07.08.25, Neukaledonien/Île Ouen, Port Koube; Tag 4.086; 29.243 sm von HH
Unsere Abfahrt aus den Mangroven-Flüssen verschiebt sich. Ein Tiefdruckwirbel in der Tasman-Sea erreicht Neukaledonien. Die vorhergesagten 39er Böen bleiben in der Front aus, dafür bringt uns die Rückseite kräftigen Wind mit viel Regen. Wir bleiben auf dem Schiff. Nach drei Tagen Home-Office ist das Schlimmste vorbei, wir wollen weiter. Als wir Anker aufgehen, bleibt die befürchtete Schlacht mit dem roten Schlamm aus. Kette und Anker sind blitzsauber. Das mag verstehen, wer will. Unser Cruising-Guide hält wilde Beschreibungen darüber parat.

Typisches Tief im Winter in der Tasmansee. Riesig groß wird der halbe Westpazifik mit viel Wind erfreut. Und auf der Rückseite hinterlässt er ein Chaos an Winddrehern. Plus Regen. foto credit: windy

Die Leinen für die Ankerentlastung sind stark verfärbt. Schlamm ist also unterwegs in der Mangrovenbucht.
Der kräftige Westwind hält an, wir brauchen eine Bucht mit Schutz. Nur dreizehn Meilen weiter finden wir das Richtige für uns. Die Einfahrt zwischen den Riffen ist schmal, aber auf die Franzosen ist Verlass. Die Navionics-Karten sind exakt.

Neukaledonien erscheint uns relativ arm an Riffen an den Ankerplätzen. Es gibt nicht die Unterwasser-Korallenberge wie in Polynesien. Aber eng an Riffen vorbei zu fahren, fördert den Blutdruck.
Wir haben die große Bucht für uns alleine. Mit dem Kajak geht es an Land. Der Strand ist rot-braun. An den Rändern wachsen Mangroven. Bei Ebbe bietet das herrliche Matsch-Wanderungen.

Noch Osten offene Bucht. Nach langer Zeit finden wir wieder Müll am Strand.
Neuseeland und Australien sind, dank glücklicher Strömungen, fast Müll frei.
Die echten Schätzchen der Bucht finden wir am Ufersaum. Schon halb vom Sand vergraben: Perlboote. Oder auch Nautilus-Schalen. Erst eine – wir zählen uns schon zu den Glückspilzen – dann schauen wir genauer hin. Am Ende entdecken wir mehr als zwei Dutzend Stück. Alle sind stark verwittert. Die braunen Streifen ausgebleicht. Und alle haben Beschädigungen.
Nautilusse oder Nautili sind erstaunliche Tiere. Sie leben tagsüber in 300 bis 500 Meter Tiefe. Nachts steigen sie bis auf 50 Meter auf und suchen hier nach Futter. Aas, Krebse und kleine Fische.
Als Kopffüßler sind sie mit Tintenfischen verwandt. Nur die Tentakeln und Augen schauen aus der Öffnung der Schale. Der gesamte Körper – eher ein Verdauungssack – steckt in der letzten Kammer Richtung Öffnung der Schale.
Bei Gefahr kann diese Kammer mit einem Horndeckel verschlossen werden. Die anderen Kammern der Schale sind mit Luft oder Wasser gefüllt und dienen dem Perlboot zur Steuerung. Ähnlich wie ein U-Boot mit Ballasttanks: Wasser rein – sinken; Wasser raus, Gas rein – steigen.
Die Schale wächst spiralförmig mit. Jede neue Kammer ist 1,25-mal größer als die vorherige. Eine perfekte logarithmische Spirale entsteht. Wenn der Nautilus zu groß für seine Wohnkammer wird, verlängert er das Ende seiner Schale. Sobald der Anbau fertig ist, zieht er um. Hinter sich fängt er an, eine Kalkwand zu errichten, die ihn von der alten Kammer trennt. Ist diese Wand fertig, wird sie zur Auftriebskammer umfunktioniert. Bis zu dreißig Mal passiert dieses Bauwunder im Leben der Nautilusse.
Fressfeinde wie Haie und Barrakudas knacken die Schalen kaputt. Kraken können den Nautilus ohne Beschädigung seiner Hülle fressen. Um ihren Bewohner beraubt, schwimmen diese Schalen auf und landen am Strand.
Wir suchen die zwei besten Schalen raus und nehmen sie mit an Bord. Besonders selten scheinen Perlboot-Schalen ja nicht zu sein in Neukaledonien. Ich bin skeptisch, ob wir die Schalen behalten dürfen. Eine Recherche im Internet gibt eine halbe Entwarnung. Das Thema ist eine Grauzone.
Perlboote stehen unter Artenschutz. Das Fangen und Töten ist verboten. Frische Schalen sind ebenfalls geschützt, weil sie als Teil des Tieres gelten. Alt, verwittert und angespült wird der Besitz meistens toleriert.
Hmm, „Grauzone und meistens“, das klingt nicht vertrauenserweckend. Außerdem sind die Schalen sehr groß. Wohin damit? Und sie sind schon arg kaputt. Lohnt sich das Aufbewahren oder stauben sie nur voll?
Auf einigen Pazifikinseln glaubte man, dass die Schalen einem Ohr gleichen mit dem die Götter die Gebete der Seefahrer hören. Ein Kapitän, der ein Perlboot mitführte, sollte immer Glück auf See haben. Dieser Mythos spricht für „behalten“. Ein bisschen Aberglaube kann ja nicht schaden.
Wir legen die beiden Schalen ins Cockpit auf die Bank für ein paar Fotos am nächsten Tag. Und dann wollen wir entscheiden: behalten oder Seebestattung.
Dieser Fehler soll uns am nächsten Morgen noch in Schwierigkeiten bringen.