Die Haie von Neukaledonien

Di., 23.09.25, Neukaledonien/Îlot Maître, Tag 4.133, 29.269 sm von HH

Ein Vorteil von Nouméa: Bereits nach einer Stunde Fahrt erreicht man türkisene Lagunenträume. Wir entscheiden uns für ‚Îlot Maître‘, eine Hotelinsel. Auf der windabgewandten Seite stehen kostenlose – gut gewartete – Moorings zur Verfügung. Atanga schwebt in kristallklarem Wasser. Schildkröten tauchen zum Atmen auf. Herrlich.
Und ideal für die Aktion, die wir vor uns haben: eine Rumpfreinigung.

Die erste Nacht waren wir alleine – nur zum Wochenende wird es voll. Wir zählen bei bestem Wetter am Sonntag über fünfzig Boote. Da gibt es viel zu gucken.

Erstmal gehen wir an Land. Unüblich für eine Resort-Insel haben auch Nichtgäste Zutritt auf das Inselchen, grade 800 Meter lang, 200 Meter breit. Ich finde selten einen Ort komplett hässlich. Irgendwas Schönes findet sich immer. Aber das ‚Double Tree Hotel‘ ist schon fast abstoßend.
Wenige Gäste logieren zurzeit auf der Insel. Im Inselinneren stehen Bungalows eng an eng. Düster stehen sie unter einem dichten Baumdach. Fenster bis zum Boden sind mit Stores zugezogen. Erinnerungen an üble Ibis-Seminar-Hotels werden wach. Preisklasse 170 Euro die Nacht. Die Wasserbungalows kosten das Doppelte.
Ein Labyrinth an Holzwegen verbindet die Bungalows. Die Elektro-Service-Wagen, die von Bungalow zu Bungalow fahren, hören wir bis auf Atanga. Ratter, ratter, ratter – wie ein Zug auf alten Bahnschwellen.  ;-)

Unsympathische Häuser in leicht ungepflegter Umgebung

Auch die Wasserbungalows haben das gewisse Nichts. Das geht schöner.

Die Schönheit von ‚Maître‘ ist das umgebende Riff auf der Ostseite. Eine riesige Seegras-Fläche, nur einen halben Meter tief. Hier badet niemand. Zu flach, zu viel Gras. Selbst Schnorcheln ist im flachen Wasser schwierig.
Viel Seegras lockt viele Schildkröten an. Als wir mit dem Kajak über das Riff gleiten, poppen überall Köpfe vor uns auf. Dutzende Schildkröten. So viele haben wir noch nicht auf einem Haufen gesehen.                                    Schildkröten stehen bei Tiger- und Bullenhaien ganz oben auf der Speisenkarte.

Schildkröten – alle fünf Meter paddelt eine herum.

Die Südspitze zeigt bei Ebbe ein paar Baumgerippe.

Zwei Fischadler auf den Baumgerippe auf Maître

Vom Wasser betrachtet ist die Insel ein Träumchern.

Viele Schildkröten, viele Haie? Ob es da einen Zusammenhang gibt? In den letzten sechzig Jahren hat es 67 Hai-Angriffe auf Menschen in Neukaledonien gegeben. Im Vergleich zu Australien oder Florida ist das eine kleine Zahl – dort werden 15 bis 20 Angriffe jährlich (!) gemeldet. Zieht man die geringe Bevölkerung Neukaledoniens mit in die Betrachtung, steigt das Risiko eines Hai-Angriffs von 0,6 Fällen auf eine Million Einwohner in Australien, auf 3,9 Fälle in Neukaledonien an. :shock:

Anfang 2023 gab es eine Serie von vier Haiangriffen im Umkreis von Nouméa. Zwei waren tödlich. Die Stadtverwaltung sperrte Strände und eine blutrünstige Jagd auf Haie wurde eröffnet. Es wurden 127 Haie gefangen und getötet. 83 Tigerhaie und 44 Bullenhaie. Die Fänge fanden ausschließlich im näheren Umkreis der Küstenlinie von Nouméa statt. Wow! Was für eine Anzahl an Haien!
Eine Umweltorganisation reichte Klage gegen die Tötungen ein. Auch die Kanak beschwerten sich. Für sie gelten Haie als Totemtiere, Ahnengeister, die mit ihren Vorfahren verbunden sind.
Im Dezember 2023 stoppte ein Gericht diese Tötungs-Orgie und stufte sie als unverhältnismäßig ein. Im gleichen Monat errichtete die Stadtverwaltung einen Hai-Zaun am beliebtesten Strand von Nouméa. An allen Stränden, die wir besucht haben, stehen Warnhinweise.
Seitdem gab es keinen Unfall mehr in der Umgebung von Nouméa.

Hai-Fangzaun am Strand in Nouméa.

Überall an der Küste stehen Warnhinweise – etwas zu viele für unseren Geschmack.

Als wir an der Mooring von ‚Maître‘ festmachen, suche ich im Internet nach ein paar Informationen über die Insel. Gleich der erste Bericht erzählt von einem tödlichen Haiangriff 2021. Auf einen Mann, der um sein Boot herum schwamm.

So ist es um unsere Informationen bestellt, als wir unseren Bewuchs am Rumpf im klaren Wasser betrachten. Wir erkennen viel Schleim, Schwämme und ein paar korallenartige Gewächse. Zum Glück wenig hartes Zeug, wie Seepocken.
Wir sind zufrieden mit der Arbeit von unserem Coppercoat.

Dennoch. Das Zeug muss runter. Neuseeland erwartet ein sauberes Unterwasserschiff. Meistens taucht Achim alleine nach dem Rumpf. Aber die Hai-Informationen stecken ihm im Hinterkopf. „Wäre doch schön, wenn du auf mich aufpasst.“
Ich soll also in die Rolle von Ocean Ramsey übernehmen? Jener jungen Frau, die in ihren Videos zeigt, dass Haie ungefährlich sind? Dass man sich nur senkrecht ins Wasser stellen braucht? Den Hai im Visier? Und wenn er auf einen zuschwimmt, ihn mit beiden Händen freundlich umleitet? Diese Rolle bekomme ich? Prost Mahlzeit.

Ocean Ramsey mit Tigerhai – das könnte ich sein …

Achim macht unser Tauchzeug fertig. Wir haben beim Tauchen keine Angst vor Haien. Eigentlich. Trifft man doch meistens auf die harmlosen Riffhaie.
Ungeigentlich denken wir natürlich immer mal an einen neugierigen Einzelgänger. Und ein gelegentlicher Schulterblick kann ja nicht schaden. Ist auch der heiße Tipp von Ocean Ramsey. Haie immer im Auge behalten. Tiger greifen von hinten an.

Meine Rolle als Aufpasserin zerstört Achim schon an der Wasseroberfläche: „Hier sind deine Bürste und dein Abrazzo-Schwamm. Ich kümmere mich um Propeller und Welle.“
Okay. Wir tauchen ab. Unter Atanga frisst eine Schildkröte am Grund. Ein leckerer Haibissen. Aber wir sind abgelenkt. Durch die lange Standzeit sind die O-Ringe vom Jacket-Inflator eingetrocknet. Das Jacket bläst sich langsam, aber kontinuierlich wieder auf. Vernünftig tarieren: unmöglich. Dabei noch den Schleim vom Rumpf bürsten, da bleiben keine Gedanken an Haie mehr übrig.

Wir brauchen zwei Tauchdurchgänge, um den Rumpf zu säubern. Am Ende ist das Gefährlichste, dass man sich die Hand aufschneidet. Und eine kleine Seeschlange, die neben uns auftaucht, um Luft zu holen.
Zu gerne wüsste ich, ob, und wenn ja, wie nah, wie viele Haie in unserer Nähe waren. Aber vielleicht tauchen wir dann nie wieder. ;-)

Seeschlange – noch ohne eine ausgeprägte Bänderung. Erste Anzeichen vom schwarz-weißen Muster sind erkennbar. Diese haben wir in der Marina gesehen. Verwechslung mit einem Fisch ist ausgeschlossen, da sie regelmäßig zum Atmen an die Oberfläche kommt. Seeschlangen sind giftig, haben aber so ein kleines Maul, dass sie Menschen fast nicht beißen können.

48

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.