Das Multitalent

19.02-06.03.25, Australien/QLD/Bundaberg, Burnett Heads, Tag 3917-3932

Krankenbruder, Koch, Abwäscher, Chauffeur, Kammerdiener und Kaltmamsell. Achim beherrscht alle Jobs (Herzchen in den Augen Emoji). Ich kann nicht viel machen, außer in homöopathischen Dosen den Tisch abräumen und aus einer liegenden Position Kommandos bellen. :mrgreen:

Die ersten sechs Tage nach dem Unfall wohnen wir nicht schlecht. Die kleine Hütte hat zwei Schlafzimmer und einen Wohn-Küchenbereich. Ich bekomme das große Bett, Achim das Kinderzimmer.
An Tag drei ist der Arm lila-schwarz und auf das Doppelte angeschwollen. Unter der Achsel und in der Ellenbogenbeuge steht dauerhaft der Schweiß. Zum Duschen hat Achim mir einen Arm-Gurt gebastelt, so dass ich da schon ab Tag zwei keine Hilfe benötige (Madame lässt sich aber noch die Füße waschen ;-) ). Ich bekomme nicht meine Hand zwischen Arm und Körper zum Waschen. Zuviel Material, zu unbeweglich ist die Schulter. Schneller als ich erwarten würde, wird die Haut wund. Leichter Puma-Geruch macht sich breit.
Nach fünf Tagen ist der Bluterguss Richtung Ellenbogen und Unterarm abgesunken (normal). Dieser Bademantelgurt, der den Arm in Stellung hält, tut was er soll. Nur liegt das gesamte Gewicht des Arms in einer Schlaufe. Die Schwellung wird am Unterarm in zwei mächtige Beulen geteilt. Mein Ellenbogen ist zum Platzen prall.
Als wir Doktor Hand fragen, ob es nicht was Besseres gibt als den Bademantelgürtel, schüttelt der den Kopf. Kaum zu glauben, das Internet ist voll mit Fotos von wunderbaren Armschlingen.

Die erste Armschlinge ist ungut. Am Unterarm wird der Bluterguss stark gequetscht. Die abgeschnittenen Kabelstraps-Enden schneiden in den Arm – vor allem beim Schlafen. Mehrmals ändert Achim das System für mich. Am Ende lassen wir die Enden stehen. Besser, aber immer noch Ingenieur-Murks. Klamotten-technisch bin ich ebenfalls gut unterwegs, Ich habe kein einziges Oberteil mit Knöpfen, aber Achims Hemden passen über den gebeugten Arm. Immerhin.

Tag 10 nach Null habe ich endlich meinen Termin bei Doc Schulter. Nach einem erneuten Röntgen bestätig er, dass keine OP nötig sein wird. Puh, ich bin erleichtert. Und Schulter hat auch endlich eine bessere Armschlaufe für mich.

Nach sechs Nächten müssen wir raus aus der Luxus-Hütte. Wir ziehen von Bundaberg ins 17 Kilometer entfernte Burnett Heads auf den nächsten Campingplatz. Nur zwei Kilometer vom Schiff entfernt. Die Hütte ist ein Einraum-Wunder. Das Bett ist sehr schmal und so weich, dass Achim und ich in der Mitte zusammenrollen.
Ich kann noch immer nur im Halbsitzen schlafen. Wache zig Mal auf, muss den Arm umlagern und zwischendurch aufstehen. Um Mitternacht ist klar, das funktioniert so nicht. Achim holt aus dem Auto die Luftmatratzen und schläft ab sofort auf den Boden. Wie oft er denkt, „hätte sie nur am Strand auf meine Warnung mit dem Sand gehört“, verrät er mir nicht. ;-)

Achims Schlafplatz in der kleinen Hütte. Schnief.
Wie ich das wieder gut mache, ich weiß noch nicht.

Zum Glück haben wir auch diese Hütte nur für sechs Nächte mieten können. Für eine Familienfeier ist seit Wochen für einen einzigen Tag alles reserviert.
Wir ziehen für diese Nacht ins gegenüberliegende Motel. 180 Dollar (110 Euro) für eine Nacht! Was für eine Absteige! Leichen könnten unter dem Bett liegen oder Tarantino klopft an die Tür. Mit einem Schuss-Loch in der Hand und fragt nach einem Eiskübel.
Aber es gibt vier Betten, Achim bekommt das Große.

Das Motelzimmer. Wie im Krimi. Das Fenster mit dem Vorhang zum Gang kann man nie benutzen, weil ja draußen die Serienkiller vorbei kommen.

Jetzt mit einer guten Armschlinge.

Nach einer Nacht ziehen wir das vierte Mal um – zurück auf den Campingplatz. Und mieten für eine Woche (bis Montag 9.März) eine große Hütte (142 Dollar (85 Euro) die Nacht und bei sieben Nächten gibt es eine umsonst – was für ein Angebot im Vergleich zum Motelzimmer). Ein Traum. Zwei Schlafzimmer! Ich kann nachts wühlen so viel ich will. Wir schlafen beide prima.

Die beste Hütte.

Die Aussicht von der Cabin-Terrasse. Mit Meerblick und manchmal kommen Kängurus vorbei.

Arm-technisch geht es auch voran. Die Schulter schmerzt von alleine gar nicht mehr, nur falsche Bewegungen hauen noch etwas rein. Kummer bereitet der Ellenbogen. Inzwischen halb steif (Wahnsinn wie schnell das geht), noch immer geschwollen und heiß. Durch den heftigen Bluterguss und vielleicht das Abklemmen durch den doofen Gurt hat sich eine Entzündung entwickelt. Ich habe mir eine Physiotherapie gesucht (das Krankenhaus wollte sich auch diesbezüglich melden, leider passierte dort nichts). In der Physio habe ich Massage bekommen und eine Kompresse angelegt. Das scheint gut zu helfen. Die Schwellung und Schmerzen gehen zurück.

Ein drittes Röntgenbild  (Tag 16 nach Null) zeigt, dass der Knochen noch an der richtigen Stelle sitzt. Erster Knochenkitt soll sich auch schon gebildet haben. Und ein Termin mit der Krankenhaus-Physioabteilung ist ebenfalls erfolgreich zu Stande gekommen. Erste passive Übungen für den Ellenbogen sind erlaubt.

Die ‚Lücken‘ an der Bruchstelle sollen irgendwann mit Knochenmasse aufgefüllt sein (?? okay!).
Wer sich mit Röntgenbildern auskennt: das schief angewachsene Schlüsselbein oben rechts ist 35 Jahre alt und macht keine Probleme. Ich wusste bisher nicht, dass es so komisch verwachsen ist.

 

Und wie geht es Atanga?

Als wir sie von unten in Augenschein nehmen, trauen wir fast unseren Augen nicht: Gut sieht unser altes Mädchen aus! Nicht wie vor 15 Monaten einfach abgestellt. Ich komme über die Leiter nicht an Bord, aber Achim berichtet, weder Schimmel noch Tiere oder Wasser haben ihren Weg ins Innere gefunden. Ein riesiger Stein fällt uns vom Herzen.

Mechaniker, Elektriker, Installateur, Schleifer und Ersatzteilbesorger.
Neben seinem Nebenjob als Krankenbruder hat Achim gleich noch ein paar Aufgaben mehr. Alles bleibt an ihm hängen. Während ich in der klimatisierten Hütte lese, mit dem Handy daddel, lese, Nickerchen mache, lese und, halt!, als Tagesleistung den Müll raus trage, schuftet sich der beste Ehemann der Welt die Seele aus dem Leib.

Morgen kommt Atanga ins Wasser. Achim hat Gas gegeben. Die Tagesgebühren auf dem Arbeitsbereich sind ausgesprochen hoch (42 Euro am Tag). Und wenn das Schiff schwimmt, können wir beide an Bord wohnen. Noch ist nicht klar, wie wir mich an Deck hieven werden.  ;-) , aber alles findet sich.

 

Alfred

Und dann gibt es auch noch Alfred. Der hat uns ja zu unserem perfekten Glück noch gefehlt. Alfred ist ein Zyklon der Klasse zwei hatte zunächst direkt Kurs auf Bundaberg genommen. Atanga ist zwar mit vier Erdankern gesichert, aber Windstärken bis 150 Stundenkilometer machen ein unruhiges Gefühl. Dazu kommen sintflutartige Regenfälle, die wahrscheinlich die Arbeiten unterbrochen hätten. In Bundaberg sind Zyklone äußerst selten, daher haben wir uns auch so sicher gefühlt mit diesem Standort.
Nach ein paar Tagen dann Entwarnung. Alfred hat sich entschieden im Abstand von dreihundert Kilometer von der Küste weiter nach Süden zu ziehen. Um dann nach zwei Tagen  einen Haken zu schlagen und zurück zu kommen. Während ich dies schreibe, trifft er auf der Höhe von Brisbane auf Land. Seit 51 Jahren ist das der erste Zyklon so weit südlich. Leere Geschäfte, geschlossene Schulen, 400.000 Sandsäcke. Die Bevölkerung ist vorbereitet und wachsam. Es wird örtlich mit Regenmengen von bis zu einem Meter gerechnet. Good luck für Alle.

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5 Gedanken zu „Das Multitalent

    1. Sabine

      Hallo liebe Anita,
      Du weißt schon, dass dies fast 11 Jahre sind?
      Tapfer! :mrgreen:

      Ich freu mich immer total, wenn sich jemand der ‚ersten Stunde‘ meldet. Herzlichen Dank für Deinen Kommentar.
      Die Atangas

      Antworten
      1. Anita Spielmann

        Hallo Sabine ,schön das es mit deiner Schulter aufwärts geht. Ich habe vor zwei Jahren auf einer Reha eine Frau kennengelernt die auch eine Schulter Verletzung hatte ,allerdings mit O.p.ist alles nicht so lustig.Ein Glück das es bei Dir nicht unterwegs passiert ist als Ihr im Landesinneren ward.Wenn Eure Atanga wieder im Wasser ist kann es nur aufwärts gehen. Alles Gute für Dich und Deinen Lieben Mann . Liebe Grüße aus Collenberg

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  1. Elke Hofmann

    Gute Besserung! Erinnert mich an meinen erstenbubdceknzufen Bruch: Ellbogen soeichenköpfchen – ein schmaler Russ zig dich durch: Gips! In knallrot. 3 Wochen Bootsverleih auf der Ostsee standen vor der Tür. Der damals noch nicht angetraute trug sein Schicksal ohne murren. Waren ja zwei Teenager als Crew am Bord. Und Anweisungen erteilen, wann der beste Zeitpunkt zum Sprung auf den Steg war, konnte ich ja noch. Am Ende des Törns hab ich allerdings fender und festmacher so routiniert geschwungen, das mich eine Regattacrew anheuern wollte . Quasi als Handicap. Man kann auch einhändig gut an Bord klar kommen. Verheilt war trotzdem alles toll, aber die anschließende Physio war anstrengend. Unglaublich, wie schnell Muskeln sich förmlich auflösen. Stand innere Dusche und wollte Haare waschen. Das ging nicht wie gewohnt, weil ich den Arm gar nicht hoch genug bekam.

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    1. Sabine

      Hallo liebe Elke,

      tapfer wie Du das durchgezogen hast. Ich merke auch, wie ich jeden Tag geschickter mit links werde.

      Wann wir Richtung Norden aufbrechen, lassen wir entspannt auf uns zukommen. Ich möchte schon stabil mit der rechten Schulter agieren können
      LG (Morgen geht es zurück aufs Schiff)

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