Di., 01.Jan.19, Süd-Pazifik, Tag 1675, 15.747 sm von HH
Das war wohl das leiseste, trockenste und einsamste Silvester an das ich mich erinnern kann. Keine Böller, keine Raketen, kein Sekt um Mitternacht und Achim hat mit unter Androhung von Strafe verboten, ihn um Mitternacht zu wecken. lso sitze ich allein im Cockpit und proste mir selber mit Wasser zu: „Happy New Year, altes Haus. Same procedure as last year?“ Kurz überlege ich, ob ich einen Limetten-Schnitz in mein Wasser geben soll. Nein, ohne Papier-Schirmchen ist das auch nur der halbe Spaß. Also setze ich mir ein lustiges Hütchen und eine rote Pappnase auf und schaue mir den Sternenhimmel an. Auch schön. Friedlich. Und garantiert keinen dicken Kopp Morgen früh. ![]()
Die letzte Nacht und der Vormittag sind sensationell. Als ob Engel segeln gehen. Keine Böen, fünf Windstären, Passat-Wolken-Schäfchen am Himmel. Halleluja! In meiner Schicht dann, um 7:07 Uhr, die Erlösung: Laaaaand in Sicht! Mein Herz macht einen Hüpfer. Huch, das hätte ich nicht gedacht, dass es mich so berührt, aber es ist einfach schön, Land zu sehen. Achim verpennt den Big Moment. Das tut mir wirklich leid für ihn.
Um 15:00 Uhr fällt der Anker. Auf 20 Meter. Alle Ankerplätze sind so tief auf der Osterinsel. Dazu kommt ein legendärer Schwell, der viele Segler davon abhält hierher zu kommen. Heute ist es jedoch sehr ruhig, wie uns das Zoll- und Immigration-Team erzählt, was zu uns an Bord kommt. Trotz Feiertag sind sie zwei Stunden nach unserer Ankunft zur Stelle. Ein formloser Akt. Es werden keine Vorräte kontrolliert und keine Gebühren erhoben. Wir dürfen 30 Tage bleiben. Für mich wird ein Traum wahr. Wir liegen, aus meiner Sicht, vor einer der abgefahrensten Inseln der Welt. Dass wir fast 24 Tage gebraucht haben, macht sie natürlich noch wertvoller.
So wunderbar! Besser kann das neue Jahr nicht beginnen. Ich wünsche Euch allen so ein wunderbares Jahr 2019! ![]()
Essen: Abendessen: Gemüsepfanne mit Kartoffeln, Zwiebeln, grünen Bohnen und Speck und etwas Frischkäse Frühstück: Brot mit Käse und Mortadella Mittag; Schnelle Pfanne: Ein paar Bratkartoffeln, etwas Kohl plus Würstchen. Schmeckt überraschend gut.
Meilen: Tagesmeilen 100 – Rest auf direktem Weg: „Sie haben Ihr Ziel erreicht!“
Tag 23 =>Osterinsel – Endspurt
Mo., Silvester 2018, Süd-Pazifik, Tag 1674, 15.647 sm von HH
Den Abend und die Nacht haben wir nervigen Wind. Boenfelder mit 25 Knoten Wind für eine Stunde, gefolgt von drei Stunden Flaute, gefolgt von einem neuen Boenfeld. Seit dem Morgen läuft es flüssiger. Wir haben dauerhaft 18 Knoten, Windstärke 5. Gespannt schauen wir auf die Ankunftszeit. Werden wir Morgen im Hellen ankommen? Oder müssen wir uns noch eine Nacht mit angezogener Geschwindigkeit hier draußen die Zeit vertreiben? in jedem Fall hat sich die Frage erübrigt, was wir Silvester machen.
Die viertausend Kilometer, die wir uns weiter Süd-westlich befinden, machen sich in den Tagesstunden deutlich bemerkbar. Es wird erst um 21:00 Uhr dunkel, was uns eine gute Reserve bei der morgigen Ankunft gäbe. Gemäß Längengrad-Überschreitung hätten wir die Uhr um mindestens zwei Stunden zurück stellen müssen. Das haben wir allerdings nicht gemacht, da wir vermuten, dass auf der Osterinsel die Zeiten an Chile Mutterland angepasst wurden. Leider haben wir versäumt, dies vor der Anreise zu prüfen.
Die letzten zwei Nächte waren von Schlafmangel geprägt, da wir in den Schwachwind-Phasen heftig in der Dünung rollen. Es wird nun Zeit, dass wir ankommen. Die ersten Nerven fangen an blank zu liegen. Eine klappernde Flasche oder rutschendes Geschirr in der Spüle wird zum Staatsakt. Schuld hat nicht das System, sondern das jeweils andere Crew Mitglied.
Essen: Abendessen: Ich hab keine rechte Lust zu kochen, daher Türkische Woche: Humus (Kichererbsen-Püree, ich hatte extra welche beim Veggie-Curry drüber gekocht), Joghurt-Ricotta-Mix mit Kreuzkümmel und Koriander, Krautsalat (jaaa
… das war aber dann auch schon der letzte Kohl) mit Ingwer und Tortillas, die wir als Fladenbrot-Ersatz dazu essen. Frühstück: Brot mit Käse und Mortadella Mittag: Türkische Reste und als Seelentröster und weil es wenig Schokolade an Bord gibt: Schokoladenpudding (aus dem besten Kakao der Welt gekocht – Eigenwerbung Ecuadors für seine Kakao-Produktion). Der wird noch warm direkt aus dem Topf gelöffelt.
Die frischen Vorräte sind aufgebraucht. Vier Äpfel, ein Kilo Zwiebeln und ein paar Kartoffeln ist alles, was wir noch haben.
Meilen: Tagesmeilen 110 , Rest 99 sm, Stand 16:00 Uhr Bordzeit – es sieht so aus, als ob wir Morgen schaffen können. Wir nehmen auf jeden Fall keine Geschwindigkeit raus.
Tag 22 =>Osterinsel – Butter bei die Fische
So., 30.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1673, 15.537 sm von HH
Wie läuft es denn Zwischenmenschlich nach über drei Wochen? Butter bei die Fische! Ich sag mal so, es hilft, wenn man sich sympathisch ist. Zumindest ein wenig.
Ideal ist diese Veranstaltung vielleicht für frisch Verliebte. Sind wir nicht, die rosarote Brille ist weg und die positiven, besonders jedoch die negativen Eigenschaften der Mitsegler kommen an den Tag. Überdeutlich wird mir klar, warum ich Achim geheiratet habe und warum ich es besser gelassen hätte. ![]()
Wir kommen trotzdem sehr gut miteinander klar. Fast besser als an Land. Gibt es an Land schon mal Gemecker in der Pantry ( „Muss du unbedingt jetzt an den Kühlschrank? Du siehst doch, dass ich alles in Beschlag habe … raus aus meiner Küche“) schaffen wir es einvernehmlich auf einem Viertelquadratmeter, der nicht sillstehen will, Töpfe in den Schrank zurück zu räumen. Wir sind überdurchschnittlich höflich und rücksichtsvoll. Friede, Freude, Butterkuchen. Vielleicht weil wir wissen, dass wir dem anderen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Der ganze Mist ist schon nervig genug, da braucht man keinen Streit.
Gab es trotzdem. Ausgerechnet Heiligabend. Da sind wir statistisch aber wohl in guter Gesellschaft. Die meisten Ehekräche gibt es an den Feiertagen. Eine Theorie besagt, weil die Partner plötzlich den ganzen Tag Zeit miteinander verbringen. Das ‚plötzlich‘ trifft auf uns eher nicht zu. Aber dass Achim nerven kann, ist unbestritten. Ständig wirft er mir vor ich würde Wasser und Energie verschwenden. Wie ein Geier lungert er hinter jedem Liter hinterher: „Musst du das Spülbecken jetzt mit Frischwasser spülen? Warum öffnest Du jetzt den Kühlschrank?“ Was für eine Freak-Show. Da kann mir schon mal die Hutschnur platzen.
Im Gegenzug kümmert er sich liebevoll darum, dass mein E-Reader und das iPad geladen werden. Natürlich gewissenhaft tagsüber, wenn genug Energie herein kommt. In meiner Schusseligkeit vergesse ich das regelmäßig und komme nachts mit meinem Stecker angewackelt, wenn die Batterien sowieso nicht mehr voll sind. Er sagt es nicht. Ist nicht seine Art, aber ich denke, er hätte mich nicht geheiratet, wenn er das vorher gewusst hätte. ![]()
Niemals würde ich so einen Törn mit unbekannten Menschen unternehmen wollen.
Essen: Abendessen: Nudelsalat (mit Oliven und getrockneten Tomaten) und diesen Hot Dog Würstchen. Ich finde die allerdings nur gebraten ganz lecker. Frühstück: Brot mit Salami, Käse und Mortadella Mittag: Rest vom Nudelsalat
Meilen: Tagesmeilen 106 , Rest 206 sm auf direktem Weg. Rechnerisch nach den Durchschnittsmeilen der letzten Tage dauert es noch zwei Tage. Aber schon geht die Rechnerei los: Schaffen wir es rechtzeitig vor dem dunkel werden? Oder müssen wir eine Nacht dran hängen und Gas raus nehmen. Die Entscheidung fällt Morgen.
out of reach
Tag 21 =>Osterinsel – Der Pazifik rockt
Sa., 29.Dez.18, Süd-Pazifik, Tag 1672, 15.431 sm von HH
Im Prinzip haben wir den gleichen Grundwind die letzten 24 Stunden. Vielleicht einen Tick mehr. Aber weit im Osten haben wir auf der Windkarte mehr Wind gesehen. Der schickt eine nervige Dünung zu uns, die nicht zur eigenen Geschwindigkeit passt. Vielleicht zwei Meter hoch. Wir rollen heftig in der Nacht. Ich bekomme kaum ein Auge zu. Dann heute Vormittag der erste Squall. Wow! Da meint aber einer, viel hilft viel. In der Spitze zeigt der Windmesser 33 Knoten wahren Wind. Die Dünung baut sich weiter auf. Am frühen Nachmittag der nächste Squall. Unsere Windsteueranlage macht das Theater ‚viel Wind, wenig Wind‘ großartig mit. Um das Anluven (höher am Wind fahren als wir möchten – ist aber vollkommen normal bei Segelbooten, wenn der Wind zunimmt) zu verhindern, gehe ich ans Ruder. Wir wollen ja auf Kurs bleiben, wenn wir schon übers Wasser fliegen. Außerdem ersparen wir uns das Verstellen der Wind-Herta und es macht einen Riesenspaß. Sieben Windstärken von schräg hinten. Genau die richtige Menge Tuch oben, reffen unnötig. Das Deck bleibt trocken, nur ein wenig Gischt fliegt durch die Luft. Strahlender Sonnenschein. Freunde der Sonne, das rockt. Die Wellen schauen nun bereits frech ins Cockpit rein. Auge in Auge stehen wir und gegenüber. Eine Welle, die bei uns rein gucken will, muss sich ganz schön recken. Wir schätzen sie auf gute drei Meter. Gurgelnd und fauchend laufen sie unter uns durch und schenken Spitzengeschwindigkeiten. Nach 45 Minuten ist der Spaß vorbei. Zurück bleibt bewegtes Wasser und eine eigene Geschwindigkeit, die nicht dazu passt. Wir rollen heftig. Alles im Leben hat seinen Preis.
Essen: Abendessen: Veggie-Curry! Mit Kürbis, Kichererbsen, roten Linsen, Zwiebeln und Knoblauch. „Das ist mir zu vegan“, sagt er. „Wo ist denn die Wurst?“, fragt er. „Oder der Speck, das Fleisch?“ Mimimimimi. Ich fand es lecker. Frühstück: Brot mit Salami, Käse und Mortadella Mittag: Den Rest vom veganen Curry mit ofenwarmen Brot. Auf Grund des großen Erfolges mit dem Orangen-Limetten-Sirup, koche ich diesen heute noch einmal. Dazu eine Ricotta-Joghurt-Sahne-Creme auf Apfelstückchen. Auch vegetarisch, aber hier wird nicht die Schnute verzogen. ![]()
Meilen: Tagesmeilen 111 , Rest 308 sm auf direktem Weg
