Warum wir die halbe Nacht auf See verbrachten

Sa., 05.Nov.16, Grenada – St. George’s, Tag 889, 8.288 sm von HH

Wie schrieb ich gestern so beiläufig: „es ist kein Vergnügen bei Nacht in eine Bucht einzulaufen“?
Was für eine selten dämliche Untertreibung. :mrgreen:
Wir hätten ‚beinahe Schiffe‘ versenken gespielt.

Bei der Annäherung an die Bucht sehen wir, dass eine von vier Fahrwasser-Tonnen tatsächlich rot blinkt. Immerhin eine Quote von 25 Prozent.
Der Wind, der uns auf 650 sm fehlte, ist nun auch da. Boen von 20 Knoten und eine Strömung von einem Knoten treiben uns in die Bucht. Eine müde Mondsichel schafft nicht wirklich Erleuchtung.
Die Fahrrinne ist schmal. Zweihundert Meter. Das klingt nach viel, ist nachts jedoch nur die Hälfte wert.

Wir halten auf das rote Licht zu. Ich gehe nach vorne, um mit der Lampe nach den unbeleuchteten Tonnen, ankernden Schiffen oder sonstigem Zeug zu leuchten.
Achim geht runter mit der Geschwindigkeit auf zwei Knoten. Wir können ja nicht mit fünf Knoten in das dunkle Loch schießen.
Wir werden sofort vertrieben. Ohne entsprechende Geschwindigkeit im Schiff erfasst uns der Wind und drückt uns auf die grüne Tonnen-Seite. Achim hält dagegen. Keine Chance. Wir brechen ab. Zu gefährlich.

Jetzt kommt Plan B zum Zug: Ankern in der nächsten Bucht. Diese ist zwar klein, aber offen in der Einfahrt. Hinter dem Riff zur windzugewandten Seite biegen wir ein. Viel Schutz bekommen wir nicht. Der Wind heult übers Schiff. Auch Welle und Strömung sind noch nicht abgerissen.

Die Meinungen an Bord gehen auseinander. Ich bin für Abbruch, Achim nicht.
Er gibt die Kommandos, er ist der Skipper. Demokratie wird in diesem Augenblick ganz kleingeschrieben. Eine Abstimmung ist bei zwei Personen witzlos, also kommt das Kommando: „Anker fallen lassen“
Was für eine Idee. :mrgreen:

Der Anker fällt. Und denkt überhaupt nicht daran zu greifen. Nach uns greifen aber Strom und Wind.
Mit einem Knoten Speed treiben wir auf die andere Seite der Bucht. Mit Grauen sehe ich auf die Instrumente. Ich brülle die Infos nach vorne zum Ankermann.

Ich will den Abbruch, das halten meine Nerven nicht aus.

Nun kann man beim ‚Anker auf‘ nicht einfach auf das Knöpfchen für die Ankerwinsch drücken und die Kette in den Ankerkasten rauschen lassen. Die Kette bildet beim Reinholen unangenehme Haufen. Diese müssen mit der Hand an die Seite geschaufelt werden. Entsprechend länger dauert es, den Anker wieder hoch zu ziehen.
In der Zeit treiben wir munter auf die andere Seite der Bucht. :shock:

Ich kann nicht viel tun, sondern muss auf die Info von vorne warten, dass der Anker oben ist. Endlich kommt die Erlösung. Ich gebe Gas. Bloß raus aus der Bucht. Gefühlt war es knapper als es wahrscheinlich in Wirklichkeit war. Die Nerven liegen trotzdem erst mal blank. Das gibt Mecker für den Käpt’n. :-)
Draußen haben wir dann Platz und Zeit einen Plan C zu diskutieren. Einig sind wir uns, dass es keinen weiteren Ankerversuch mehr geben wird!

Ich bin für auf und absegeln bis zum Morgengrauen. Achim ist dagegen. Da er heute schon einmal der Bestimmer war, wird ernsthaft über meinen Vorschlag nachgedacht.
Schnell sehe ich ein, dass auch das Blödsinn ist: Richtung Nord-Osten segeln können wir nicht, da ist die Spitze von Grenada im Weg. Richtung Süd-Osten geht auch nicht, da kommt der Wind her. Richtung Nord-Westen wollen wir nicht, das bringt uns zu sehr aus der Spur für den Weg zurück.
Also bliebe Süd-West. So hoch am Wind wie möglich. Wir legen unter Maschine den Kurs an.
Nein danke. Es kommt uns eine fiese Welle von einem knappen Meter entgegen. Darauf hat nach dem Theater keiner von uns Bock.

Also Plan D.
Ab nach St. George’s. Die große Bucht davor kennen wir von unseren Dinghy-Ausflügen als der Außenborder neu war. Die ist riesig und gut geschützt.
Bis dahin sind es zwölf Meilen, die wir Morgen gegen Wind und Welle wieder zurück müssen, aber das ist jetzt egal.

Auf halber Strecke kommen wir an der Prickly-Bay vorbei. Das ist eine der beliebtesten Buchten auf Grenada. Dort ankern unglaublich viele Yachten, die auf die Hurrikan-freie Zeit warten. Wir überlegen kurz dort rein zu fahren. Aber die Bucht kennen wir nicht und bevor wir wie die Trottel durchs dicht belegte Ankerfeld slippen, fahren wir durch bis St. Georges.

Auch dort ist es recht voll, so dass wir uns weit außerhalb eine flache Stelle auf acht Meter suchen zum Übernachten. Der Anker hält sofort.
Wir bleiben noch drei Stunden wach zur Ankerwache. Das gibt genug Zeit zur Manöverkritik. ;-)

2 Gedanken zu „Warum wir die halbe Nacht auf See verbrachten

  1. Hermann Engl

    Oh liebe Kollegen, wieso kommt Ihr überhaupt auf die Idee an der Ostküste Grenadas ankern zu wollen? Die Karte erzählt doch auf den ersten Blick wie heikel das ist dort. Dazu die Windrichtung im Passat. Ich war mehrfach dort unterwegs. Immer schön in Lee bleiben!

    Antworten

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