Tag 18 ==> NZ – Der Wettbewerb gegen die Flaute

Do.,4.Nov.2021, Pazifik, Tag 2712, 24.345 sm von HH

Kurz vor dem Abendessen entdeckt Achim einen Riss in unserem Bimini. Wenn das reißt, hätten wir einen schlagenden Derwisch, der schwer zu bändigen sein dürfte. Der Wind bläst weiterhin mit plus/minus dreißig Knoten. Das Bimini muss runter. Der Riss sieht nicht gut aus.
Bereits vor der Reise gab es Diskussionen pro oder contra zu Bimini stehen lassen. Die Entscheidung ist uns nun abgenommen. Unser Bimini ist eine gewagte Konstruktion, bestehend aus drei Bügeln und vielen Quadratmetern Tuch, die sich bis weit vor die Sprayhood erstreckt. Gut am Ankerplatz, aber nicht mal eben abgebaut. Die Bügel sind solide 40 mm Rohre und werden nur von der gespannten Tuch-Konstruktion gehalten. Wer einfach die Reißverschlüsse der Halteröhren um die Bügel öffnet, wird von den Bügeln erschlagen. Wir sitzen einträchtig nebeneinander zur Besprechung der Vorgehensweise des Abbaus im Cockpit. Mein Blick geht zufällig nach rechts. Eine große Welle bricht sich an Atangas Bug. Der überschwappende Kamm ergießt sich aufs Deck. Zweihundert, dreihundert Liter auf Schlag. Die Hälfte davon landet in Achims Nacken. :-) Ich kann mich vor dem Schlimmsten durch Ducken hinter der Sprayhood bewahren.

Der Skipper legt sich trocken und wir beginnen mit dem Abbau. Der erfolgt fehlerfrei, so dass wir zwanzig Minuten später mit offenem Verdeck unterwegs sind. Die Bügel halten wir nun durch eine Seilkonstruktion an Ort und Stelle.

Der starke Wind hält noch bis 22:00 Uhr an. Knapp 3,5 Knoten schaffen wir gegen die Wellen anzubolzen. Dann geht er kontinuierlich runter. Endlich. Um Mitternacht sind wir bei 18 bis 20 Knoten angekommen. Wir nehmen das dritte Reff aus den Segeln. Wir würden lieber untertakelt gemütlich segeln, aber wir haben es eilig. Wenn das Tief, was uns im Augenblick so auf Trapp hält, vorbei gezogen ist, soll für fünf Tage eine Flaute folgen. Bis wir die erreichen, wollen wir so nah an Neuseeland ran gekommen sein, das wir die Restmeilen motoren können. Je nachdem wie die Bedingungen sind (Strömung, Welle) können wir zwischen drei bis fünfeinhalb Knoten schnell motoren.

Wir haben beim Ausreffen noch 350 Restmeilen zu segeln. Sind die Bedingungen optimal, reicht rechnerisch der Diesel ab hier. Aber das würde Null Reserve bedeuten. Genau das richtige für den Skipper :mrgreen: Ich bin ja immer für ein Leben am Limit zu haben. Unvergessen, dass ich mit dem Auto mit drei Restkilometer im Tank an die Tankstelle gefahren bin. Da steht Achim der Schweiß auf der Stirn.

Wir rumpeln und donnern also den Wellen zum Trotz entgegen. Nachdem wir das Rennen gegen das Tief verloren haben, starten wir einen neuen Wettbewerb: Ladies und Gentlemen, der Wettlauf gegen die Flaute hat begonnen.

Um 7:00 Uhr reffen wir dann komplett aus – noch 15 Knoten Wind. Die schlimmste Windwelle verschwindet zum Glück ja immer recht schnell, so dass wir wieder recht komfortabel unterwegs sind. Noch immer Wind von vorne. Im Laufe des Vormittags schläft er ein: 12 Knoten, 10 Knoten, 8 Knoten … Nein, das darf nicht sein. Wir wollen den Wettbewerb unbedingt gewinnen. Wir brauchen noch Wind für 50 bis 80 Meilen, damit auch Achim sich wohl fühlt. Die Götter haben ein Einsehen und schicken ach einer Stunde erneut um die 12 Knoten Wind. Wir sind wieder im Spiel.
Das Leben an Bord kehrt bei fünf Windstärke zum Normal-Zustand zurück. Nasse Socken, tonnenweise Handtücher und T-Shirts hängen in der Sonne zum Trocknen. Und wir können in der Achter-Kajüte wieder lüften. Dort roch es zwischenzeitlich nach einer Mischung aus faulen Kohlrabi-Blättern und Käfighaltung. Es wird auch wieder geduscht. Noch immer im Cockpit. Die Sonne schickt wohl warme Strahlen, allerdings schneidet der Wind eisige Furchen in die Haut. Seit den Kap Verden haben wir nicht mehr in unserem Bad geduscht. Die Feuchtigkeit ins Schiff zu tragen, muss nicht sein und die Wände (alles aus Holz bei uns) und die Toilette sind unweigerlich nass gespritzt. Das Holz kann das zwar ab, aber die trocken Wischerei … Augen roll … da hat keiner von uns Lust dazu. Und außerdem liegt dort jetzt auch noch das pudelnasse Bimini aufgerollt. Also wird tapfer draußen geduscht. Mit warmen Wasser aus dem Kessel. Das Meer hat nur noch 18,5 Grad. Brrr.

Essen: Heute kommen die von mir so gefürchteten Ravioli aus der Dose in den Topf. Ich bin total im Eimer. Diese Anstrengung mich auf den Beinen zu halten, die Bimini-Aktion, zwei Nächte fast ohne Schlaf. Ich könnte im Stehen einschlafen. Den Niedergang hoch zu klettern, um nach dem Rechten zu schauen – eine Qual. Beide Hände an der Leiter ziehe ich mich schlapp die sechs Stufen hoch. Bitte keinen Drücker auf die Seite, wenn ich auf den Stufen stehe. Nach fünf Stunden Schlaf und mit dem abnehmenden Wind geht es besser. Die Lebensgeister sind wieder da. Aber Ankommen wäre nun doch sehr willkommen.

Tagesmeilen – 88 – Restmeilen direkter Kurs: 321
Position: 31° 59,7 S – 179° 08,5 O

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