Archiv der Kategorie: Kanaren

Verlust der Nacht

Di., 07. Jul.15, La Palma, Tag 402, 2.587 sm

Was nach einer spannenden, durchzechten Nacht bis zum Verlust der Muttersprache klingt, ist leider deutlich nüchterner: Es handelt sich um die Lichtverschmutzung während der Bajada.

Lichtschutz auf La Palma

Es gibt auf La Palma bereits seit 1988 ein Gesetzt zur Verhinderung der Licht-Verschmutzung. Ursächlich dafür verantwortlich ist das in den Bergen angesiedelte Observatorium.
Der Schutz für die Sternegucker geht sogar so weit, dass die Unesco (wer auch sonst?) auf La Palma das weltweit erste Starlight-Reserve zertifiziert hat.

Auf der gesamten Erde hat die Lichtverschmutzung extrem zugenommen.
Der Spruch, dass man die Hand nicht vor Augen sieht, stammt aus einer Zeit der Kutschen.
Der hellste Ort, der in einer Studie gemessen wurde, ist das niederländische Schipliuden. Dort leuchtet der Himmel 10.000 Mal heller als am dunkelsten Ort, Kitt Peak in den USA.

Menschen, die in Ballungs-Zentren leben, kenne gar keine dunklen Nächte mehr. Mit Glück kann man dort noch ein paar der hellsten Sterne erkennen.

Auf La Palma helfen gegen die Lichtverschmutzung nach unten strahlende, orange Straßenlaternen. Diese leuchten ohne Sicherheitsverlust für Autos und Fußgänger. Leuchtreklame unterliegt strengen Regeln. Genau genommen findet man in Santa Cruz kaum Beleuchtung an Geschäften, Bars oder Restaurants.

Mit diesem Schutz der Dunkelheit ist nun vorbei.
Zumindest für kurze Zeit. Die Bajada fordert ihren Tribut.
Die gesamte Stadt ist illuminiert, mit Leuchtgirlanden geschmückt und bestrahlt. Hoffentlich nehmen die Astronomen ebenfalls an den Feierlichkeiten teil, dann kann sich an den bunten Girlanden keiner stören.
Und nach der Bajada ist die Licht-Sauberkeit für die nächsten fünf Jahre wieder hergestellt.

Pandorga de Santa Cruz

Mo., 06. Jul.15, La Palma, Tag 401, 2.587 sm

Heute studiert die desaströse Reiseleitung :cry: die Programmhefte richtig:
Wir sind somit zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Laternenumzug – der Beginn der Semana grande

Die Pandorga gibt es bereits seit fast 200 Jahren und wird überall als die Attraktion für Kinder beschrieben.
Von wegen!
Kinder dürfen bei diesem Umzug auch mitlaufen, aber die meisten Laternenträger sind Erwachsene. Einige haben ein Alibi-Kind an ihrer Seite. ;-)

Und es sind Hunderte Träger, die mit selbst gebastelten Laternen durch die Straßen ziehen. Es scheint, dass es Rohlinge, die die Form der Laterne vorgeben in vier, fünf Varianten zu kaufen gibt. Aber die Gestaltung aus buntem Pergamentpapier, Fähnchen und Krepp, Glitzern, Stickern und Schleifen ist absolut individuell: Frösche, Vögel, Schmetterlinge und Schweine, die gesamte Tierwelt ist vertreten, „hello Kitty“, Tweety und Kater Silvester als Vertreter der Comic-Figuren und zarte Blütenkreationen, alles ist dabei.

Die endlose Schlange an Lichtern wird von mehreren Spielmannszügen begleitet, die stimmige Trommelwirbel anstimmen.

Die Laternen werden von echten Kerzen beleuchtet. Das sorgt für heimeliges, warmes Licht. Leider steigt ab und an der Geruch von verbranntem Papier in die Nase und von der ein oder anderen Laterne ist nur noch das Gerippe des Rohlings über. ;-)

Die unglaubliche Zahl an Laternen und der nicht abreißende Strom ist absolut sehenswert. Die Straßen sind voll mit Menschen, alle wollen dabei sein, beim gemütlichen, altmodischen Laternenumzug.

 

Horst, horstiger, Bine oder …mi guía es un desastre

So., 05. Jul.15, La Palma, Tag 400, 2.587 sm von HH

Der Thron der guten Virgen de Las Nieves ist ja nun schon vor gut einer Woche von Las Nieves nach Santa Cruz gebracht worden.
Nach gründlicher Recherche kam Bine zu dem Schluss, dass das Fräulein am heutigen Sonntag ebenfalls den Weg ins Tal finden sollte.

Für heute stand also relativ frühes Aufstehen auf dem Programm, um die Prozession aus der Nähe zu betrachten. Nachdem wir die Marina verlassen hatten und durch die Stadt gingen fiel uns zwar auf, dass eigentlich nichts vorbereitet war.
Was soll´s, dachten wir und entschieden, dem Zug weiter entgegen zu gehen.
Selbst auf dem Weg nach Las Nieves war nichts zu sehen. Keine Autos der 80.000 Pilger und auch keine Menschen. Wir marschierten trotzdem weiter …den ganzen Weg bis Las Nieves.
Im Ort angekommen betraten wir etwas irritiert Kirche und dort saß die gar nicht reisefertige Jungfrau auf ihrem Thron.
Ich glaube, dass sie sich einen gekniggert hat, als sie uns reinkommen sah. ;-)

Nachdem wir wieder in Santa Cruz angekommen waren, betrachteten wir das Plakat der Bajada  Feierlichkeiten noch einmal und dort stand es dann auch….sie kommt erst am 12 Juli.
10 Km Wanderung (davon die Hälfte bergauf), in der Mittagszeit, unter der sengenden Sonne Spaniens und alles für die Katz. :evil:

Agromercado in Breña Alta – alles Bio

Sa., 04. Jul.15, La Palma, Tag 399, 2.587 sm von HH

Dass man der Werbung nicht alles glauben darf, trifft auch auf La Palma zu.
In Santa Cruz hängen Werbeplakate für einen Bio-Bauernmarkt in Breña Alta:
Frische, Qualität, regionale Produkte und Kunsthandwerk. Plus Hinweis auf eine eigene Homepage und facebook.
Auf diese Werbung falle ich herein.

 Der Bauernmarkt in Breña Alta ist ein Witz

In Santa Cruz ist wegen der Feierlichkeiten die Bushaltestelle verlegt worden. Daher muss ich mich zweimal erkundigen, wo der richtige abfährt. Keiner der befragten Busfahrer kann mit meiner Frage nach „Agromercado“ etwas anfangen.
Das verwundert mich, aber egal. Breña Alta kennen sie und so komme ich dort richtig an.

Als ich in der Markthalle stehe, wundert es mich nicht mehr, dass sich dieser Markt noch nicht herum gesprochen hat.
Was für eine traurige Veranstaltung: es gibt zwei Gemüsestände mit minimalem Angebot. Drei Tische mit gehäkelten Barbie-Puppenkleidern und Nadel-Kissen :roll: ,zwei Kuchenverkäufer, Jemand, der aus alten Zeitungen Taschen und Körbe geflochten hat und eine Käsetheke mit genau einer Sorte Käse.
Das Beste auf diesem Markt ist ein Typ mit seiner Saftpresse für Zuckerrohr.

Nach fünf Minuten bin ich rum :shock: und es sind noch 95 Minuten bis mein Bus für den Rückweg kommt.

Bei meiner zweiten Runde kaufe ich, damit ich überhaupt etwas habe, mutierte Riesen-Radieschen (Bio?). Das Angebot wird nicht größer… noch 85 Minuten.
Ein genaues Studium der Puppenkleider verhilft mir zur Erkenntnis, handwerklich gut gemacht, aber genau genommen, nicht schön… Immerhin, nur noch 80 Minuten.

Hier komme ich nicht weiter, die Zeit tot zu schlagen.
Zu meinem riesen Glück befindet sich neben der Halle eine Ausstellung, Museum wäre zuviel gesagt, die über Zigarrenherstellung informiert.
In der Region Breña Alta gibt es traditionell ein kleines Tabak-Anbau-Gebiet. Seit 150 Jahren dreht man hier in kleinem Umfang Zigarren.

Wie die Ausstellung zeigt, dreht man sie nicht auf den Schenkeln blutjunger Mädchen, sondern eine ältliche Dame erledigt das am Tisch.


Es gibt ein paar Monitore, die dreisprachig kleine Filmchen über Schnupftabak, Streichhölzer und Tabak im Allgemeinen zeigen.
Hier erfahre ich, dass die Tabakpflanze „Nicotiana tabacum“ ihren Namen dem Franzosen Jean Nicot verdankt. Dieser war von der Heilkraft der neu aus Amerika eingeführten Pflanze überzeugt. Er schickte zahlreichen, unter Zipperlein leidenden, Persönlichkeiten am Hofe die Wunderpflanze zu. So erreichte 1561 der Tabak die, unter Migräne leidende, Katharina von Medici. Das Schnupfen des Tabaks befreite sie wunderbarer Weise von Ihrem Leid und nun nahm der Schnupftabak ein Siegeszug durch Europa.

Ein paar Schaukästen mit Sammel-Alben von Zigarren-Banderolen (was es nicht alles gibt :shock: ) runden die Informationen ab.
Eine sehr hübsch gemachte Ausstellung. Noch 50 Minuten!

Ich gehe noch einmal über den Markt, die Lage ist unverändert.
Einmal die Hauptstraße und Nebenschauplätze abgelaufen… es verbleiben 20 Minuten.

Es gibt nichts mehr zu besichtigen am Parque los Alamos. Im Schatten vom Bushäuschen schreibe ich diesen Bericht ins Handy. Ich bin fast fertig als der Bus mit 15 Minuten Verspätung endlich kommt.

Außer Spesen nix gewesen: Das Bund Radieschen kostet, inklusive Fahrkarte, 5,20 EUR. Das ist doch mal ein Schnapper. ;-)

Die Mascarones – Los Gigantes y Cabezudos

Di., 30. Jun.15, La Palma, Tag 395, 2.587 sm von HH

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich zur Herabkunft der Jungfrau einige Bräuche entwickelt, die sich großer Beliebtheit erfreuen.
Diese haben mit der ursprünglichen Prozession nichts zu tun, werden aber bereits seit über 150 Jahren gepflegt.

Sehr populär ist die Parade der Riesen und Dickköpfe

Einige der Figuren stammen aus dem 19. Jahrhundert und nehmen Inselprominenz von anno dazumal oder Napoleon auf die Schippe. Da sich die Parade gerade bei Kindern großer Beliebtheit erfreut, sind viele Walt Disney Figuren aus jüngerer Vergangenheit dazu gekommen.

Der Hauptspaß für die Kinder besteht darin, dass drei, vier Großkopf-Hexen mit einem Besen bewaffnet Jagd auf die Kleinen machen.
Die Kinder, die sich trauen, zupfen am Umhang der Hexen. Wer sich dann nicht schnell genug in Sicherheit bringen kann, bekommt mit dem Besen etwas auf den Allerwertesten.
Unter großem Gequitsche und Geschrei flüchten die, die schnell genug sind.

Die ganz Kleinen, die noch an den Weihnachtmann glauben, gruseln sich furchtbar. Sie können jedoch, wie Beobachter eines Unfalls, einfach nicht weg gucken: die Faszination des Grauens.

 


Hinter den Hexen schreiten gemächlicher die restlichen Großköpfe her. Dicht gefolgt von den Riesen. Am Plaza de Espana beim Rathaus versammeln sich alle Figuren und sie führen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein kleines Tänzchen auf.

Die Riesen wirken dabei etwas statisch, da ihre Arme an Holzgestellen hängen und vom Träger nicht separat bewegt werden können. Die Großköpfe müssen aufpassen, dass ihnen nicht der Kopf verrutscht, wenn die Kinder sie bestürmen.

Für uns ist das eine große Klamauk-Veranstaltung. Diese lockt jedoch Alt und Jung vom Sofa hoch, denn die engen Gassen sind proppe voll und glücklich ist, wer vom eigenen Balkon den Riesen am Kopf kraulen kann.

 

P.S. Es ist übrigens die Frage bezüglich der Flagge geklärt – danke Tohmas und Reta  :-) –  plus freie Interpretation:
Es gibt drei Flaggen.
Das Original liegt im Safe, eine Kopie davon flattert über der Stadt und die dritte hat die besten „reinigende“ Wirkung. Somit ist doppelter „Beschiss“ im Spiel.
Aber das macht nichts, solange etwas wirkt und hilft ist alles gut.