Tag  6 nach Osten – In die Flauten-Falle gefahren

21.Mai.25, Pazifik, Tag 4.008, 28.796 sm von HH

Als wir im Flautenloch ankommen, haben wir noch fünf Knoten Wind. Segeln nicht mehr möglich, wir werfen die Maschine an. Aber wohin? Auf das Ziel zuhalten? Oder besser südlich fahren, um den Winkel für zukünftige Winde zu verbessern?
Die verschiedenen Vor- und Nachteile werden auf neutralem Crew-Niveau diskutiert.
Wir entscheiden uns fürs draufhalten (Fehler???) Wir motoren Richtung Osten. Dank Abwesenheit von Wind und Welle schaffen wir fünf Knoten in der Stunde. Immerhin.

Nach genau 24 Stunden nimmt der Wind wieder zu. Neun, vielleicht zehn Knoten. Der kommt nun genau von vorne – 80 Grad. Zielkurs – 76 Grad.
Das kostet Speed. Atanga nickt sich tapfer vorwärts, aber die Geschwindigkeit sinkt auf 3,5 Knoten. Um mit so schlechter Leistung zum Endziel zu gelangen, reicht unser Diesel nicht.

Wider besseres Wissen versuchen wir zu Segeln. Zu wenig Druck. Die Segel stehen zwar, aber unser Wendewinkel beträgt 170 Grad. :lol:
Wir haben die Wahl: 5 Grad nach Norden zu segeln oder 175 Grad nach Süden. Mit zwei Knoten Vortrieb. Wir versuchen alle Tricks. Trinkwasser aus dem vorderen Tank ablassen – immerhin 350 Kilo – ist der einzige, den wir auslassen.

Die Diskussion über unsere Optionen hat das Crew-Level verlassen. Es ist eine Ehegatten-Diskussion daraus geworden. :mrgreen:

1.) Doof nach Norden oder Süden segeln.
Dabei liegt das Schiff stabiler als beim Treiben. Allerdings ist es schwer zu ertragen, sich das auf dem Plotter zu betrachten ohne verrückt zu werden. „Noch 94 Tage bis zum Ziel“, ätzt die Anzeige.

2.) Auf der Stelle treiben und warten bis der Wind zurück kommt.
Das würden wir machen, wenn wir nach Westen segeln würden. Im Passatgürtel kommt er schon irgendwann, der Süd-Ostpassat.
Und genau der ist auch angesagt ab Samstag. Leider mit bis zu 26 Knoten.
In der Atanga-Welt macht segeln ‚hoch am Wind‘ bis genau 18 Knoten ‚true wind speed‘ Spaß. Alles darüber hält aufs Segel- und Menschenmaterial. 

Bevor dieser Wind kommt, wollen wir eigentlich in der Hafenkneipe sitzen. Da wird aber unser Diesel nicht reichen.

3.) Maschine wieder an und weiter motoren
– bis mehr Wind kommt
– bis Diesel alle

Die gemeinschaftliche (!) Entscheidung fällt auf die dritte Option.
Der Jokel läuft. Tschüss, bis Morgen.

Tag 6: etmal 110 Meilen (heute nur 11 Stunden, wir haben die Uhren zurück gedreht, damit es nicht schon um 17:00 Uhr dunkel wird), davon 108 gut gemacht zum Ziel; 222 Meilen Rest; bereits gesegelt 584 Meilen.

Die Pantry serviert die zweite Rutsche Hühnersuppe – auf asiatisch getrimmt mit Oyster Sauce und Mais.

Dieses Blau – immer wieder schön.
24 Stunden motoren wir durch dieses ruhige Flautenwasser. Jetzt ist es wieder deutlich kappeliger.

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Tag 5 nach Osten – Ein Unterwasserberg

20.Mai.25, Pazifik, Tag 4.007, 28.686 sm von HH

Unser Wind hat sich in den letzten 24 Stunden gravierend geändert: aus 12 Knoten sind 14 geworden und aus 170 Grad 150. :mrgreen: Atanga zieht unbeirrt ostwärts. Schnurgerade aufs Ziel zu. Wir sind weiter arbeitslos und vertrödeln die Zeit.

Die Stunden der Nachtwache ziehen sich wie Kaugummi. Solange, bis ich in meiner Nachtwache aus Langerweile am Plotter auf unsere Kursline zoome, um zu sehen, wie groß die Schlenker sind, die wir segeln. Mich trifft im ersten Moment der Schlag. Ich sehe nur dunkelblau. Und dunkelblau bedeutet flach. Sechs Meilen vor uns lauert eine Untiefe. Die wird erst beim extremen Zoomen sichtbar. Fünfzehn Meter an der flachsten Stelle.

 

Kelso Bank, grade sechs Meilen breit. Mitten im Ozean. Versteckt unter Wasser, versteckt auf der Seekarte – nur zu entdecken beim extremen Zoomen. Mir ist es unheimlich darüber zu fahren. Wer weiß, was da lauert?

 

Das reicht für uns natürlich zum drüber Segeln.
Ich möchte das nicht. Um uns herum ist es 2500 bis 3000 Meter tief. Was für Wellen mag dieser Berg erzeugen? Ich luve hart an, um südlich an der Untiefe vorbei zu kommen. Keine Meile zu früh. Atanga schrappt mit zwei Meilen Abstand vorbei. Das Wasser wird zunehmend kabbelig. Wir wackeln von einer Seite zur anderen. Verschiede Strömungen geben Schub nach vorne oder bremsen uns aus.
Nach einer guten Stunde ist alles wieder normal.

Auf der Sonarkarte erkennt man den plötzlichen Anstieg noch besser. Der lila Strich ist Atangas Kurslinie.

In der letzten Stunde von Tag fünf wird der Wind jetzt schwächer und schwächer. Wir können noch knapp segeln. Eine dicke Wolkendecke baut sich vor uns auf. Leichter Nieselregen hat begonnen. Wir haben das Konvergenzband erreicht, was das Ende unseres Südwindes markiert.

Tag 6 wird dann wohl eine Änderung unseres Törns nach Osten einläuten.
Wir können unser Glück nicht fassen, die erste Hälfte so einfach geschafft zu haben (Tag ein wird als grober Unfug verbucht, Schwamm drüber [obwohl! – hätte so nicht sein müssen nach 18 Monaten Segelpause ;-) ]) .
Der Routenplaner hatte vor unserer Abfahrt ausgerechnet, dass wir 122 Wenden fahren müssen. Bislang waren es zwei Kreuzschläge. Glücksschweine.

Ende mit Wind am Ende von Tag fünf.

Tag 5: etmal 97 Meilen, davon 97 gut gemacht zum Ziel; 332 Meilen Rest; bereits gesegelt 474 Meilen.

Die Pantry serviert Kartoffelsalat mit paniertem Hühnchenfilet (‚ready to eat‘ aus dem Kühlregal – gar nicht schlecht, nur in der Pfanne noch kurz anwärmen)

Viel Sonne hatten wir noch nicht auf diesem Törn. Einen halben Tag. Den Rest der Zeit ist es grau und sogar regnerisch.

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Tag 4 nach Osten – Was für ein Wind!

19.Mai.25, Pazifik, Tag 4.006, 28.589 sm von HH

Seit 36 Stunden kommt der Wind konstant aus 170 Grad. 36 Stunden konstant zwischen 12 und 14 Knoten. Der Windmesser steht wie eingefroren. Kaputt? Wir klopfen schon dagegen.
Wir können uns nicht an so einen konstanten Wind erinnern. Der macht uns arbeitslos. Kein zuppeln an den Schoten nötig. Die Segel stehen perfekt. Das Ruder ist festgesetzt, die Windsteueranlage ist die einzige an Bord, die arbeitet. Im Logbuch kann man von der Zeile zuvor abschreiben.
Phan-tas-tisch.

Der Wind ist nun seit einer Stunde um zwei, drei Knoten abgeflaut. Da es weder eine Windsee noch nennenswerten Schwell gibt, schlagen die Segel auch bei mickrigen neun Knoten Wind nicht. Weniger als drei Knoten Speed sind noch übrig. Zu Fuß wären wir schneller. Aber wir lassen es laufen. Die Vorhersage behauptet, dass neuer Wind im Süden in Arbeit ist, der soll uns einholen. Vor uns lauert angeblich eine Flaute.

Tag 4: etmal 94 Meilen, davon 94 gut gemacht zum Ziel; 439 Meilen Rest; bereits gesegelt 392 Meilen.

Die Pantry serviert eingekochtes Gulasch.

 

Absolut nichts zu tun – außer essen …

… viel essen!

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Tag 3 nach Osten – Champagner Segeln

18.Mai.25, Pazifik, Tag 4.005, 28.495 sm von HH

Der Himmel ist grau, aber zumindest hat es aufgehört zu regnen. Nur noch sechs Knoten Wind am Nachmittag. Wir werden in der Dünung kräftig durchgeschüttelt. Die Segel schlagen, es ist gerade noch auszuhalten. Wir können uns nicht entschließen, die Segel einzurollen und die Maschine zu starten. Treiben mit zwei Knoten lustlos vor uns hin. Warten ab. Hinter uns rollt eine Regenfront an. Gegen die Windrichtung kommt sie schnell näher. Und dann pladdert es windlos auf uns nieder. „Kommt erst der Regen, dann der Wind, binde alles fest geschwind“, klugscheißert der Skipper. Ich hasse es, wenn er Recht hat. :mrgreen: Von jetzt auf gleich ist der Wind wieder da. 14 Knoten aus – Achtung! – süd-westlichen Richtungen. Wir können weiter direkten Kurs aufs Ziel anlegen.

Was nun folgt ist Segeln vom Feinsten. Der Wind Stärke 4, keine Böen, keine Squalls. Dazu blauer Himmel, kleine Dünung. Atanga gleitet fast aufrecht und geräuschlos über den Ozean. So müssen die Götter Segeln gemeint haben.

Dieser Rauschzustand hält jetzt seit 24 Sunden an. Weitere 24 sollen folgen, wenn man der Vorhersage vertraut. Wir schlafen gut und nach der dritten Nacht sind auch die Seebeine gewachsen. Eine erste Dusche liegt drin. Alle Handgriffe gehen wieder leicht von der Hand. Und wärmer wird es auch mit jeder Meile. Die Abende in Burnett Heads waren schon empfindlich kühl. Das ist vorbei. Die Wassertemperatur ist um 2 Grad gestiegen. Der nachtkalte Kontinent hat keinen Einfluss mehr.

Damit das Ganze jetzt nicht zu perfekt erscheint: es stehen fast zwei Knoten Strömung gegen uns! Mehr als dreieinhalb Knoten Speed bekommen wir nicht auf die Schiene. Und natürlich kommt Gemecker, dass der Törn ja auch so hätte beginnen können. 30 Knoten Wind wären an Tag drei nur noch halb so viel.

Tag 3: etmal 80 Meilen, davon 80 gut gemacht zum Ziel; 533 Meilen Rest.

Die Pantry serviert von mir in Gläser eingekochte Hühnersuppe mit Hörnchennudeln und Erbsen. Hühnersuppe ist Medizin für Körper und Seele, weiß jeder. Es gibt noch einige Gläser mehr im Schrank.

Das Leben kann so leicht sein

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Tag 1+2 nach Osten – Neukaledonien

16.+17.Mai.25, Pazifik, Tag 4.003+4, 28.414 sm von HH

Die ersten 50 Meilen müssen wir aus der großen Bucht von Burnett Heads Richtung Nord-Osten segeln. Easy machbar. Das bedeutet Am-Wind-Segeln mit Übelkeit erregender Hacksee. Ich habe vorsorglich eine Tablette eingeworfen. Alles gut.
Um 20:00 Uhr können wir eine Wende fahren und die Nase Richtung Süden nehmen. Hoch am Wind, sonst kommen wir nicht an der Insel vorbei. Es hat zu regnen begonnen. Die Wellen vom jetzt offenen Ozean lassen Atanga nicken.
Hack. Hack. Hack.

Grade als ich ins Bett gehen will, gluckert die Bilge-Pumpe. Zehn Minuten später wieder. Wir sind nicht besorgt. Beide Wassertanks sind voll und manchmal, bei viel Schiffsbewegung, verliert der eine Tank Wasser. Atanga als altmodischer, fast 40 Jahre Kläpper verfügt unter den Bodenbrettern über ein Rinnensystem. Über diese Rinnen wird sämtliches Wasser Richtung Heck geleitet und verschwindet dort in einem unzugänglichen, einen Meter tiefen Sumpf in dem die Bilgepumpe ihre Arbeit macht.

Die Pumpe gluckert jetzt im fünf Minuten Takt. Achim geht auf Fehlersuche. Die Wellendichtung, das Ruder und die Ventile sind trocken. Daher kann das nicht Wasser kommen. Es gluckert weiter. Achim reißt verschiedene Bodenbretter hoch. Dort wo sich der Wassertank normalerweise entleert, steht kein Wasser. Wo kommt das verflixte Wasser her? Es gibt noch eine Möglichkeit: mittschiffs, dort wo der Tiefenmesser sitzt. Unter diesen, selten geöffneten Bodenbrettern wird Achim fündig.
Wir haben ein Blitzschutzsystem an Bord. Der Mast, Heck- und Bugkorb und die Relingstützen sind mit Kabeln an einer Außenplatte am Rumpf verbunden. Diese Kabel hat man nicht einfach ins Schiff gelegt, sondern in Edelstahlrohre gesteckt. Aus einem dieser Rohre sprudelt nun Wasser.
Das Wasser muss also vom Bug seinen Weg ins Schiff finden. Jetzt wo man das weiß, merken wir auch einen Zusammenhang. Wenn Atanga vorne Wasser nimmt, gluckert einen Augenblick später die Pumpe. Um die genaue Ursache zu finden, müssten wir das gesamte Vorschiff leer räumen. Unmöglich. Achim steht sowieso schon der Schweiß auf der Stirn von der Turnerei auf dem nickenden Kahn. Das erste Mal, dass er sich auch eine Womex reinhaut.

In kürzester Zeit ist das Schiff in ein Chaos versetzt

 

Die Crew-Befragung kommt zur Lösung, dass dieses Problem kein Grund zum Umdrehen ist. Die Mengen, die wir über das Deck an Wasser nehmen, sind überschaubar. Das schafft die Bilgepumpe. Geht diese kaputt, gibt es eine Ersatzpumpe. Fällt diese aus, gäbe es sogar noch eine Teichpumpe. :mrgreen:

Während der Nacht und am Vormittag frischt der Wind immer weiter auf. Wo ist denn die Flaute geblieben, derer wegen wir nach Süden motoren wollten? Statt fünf Knoten, pustet es mit 20 Knoten. 25 Knoten. 27 Knoten. Ätzend.
Zumindest in der Richtung stimmt die Vorhersage. Der Wind dreht kontinuierlich weiter nach Norden. Wir können am Wind genau die Kurve segeln, die wir uns gewünscht hatten.

Regen und Starkwind – perfekte Kombi

Am zweiten Nachmittag ein Blick auf die neuen Wetterdaten (der Starlink funktioniert super!). Flaute in zwei Tagen überall vor uns. Wirre Windwirbel, alles konfus und die verschiedenen Wetter-Modelle sind sich uneinig. Da wir fast unseren Zielkurs anlegen können, beschließen wir die Idee weiter nach Süden zu segeln aufzugeben. Ob sich das noch lohnen würde, ist aufgrund der neuen Vorhersage fraglich.
Also weiter am Wind – 100 Grad Richtung Osten.

Wind in zwei Tagen – alles offen!

Am zweiten Abend geraten erneut in ein Windfeld mit über 30 Knoten Wind. Die Vorhersage weiß davon nichts. Sechs Stunden hält der Starkwind an.
HACK. HACK.HACK. Wir hatten uns das Ganze einfacher vorgestellt.
Es gibt mein vorgekochtes Chili zu essen. Echter Appetit sieht anders aus.

 

Tag 1+2: Meilen 202, davon 165 gut gemacht zum Ziel :-); 635 Meilen Rest.

Unser Kurs die ersten 48 Stunden – so weit – so gut

 

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