Archiv der Kategorie: Auf See

Tag 5 nach Osten – Ein Unterwasserberg

20.Mai.25, Pazifik, Tag 4.007, 28.686 sm von HH

Unser Wind hat sich in den letzten 24 Stunden gravierend geändert: aus 12 Knoten sind 14 geworden und aus 170 Grad 150. :mrgreen: Atanga zieht unbeirrt ostwärts. Schnurgerade aufs Ziel zu. Wir sind weiter arbeitslos und vertrödeln die Zeit.

Die Stunden der Nachtwache ziehen sich wie Kaugummi. Solange, bis ich in meiner Nachtwache aus Langerweile am Plotter auf unsere Kursline zoome, um zu sehen, wie groß die Schlenker sind, die wir segeln. Mich trifft im ersten Moment der Schlag. Ich sehe nur dunkelblau. Und dunkelblau bedeutet flach. Sechs Meilen vor uns lauert eine Untiefe. Die wird erst beim extremen Zoomen sichtbar. Fünfzehn Meter an der flachsten Stelle.

 

Kelso Bank, grade sechs Meilen breit. Mitten im Ozean. Versteckt unter Wasser, versteckt auf der Seekarte – nur zu entdecken beim extremen Zoomen. Mir ist es unheimlich darüber zu fahren. Wer weiß, was da lauert?

 

Das reicht für uns natürlich zum drüber Segeln.
Ich möchte das nicht. Um uns herum ist es 2500 bis 3000 Meter tief. Was für Wellen mag dieser Berg erzeugen? Ich luve hart an, um südlich an der Untiefe vorbei zu kommen. Keine Meile zu früh. Atanga schrappt mit zwei Meilen Abstand vorbei. Das Wasser wird zunehmend kabbelig. Wir wackeln von einer Seite zur anderen. Verschiede Strömungen geben Schub nach vorne oder bremsen uns aus.
Nach einer guten Stunde ist alles wieder normal.

Auf der Sonarkarte erkennt man den plötzlichen Anstieg noch besser. Der lila Strich ist Atangas Kurslinie.

In der letzten Stunde von Tag fünf wird der Wind jetzt schwächer und schwächer. Wir können noch knapp segeln. Eine dicke Wolkendecke baut sich vor uns auf. Leichter Nieselregen hat begonnen. Wir haben das Konvergenzband erreicht, was das Ende unseres Südwindes markiert.

Tag 6 wird dann wohl eine Änderung unseres Törns nach Osten einläuten.
Wir können unser Glück nicht fassen, die erste Hälfte so einfach geschafft zu haben (Tag ein wird als grober Unfug verbucht, Schwamm drüber [obwohl! – hätte so nicht sein müssen nach 18 Monaten Segelpause ;-) ]) .
Der Routenplaner hatte vor unserer Abfahrt ausgerechnet, dass wir 122 Wenden fahren müssen. Bislang waren es zwei Kreuzschläge. Glücksschweine.

Ende mit Wind am Ende von Tag fünf.

Tag 5: etmal 97 Meilen, davon 97 gut gemacht zum Ziel; 332 Meilen Rest; bereits gesegelt 474 Meilen.

Die Pantry serviert Kartoffelsalat mit paniertem Hühnchenfilet (‚ready to eat‘ aus dem Kühlregal – gar nicht schlecht, nur in der Pfanne noch kurz anwärmen)

Viel Sonne hatten wir noch nicht auf diesem Törn. Einen halben Tag. Den Rest der Zeit ist es grau und sogar regnerisch.

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Tag 4 nach Osten – Was für ein Wind!

19.Mai.25, Pazifik, Tag 4.006, 28.589 sm von HH

Seit 36 Stunden kommt der Wind konstant aus 170 Grad. 36 Stunden konstant zwischen 12 und 14 Knoten. Der Windmesser steht wie eingefroren. Kaputt? Wir klopfen schon dagegen.
Wir können uns nicht an so einen konstanten Wind erinnern. Der macht uns arbeitslos. Kein zuppeln an den Schoten nötig. Die Segel stehen perfekt. Das Ruder ist festgesetzt, die Windsteueranlage ist die einzige an Bord, die arbeitet. Im Logbuch kann man von der Zeile zuvor abschreiben.
Phan-tas-tisch.

Der Wind ist nun seit einer Stunde um zwei, drei Knoten abgeflaut. Da es weder eine Windsee noch nennenswerten Schwell gibt, schlagen die Segel auch bei mickrigen neun Knoten Wind nicht. Weniger als drei Knoten Speed sind noch übrig. Zu Fuß wären wir schneller. Aber wir lassen es laufen. Die Vorhersage behauptet, dass neuer Wind im Süden in Arbeit ist, der soll uns einholen. Vor uns lauert angeblich eine Flaute.

Tag 4: etmal 94 Meilen, davon 94 gut gemacht zum Ziel; 439 Meilen Rest; bereits gesegelt 392 Meilen.

Die Pantry serviert eingekochtes Gulasch.

 

Absolut nichts zu tun – außer essen …

… viel essen!

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Tag 3 nach Osten – Champagner Segeln

18.Mai.25, Pazifik, Tag 4.005, 28.495 sm von HH

Der Himmel ist grau, aber zumindest hat es aufgehört zu regnen. Nur noch sechs Knoten Wind am Nachmittag. Wir werden in der Dünung kräftig durchgeschüttelt. Die Segel schlagen, es ist gerade noch auszuhalten. Wir können uns nicht entschließen, die Segel einzurollen und die Maschine zu starten. Treiben mit zwei Knoten lustlos vor uns hin. Warten ab. Hinter uns rollt eine Regenfront an. Gegen die Windrichtung kommt sie schnell näher. Und dann pladdert es windlos auf uns nieder. „Kommt erst der Regen, dann der Wind, binde alles fest geschwind“, klugscheißert der Skipper. Ich hasse es, wenn er Recht hat. :mrgreen: Von jetzt auf gleich ist der Wind wieder da. 14 Knoten aus – Achtung! – süd-westlichen Richtungen. Wir können weiter direkten Kurs aufs Ziel anlegen.

Was nun folgt ist Segeln vom Feinsten. Der Wind Stärke 4, keine Böen, keine Squalls. Dazu blauer Himmel, kleine Dünung. Atanga gleitet fast aufrecht und geräuschlos über den Ozean. So müssen die Götter Segeln gemeint haben.

Dieser Rauschzustand hält jetzt seit 24 Sunden an. Weitere 24 sollen folgen, wenn man der Vorhersage vertraut. Wir schlafen gut und nach der dritten Nacht sind auch die Seebeine gewachsen. Eine erste Dusche liegt drin. Alle Handgriffe gehen wieder leicht von der Hand. Und wärmer wird es auch mit jeder Meile. Die Abende in Burnett Heads waren schon empfindlich kühl. Das ist vorbei. Die Wassertemperatur ist um 2 Grad gestiegen. Der nachtkalte Kontinent hat keinen Einfluss mehr.

Damit das Ganze jetzt nicht zu perfekt erscheint: es stehen fast zwei Knoten Strömung gegen uns! Mehr als dreieinhalb Knoten Speed bekommen wir nicht auf die Schiene. Und natürlich kommt Gemecker, dass der Törn ja auch so hätte beginnen können. 30 Knoten Wind wären an Tag drei nur noch halb so viel.

Tag 3: etmal 80 Meilen, davon 80 gut gemacht zum Ziel; 533 Meilen Rest.

Die Pantry serviert von mir in Gläser eingekochte Hühnersuppe mit Hörnchennudeln und Erbsen. Hühnersuppe ist Medizin für Körper und Seele, weiß jeder. Es gibt noch einige Gläser mehr im Schrank.

Das Leben kann so leicht sein

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Tag 1+2 nach Osten – Neukaledonien

16.+17.Mai.25, Pazifik, Tag 4.003+4, 28.414 sm von HH

Die ersten 50 Meilen müssen wir aus der großen Bucht von Burnett Heads Richtung Nord-Osten segeln. Easy machbar. Das bedeutet Am-Wind-Segeln mit Übelkeit erregender Hacksee. Ich habe vorsorglich eine Tablette eingeworfen. Alles gut.
Um 20:00 Uhr können wir eine Wende fahren und die Nase Richtung Süden nehmen. Hoch am Wind, sonst kommen wir nicht an der Insel vorbei. Es hat zu regnen begonnen. Die Wellen vom jetzt offenen Ozean lassen Atanga nicken.
Hack. Hack. Hack.

Grade als ich ins Bett gehen will, gluckert die Bilge-Pumpe. Zehn Minuten später wieder. Wir sind nicht besorgt. Beide Wassertanks sind voll und manchmal, bei viel Schiffsbewegung, verliert der eine Tank Wasser. Atanga als altmodischer, fast 40 Jahre Kläpper verfügt unter den Bodenbrettern über ein Rinnensystem. Über diese Rinnen wird sämtliches Wasser Richtung Heck geleitet und verschwindet dort in einem unzugänglichen, einen Meter tiefen Sumpf in dem die Bilgepumpe ihre Arbeit macht.

Die Pumpe gluckert jetzt im fünf Minuten Takt. Achim geht auf Fehlersuche. Die Wellendichtung, das Ruder und die Ventile sind trocken. Daher kann das nicht Wasser kommen. Es gluckert weiter. Achim reißt verschiedene Bodenbretter hoch. Dort wo sich der Wassertank normalerweise entleert, steht kein Wasser. Wo kommt das verflixte Wasser her? Es gibt noch eine Möglichkeit: mittschiffs, dort wo der Tiefenmesser sitzt. Unter diesen, selten geöffneten Bodenbrettern wird Achim fündig.
Wir haben ein Blitzschutzsystem an Bord. Der Mast, Heck- und Bugkorb und die Relingstützen sind mit Kabeln an einer Außenplatte am Rumpf verbunden. Diese Kabel hat man nicht einfach ins Schiff gelegt, sondern in Edelstahlrohre gesteckt. Aus einem dieser Rohre sprudelt nun Wasser.
Das Wasser muss also vom Bug seinen Weg ins Schiff finden. Jetzt wo man das weiß, merken wir auch einen Zusammenhang. Wenn Atanga vorne Wasser nimmt, gluckert einen Augenblick später die Pumpe. Um die genaue Ursache zu finden, müssten wir das gesamte Vorschiff leer räumen. Unmöglich. Achim steht sowieso schon der Schweiß auf der Stirn von der Turnerei auf dem nickenden Kahn. Das erste Mal, dass er sich auch eine Womex reinhaut.

In kürzester Zeit ist das Schiff in ein Chaos versetzt

 

Die Crew-Befragung kommt zur Lösung, dass dieses Problem kein Grund zum Umdrehen ist. Die Mengen, die wir über das Deck an Wasser nehmen, sind überschaubar. Das schafft die Bilgepumpe. Geht diese kaputt, gibt es eine Ersatzpumpe. Fällt diese aus, gäbe es sogar noch eine Teichpumpe. :mrgreen:

Während der Nacht und am Vormittag frischt der Wind immer weiter auf. Wo ist denn die Flaute geblieben, derer wegen wir nach Süden motoren wollten? Statt fünf Knoten, pustet es mit 20 Knoten. 25 Knoten. 27 Knoten. Ätzend.
Zumindest in der Richtung stimmt die Vorhersage. Der Wind dreht kontinuierlich weiter nach Norden. Wir können am Wind genau die Kurve segeln, die wir uns gewünscht hatten.

Regen und Starkwind – perfekte Kombi

Am zweiten Nachmittag ein Blick auf die neuen Wetterdaten (der Starlink funktioniert super!). Flaute in zwei Tagen überall vor uns. Wirre Windwirbel, alles konfus und die verschiedenen Wetter-Modelle sind sich uneinig. Da wir fast unseren Zielkurs anlegen können, beschließen wir die Idee weiter nach Süden zu segeln aufzugeben. Ob sich das noch lohnen würde, ist aufgrund der neuen Vorhersage fraglich.
Also weiter am Wind – 100 Grad Richtung Osten.

Wind in zwei Tagen – alles offen!

Am zweiten Abend geraten erneut in ein Windfeld mit über 30 Knoten Wind. Die Vorhersage weiß davon nichts. Sechs Stunden hält der Starkwind an.
HACK. HACK.HACK. Wir hatten uns das Ganze einfacher vorgestellt.
Es gibt mein vorgekochtes Chili zu essen. Echter Appetit sieht anders aus.

 

Tag 1+2: Meilen 202, davon 165 gut gemacht zum Ziel :-); 635 Meilen Rest.

Unser Kurs die ersten 48 Stunden – so weit – so gut

 

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Bitte nicht mehr nach Osten, bitte nicht!

14.Mai.25, Australien/QLD/Burnett Heads, Tag 4.001, 28.212 sm von HH

In diesem kleinen Filmausschnitt aus dem Jahr 2021 sind meine Wünsche eigentlich klar und unmissverständlich. Die Regeln sind bekannt. Blöd nur, wenn man sich nicht an seine eigenen Vorgaben hält. :mrgreen:

 

Atanga auf dem Weg von Tahiti nach Fakarava. Auf einer Strecke von 340 Meilen am Wind und nach einer hässlichen Nacht ist dieser Filmschnipsel entstanden. Diesmal werden es wohl 900 Meilen.

 

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir einen (zehn Tage) vorher angepeilten Abfahrtstag jemals eingehalten hätten. Diesmal ja, die Zeichen stehen gut. Das vorhergesagte Tiefdrucksystem, was uns südwestliche Winde bringen sollte, ist verschwunden. Pech.
Dafür steht eine Flaute für ein, zwei Tage vor der Tür. Mit viel Glück gibt es sogar leichten Nordwind. Dieses Windloch wollen wir nutzen, um so weit wie möglich nach Süden zu motoren oder motorsegeln. Am liebsten bis Höhe Brisbane – 200 Meilen. Mit jeder Meile Süd wird unser Winkel nach Neukaledonien besser. Denn eins ist sicher, der Süd-Ostpassat wird zurückkehren.

Windloch am Donnerstag – Stand 24 Stunden vor Abfahrt.

Am Freitag um 12:00 Uhr vielleicht sogar etwas nördliche Winde. Wir werden sehen.

Die letzten vier Wochen sind uns etwas lang geworden in der Marina. Um so größer war unsere Freude, dass die Pia und Köbi von der Lupina https://sy-lupina.ch/ eingetroffen sind. Wir kennen uns schon aus Fiji vor knapp zwei Jahren.
Die beiden wollen weiter nach Indonesien, sind gestern bereits aufgebrochen. Somit ist nach zwei Wochen die schöne Zweit mit Sundownern und gemeinsamen Abendessen viel zu schnell vergangen. Wir haben es sehr genossen, mal wieder mit jemandem länger als nur einen Abend zu sprechen. Das war auf den Campingplätzen nicht gegeben. Hoffentlich treffen wir in Neukaledonien auf ebenso nette Crews wie die der Lupina.

Pia und Köbi aus der Schweiz – schade, dass sich unsere Wege schon wieder trennen.

Morgen geht es auch für uns weiter. Wir melden uns wie immer von unterwegs mit Berichten. Vielleicht das erste Mal mit Fotos, dank Weltraum-Internet. Mal sehen, ob das funktionieren wird.
Der Immigration Officer kommt um 8:00 Uhr an Bord. Und dann heißt es

Goodbye Australien

Es fällt uns schwer, dieses tolle Land zu verlassen. Was wir mitnehmen, sind unvergessliche Erlebnisse und Abenteuer. Danke Australien, du warst gut zu uns (die vorwitzige Welle, die mich umgeworfen hat, vergessen wir mal).

Unsere Hommage an Australien. Unter der Hamburg-Flagge weht wichtig unsere Sand-Flag, die wir am Auto in der Wüste fahren mussten. :lol:

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