden vor dem Kochen


Vor dem Supermarkt mit dem Internet (was übrigens viel besser ist als uns im Vorwege erzählt wurde. Problemlos kann ich Bilder hier im Blog hochladen. :-) und seit ein paar Tagen können wir sogar whats app auf Atanga empfangen und ein winziges Internet – Achim hat da mal was gebastelt) ) kann man direkt im dem Dinghy am Strand parken. Ich gehe lieber einmal durchs Dorf zu Fuß. Irgendwas fällt immer ab. Neulich habe ich einen Mann mein Suppenhuhn unter die Nase gehalten. Er hat sofort verstanden und mir von seinen noch jungen Zwiebel im Pflanzkasten etwas vom frischen Grün gegeben. Frühlingszwiebel auf polynesisch.

Und was ist mit Fisch? Schließlich leben wir ja im größten Aquarium der Welt. Der Fisch hat leider im gesamten Atoll Ciguatera. Ein Nervengift, was sich im Fisch durch seine Nahrung anreichert. Der kleine Rifffisch frisst giftige Algen und wird vom größeren Jäger gefressen. Die Kette hat begonnen, die Giftmenge addiert auf. Für den Fisch ist das total ungefährlich, für den Menschen sehr unangenehm. Die Symptome fallen unterschiedlich aus: nadelstichartiges Kribbeln an Mund und Nase oder den Händen und Füßen. Es kann Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen bis hin zur Umkehr von Empfindungen entstehen: heiß fühlt sich kalt an – kalt fühlt sich heiß an. Es kann zu Durchfall und Erbrechen, Schmerzen in den Gelenken sowie ein Gefühl von elektrischen Impulsen kommen. Die Symptome halten unterschiedlich lange an: Stunden, Tage, Wochen!
Bleibt noch der Fisch am Außenriff. Der frisst keine Rifffische, ist also genießbar. Es gibt genau einen Fischer auf Mangareva. Wir wissen auch, wo der sein Häuschen hat. Können vom Cockpit mit dem Fernglas beobachten, ob er zum Fischen fährt. Tut er nicht. Zumindest nicht, seit wie wir ihn stalken. Wenn er fährt, soll er Thunfisch, Schwertfisch oder MahiMahi mitbringen. Für 6 USD das Kilo. Es besteht noch Hoffnung. ;-)

Mont Mokoto

Mo., 25.Mrz.19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1758, 17.385 sm von HH

Der Mokoto ist der zweithöchste Berg von Mangareva und zwingt uns in die Knie. 423 tückische Höhenmeter. Steil und unbezwingbar. ;-) Die letzten Monate waren wir einfach zu faul. Unsere antrainierte Fitness von Ecuadors Viertausendern ist während der 40 Tage Segelei seit Dezember komplett verloren gegangen.
Also, bei mir verloren gegangen, muss ich zugeben. Achim sprintet wie immer die Hänge hoch. Ich meine, es ist noch schlimmer geworden mit ihm. Rauchfrei seit sechs Monaten, das scheint was zu bringen.
Die letzen Meter verzichte ich und warte hinter der Waldgrenze auf Achim. Der gibt aber ebenfalls kurz vorm Gipfel auf. Ihm ist es zu steil ohne Bäume, die eine Rutschpartie abwärts stoppen würden.

Steiler Anstieg

Steiler Anstieg

 

 

Ungewöhnliche Bergziegen auf dem Gipfel

Ungewöhnliche Bergziegen auf dem Gipfel

Der Abstieg ist nicht minder anstrengend. Im oberen Drittel wachsen überraschender Weise kiefernartige Nadelbäume mit extrem langen Nadeln. Die verwandeln den Weg in eine Eisbahn.
So eine kleine Insel mit so einer garstigen Bergwanderung. Wer hätte das erwartet.

Mangareva - rechts das Ankerfeld - links die Perlenzüchter in der Bucht

Mangareva – rechts das Ankerfeld – links die Perlenzüchter in der Bucht

Im Hintergrund erkennt man gut das Saumriff, was Gambier umgibt

Im Hintergrund erkennt man gut das Saumriff, was Gambier umgibt

Das Versorgungs-Schiff ist da

Sa., 23.Mrz.19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1756, 17.385 sm von HH

Wie die Heuschrecken kommen die anderen Yachten aus allen Ecken des Atolls und fallen in Rikitea ein. Es wird voll in der kleinen Bucht. Ungefähr 30 Segelboote dürften zur Zeit im Atoll verteilt unterwegs sein. Erst verstehen wir gar nicht, was das soll. Aber dann taucht der Dampfer mitten in der Nacht an der Pier auf und alles wird klar.
Großkampftag für Yachties und für die Einheimischen. Die Container schweben noch in der Luft, da stehen schon alle Schlange. Dem Verteiler am Container werden die Pakete aus der Hand gerissen: endlich ist das lang erwartete Bügelbrett mit dabei. Und Klopapier wird bereits seit letzter Woche benötigt. Großbestellungen für die Läden kommen auf den Pickup. Auch Grünzeug ist dabei. Wir entdecken säckeweise Möhren, Kohl, Zwiebeln und Kartoffeln.

Abholung direkt vom Container

Abholung direkt vom Container

Endlich ist das Bügelbrett mit dabei

Endlich ist das Bügelbrett mit dabei

 

Säckeweise Muschelschalen gehen nach Tahiti

Säckeweise Muschelschalen gehen nach Tahiti


Unsere Frische-Vorräte von der Osterinsel sind längst aufgebraucht. Wir folgen unauffällig einem der Pickups. Beobachten, wie die Säcke mit den Möhren hinten im Lager verschwinden. Soviel ist klar, heute kommt das nicht mehr in den Verkauf. Morgen ist Sonntag, da ist geschlossen. Wir versuchen es also am Montag. Hahahahaha. :-) Außer ein paar verhungerten Kohlköpfen ist von dem Zeug nichts wieder zu finden. Das hat alles längst seinen Weg in heimische Küchen gefunden.
Der Kohl ist mit Goldstaub belegt. Ein Kilo kostet 12 EUR. Da bleibt einem der Krautsalat doch glatt im Hals stecken. :mrgreen:

Garantiert Grünzeug frei Zone - die Läden in Rikitea

Garantiert Grünzeug frei Zone – die Läden in Rikitea

Diesel ist ebenfalls vom Versorgungs-Schiff zu bekommen. Der wird direkt aus dem Schiffstank in das praktische 200 Liter Fass gepumpt. Kleinere Mengen sind nicht erhältlich. Ein Segler fragt somit herum, wer Bedarf hat und kauft eines der Fässer. Mit der Handpumpe wird dann aus dem Fass in die einzelnen Kanister umgefüllt und verteilt. Mit Benzin für den Außenborder ist es das gleiche Prinzip.

Segler teilen sich ein 200 Liter Fass

Segler teilen sich ein 200 Liter Fass

Da schon mal fast alle Segler da sind, wird ein Treffen am Strand organisiert. Getränke muss jeder selber mitbringen und Pizza gibt es zum Mitnehmen aus der nahe gelegenen Pizzeria. Eine Getränke-Ausschank-Lizenz hat die kleine Bude nicht. Aber heute Pizza mit allen Belägen zur Auswahl – das Versorgungs-Schiff war ja da. Knusprige Pizza für 9,00 EUR das Stück. Der Preis ist okay, wenn man sich den Kohl vorstellt.

 

 

Insel-Wanderung

Mi., 20.Mrz.19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1753, 17.385 sm von HH

Um die gesamte Insel führt eine sandige Piste für Autos. Aber es gibt auch einige Fußwege, die quer über Mangareva verlaufen. Dafür muss man die ungefähr zweihundert Meter hohe Bergkette überwinden, die direkt und steil hinter der Ringstraße beginnt.
Über wunderbare, schattige Waldwege gelangen wir auf die andere Seite. Üppiger Bewuchs auf beiden Seiten der Berghänge: Farne, Moos und wilde Passionsfrüchte. Zu Achims Leidwesen probiere ich alle Früchte, die wir finden. Vorsichtig zunächst nur ein Stückchen, um zu sehen, ob mir schlecht wird. Es schmeckt auch nicht alles wirklich gut. Die Passionsfrüchte sind leider bitter, klein und hart und glatt wie Tischtennisbälle sind sie kaum zu knacken.

Ein echter Seemann hinterlässt auch Lianen schön aufgeschossen

Ein echter Seemann hinterlässt auch Lianen schön aufgeschossen

 

 


Auf der anderen Seite der Insel wohnen die Perlenzüchter. Im Gambier Archipel gibt es die besten ‚Schwarzen Perlen‘ der gesamten Südsee. Das Wasser ist kühler hier im Süden und die Bedingungen sollen optimal für gute Ernte sein.
An Bojen hängen die Perlenzüchter Drahtgitter auf, an denen die Austern bzw. ihre Perle wachsen sollen. Die Buchten auf der Nordseite sind bunt gesprenkelt mit Bojen. Vor lauter Gittern ist dort kein Durchkommen mehr. Über dreißig Perlenzüchter haben ihr Auskommen auf der Insel. Die Nachfrage nach der schwarzen Tahiti Perle ist vor allem in Asien ungebrochen. Da wundert es nicht, dass sich die größten Perlen-Farmen in chinesischer Hand befinden.

Perlenzucht

Perlenzucht

In der Bucht vor Rikitea liegen wir zur Zeit mit zehn Segelbooten. Es ist ein Kommen und Gehen. Zu den anderen Inseln des Atolls ist es nicht weit. Drei Kilometer, fünf oder auch mal acht Kilometer. Die Schlechtwetterfront ist durch, der Regen hat aufgehört. Das Wasser wird jeden Tag klarer und blauer. Allerdings hält der kräftige Wind noch an. Das ist nicht so schön zum Dinghy fahren, dafür haben wir Strom im Überfluss. Dreimal zwanzig Liter Wasser können wir täglich produzieren – plus Trinkwasser. Endlich mal mehr als wir verbrauchen. Die Tanks füllen sich. Brauchwasser kann man auch im Ort bekommen, aber wer hat schon Lust die Kanister zu schleppen?
So langsam weht ein Hauch Südsee über uns hinweg.

Bucht von Rikitea - Atanga liegt ganz rechts außen

Bucht von Rikitea – Atanga liegt ganz rechts außen

 

Rikitea – exotisch? Ja oder nein?

Di., 19.Mrz.19, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 1752, 17.385 sm von HH

Das erste, was uns auffällt: Rikitea ist ordentlich. Unter Straßenbäumen ist das Laub geharkt. Um die Häuser sind hübsche Gärten angelegt mit gemähtem Rasen, geschnittener Hecke und Zaun drum her. Auf dem Rasen steht ein Trambolin und ein Plastikrutschen-Gestell. Wären die Hecken nicht blühender Hibiskus und würden nicht Orchideen in den Bäumen hängen, könnten die Häuser mit Veranda und gepflegtem Pickup vor der Tür auch in Bergisch Gladbach stehen.
Mit großen Augen gehen wir durch den Ort. Damit haben wir nicht gerechnet. An Gefahrenstellen stehen Leitplanken an der sandigen Buckelpiste. Die Leute fahren mit Helm auf ihrem Moped. Auf Providencia (Kolumbien) und der Osterinsel hat man sich über solche Vorschriften vom Mutterland kaputt gelacht.
Und im Ort wird die Straße neu betoniert. Mit Flatterband und Warnhinweisen wird die Baustelle gesichert. Moderne Bagger und Straßenbaumaschinen in Bestzustand sind im Einsatz. Wir kommen uns vor wie in Frankreich. Das Mutterland bezahlt achtzig Prozent der Baukosten der neuen Straße, erzählt uns ein Schild. Exotisch ist Rikitea nicht.

Ordentliches Rikitea

Ordentliches Rikitea

 

Üppig, ist das zweite, was uns auffällt. Pampelmusen-Bäume hängen voll mit Handball großen Früchten. Daneben biegen sich Papaya und Bananenstauden unter ihrer Last. Granatapfel, Kokospalmen und Brotfruchtbäume stehen gleich daneben. Hier wachsen einem die Früchte direkt in den Mund.

Mit Machete bewaffnet gehen wir auf die Jagd. Aber so einfach ist es dann doch wieder nicht. Im Dorf aus den gepflegten Gärten nehmen wir natürlich keine Früchte. Außerhalb, wo keiner erntet und verfaulte Pampelmusen unter den Bäumen liegen, können wir uns bedienen. Aber mal hängen die süßen Früchte zu hoch, ein Graben verhindert die Ernte oder ein Hund, direkt aus der Hölle, vertreibt uns. Wir würden in diesem Dschungel wohl verhungern. Kaufen kann man das Obst in den Läden nicht.
Ein paar Pampelmusen sind unsere einzige Beute von ersten Streifzügen außerhalb von Rikitea. Verlaufen kann man sich nicht. Die Pampelmusen sind zuckersüß und machen süchtig. Gleich an Ort und Stelle werden zwei geschlachtet. Spontan kommt etwas Exotik auf.

Zwei (extrem hässliche) Hunde begleiten uns den ganzen Vormittag

Zwei (extrem hässliche) Hunde begleiten uns den ganzen Vormittag

Am Sonntag spielen die alten Männer Boule, die jungen Männer trinken Bier. Nach Geschlechtern getrennt, sitzen die Mittelalten drum herum und schauen zu. Aus dem Ghettoblaster erklingt HipHop. Ukulele war gestern. Junge Mädchen ziehen mit ihren Fahrrädern durch das Dorf. Mit Blume hinter dem Ohr. Das bringt etwas Exotik zu den Kopfhörern mit denen sie der Musik aus ihrem Handy lauschen.

Die Atmosphäre ist sympathisch, die Menschen grüßen und nicken uns freundlich zu. Das Dinghy wird nicht angeschlossen. Überall darf man an Land gehen und sein Dinghy an den schmalen Strand ziehen oder an Stegen fest binden. Spontan fühlen wir uns wohl.
Die Pizzeria hat nur freitags bis sonntags geöffnet. An weiteren Tagen nur, wenn Zutaten für die Pizza verfügbar sind. Das Versorgungsschiff kommt nur alle zwei bis drei Wochen. Und Brot gibt es aus ‚technischen Gründen‘ erst ab Donnerstag wieder. Noch ein Stück Exotik gefunden.

Rikitea von oben mit betonter Anfahrt

Rikitea von oben mit betonter Anfahrt