Umgeworfen und außer Gefecht gesetzt

16.-18.02.25, Australien/QLD/Rainbow Beach, Gympie, Bundaberg,Tag 444-446

Unsere letzte Woche Roadtrip liegt vor uns. Zum Abschluss wollen wir auf die größte Sandinsel der Welt, nach Fraser Island. Dort darf man nur mit einen 4×4 Auto rauf, dann aber Dünen hoch und runter pieken und am Strand entlang heizen.
Zum Einstimmen campen wir vorher noch am Rainbow Beach. Der Strand hat seinen Namen von vielen verschiedenen Farbschichten im Sand. Vom Stellplatz sind es nur 200 Meter. Wir wollen bunten Sand sehen und schlendern zum Strand. Badezeug haben wir auch gleich drunter.

Wegen starker Unterströmungen wird eindringlich gewarnt nur an bewachten Abschnitten zu baden. Ein Test bis zu den Knien im Wasser bestätigt die Warnung. Allerdings ist der kräftige Sog seitlich, fühlt sich ungefährlich an. So kann man sich irren. ;-)
Das Wasser ist schön warm, die Wellen vielleicht einen knappen Meter hoch. Zwei Dutzend Besucher amüsieren sich in den Fluten. Ich möchte auch. Achim winkt ab: „Schau, wie viel Sand hoch gewirbelt wird. Da hat man gleich die Badehose voll. Ich verzichte.“ Dieser Hinweis ist wichtig für den weiteren Verlauf der Geschichte. Jeder weiß das mit der vollen Badehose und hätte mich das bloß abgeschreckt.

Der Gatte ist so freundlich am Wassersaum mit meiner Brille in der Hand zu warten. Ich stürze mich ins Vergnügen, erreiche die Kante, wo sich die Wellen brechen. Köpper rein. Wieder auftauchen. Macht Spaß. Die zweite Welle ist etwas höher und bricht sich etwas früher. Eintauchen ist nicht. Ich werde überspült. Mir reißt es seitlich die Beine weg, verdammt flach hier. Ich knalle mit der Schulter auf den Sand. Knack! In meiner Schulter bricht etwas kaputt. Ich rappel mich hoch. Instinktiv drücke ich mit der linken Hand den rechten Arm eng an die Brust. Ich stapfe mich durch den Schaum zurück Richtung Ausgang. Jetzt bloß keinen Brecher von hinten.
Ohne noch einmal von den Füßen gerissen zu werden, erreiche ich Achim, der mich fragend anschaut. „Ich hab mir was gebrochen“.

Symbolbild – Hinweis an der Westküste: Alles will einen töten in Australien.

Achim führt mich zum Stand der Rettungs-Schwimmer. Im Schatten kann mich auf einen Stuhl setzen. Die Schmerzen nehmen zu.
Ich höre, wie über einen Krankenwagen diskutiert wird. Drei Rettungs-Helfer sind im Einsatz. Die junge Frau bietet mir Eis zum Kühlen an. Ein Krankenwagen wird gerufen. „Wird etwas dauern“, heißt es.
Ich kann nur sitzen und meinen Arm halten. Auf keinen Fall darf ich den los lassen, dann sind die Scherzen höllisch.

Jetzt wird es etwas unappetitlich :mrgreen: , aber der Vorfall ist neun Tage her und ich kann inzwischen drüber lachen.
Während ich so sitze, merke ich, dass mich ein Durchfallreiz befällt. Ich erzähle Achim von meinem Problem. Der fragt, ob eine Toilette in der Nähe sei. Ich möchte das eigentlich aussitzen, aber die Rettungs-Schwimmer warnen mich eindrücklich vor einer Stunde Fahrzeit bis zum Krankenhaus. Ich entscheide mich für die Toilette.
Ein älterer Herr der Rettungswacht macht den Strand-Buggy klar. Die junge Frau wird als meine Begleitung bestimmt. „Hast du eine Schere, nimm die mit“, bitte ich Becky. Mir ist sonnenklar, die wird gebraucht.

Die Buggy-Fahrt zur Toilette bekommt das Siegel ‚geht so‘. Im Klohäuschen bitte ich Becky, dass sie mir die Träger vom Badeanzug aufschneidet. Sie ist zögerlich, aber unfassbar hilfsbereit. Sie schneidet die Träger auf und zieht mir den Badeanzug runter. Ich schaffe es rechtzeitig auf die Toilette. An das Papier komme ich nicht heran. Becky reißt passende Stücke für mich ab. Den Hintern schaffe ich mit Zähne zusammen beißen und unter Tränen alleine. Meinen kaputten Arm kann ich auf den Oberschenkeln ablegen. So geht es.
Becky spült. Becky zieht mir den Badeanzug wieder hoch – zumindest bis zur Hüfte. Der Rest ist ja kaputt.

Inzwischen ist der Krankenwagen da und der Ablauf besprochen. Achim wird das Dachzelt und unseren Kram zusammenpacken (auch hier steht Becky hilfreich zur Seite, packt bei Achim fleißig mit an – ich bin grade auf der Suche nach dieser hilfsbereiten, reizenden Person, um mich noch persönlich zu bedanken) und wird hinter mir her zum Krankenhaus kommen.

Im Krankenwagen bekomme ich Schmerzmittel. Als die anfangen zu wirken, bemerke ich das erste Mal, dass ich von oben bis unten mit Sand voll bin. Die Haare, Ohren, der Badeanzug. Ich sitze mit dem Hintern im nassen Sand.

Die Fahrt zum Krankenhaus nach Gympie zieht sich. Erschütterungen sind meine Freunde nicht. Dann Notaufnahme. Alle nett. Ich muss von der Trage in ein Notaufnahmebett umsteigen und ziehe eine Sandspur hinter mir her.
Achim trifft ein. Eine junge Ärztin, Samantha, kümmert sich. Es gibt noch bessere Schmerzmittel für mich. Röntgen kommt als erstes. Der Oberarmkopf ist gebrochen. Samantha hält uns auf dem Handy ein Röntgenbild unter die Nase. Ob eine OP nötig sein wird, kann sie nicht beurteilen. Sie telefoniert mit einem „Knochenarzt“. Der ordnet ein CT an. Das CT erfolgt, aber inzwischen ist der Sonntagnachmittag dem Abend gewichen. Das CT sieht sich heute keiner mehr an.

Achim und ich haben in der Zwischenzeit entschieden, dass wir weitere Behandlungen nicht in Gympie vornehmen lassen wollen, sondern Richtung Schiff, nach Bundaberg fahren wollen. Wer weiß, was noch alles auf den Arm zukommt.
Ich bekomme eine Armschlinge verpasst. Die hält den Arm ruhig und eng an die Brust gedrückt. Es ist ein weiches Gurtband, wie ein Bademantelgürtel, nur etwas steifer. Die Schlaufen für Arm und Hand werden mit Kabelbindern zusammengehalten. Hightech made in Australia.

Samantha kümmert sich um den Papierkram. Telefoniert in Bundaberg mit den Krankenhäusern, wer sich um mich kümmern kann. Schreibt eine Überweisung und stellt ein Rezept für harte Schmerzmittel aus. Für die Nacht und den Transport am nächsten Tag versorgt sie mich mit Pillen aus dem Krankenhaus-Fundus.

Nach fünf ein halb Stunden sind wir fertig. Ich liege noch immer in meinem zerschnittenen Badeanzug mit Sand in der Büx. Es gab ein Angebot einer Schwester mir Feuchtetücher zu geben. Ich habe abgewunken. Ohne Dusche keine Reinigung möglich.

In der Notaufnahme – Schmerzmittel wirken – halbe Miete. Die Sandlache unter mir ist nur spürbar. :mrgreen:

Achim fährt mich zum angemieteten Motel. Ich will nur eins: unter die Dusche und den Sand los werden. Beim Buchen hat Achim die Spendierhosen ausgezogen: ein angenehmes Zimmer mit ebenerdiger Dusche in die wir zu zwei rein passen.
Die Armschlinge kommt ab. Ich halte den Arm, Achim wäscht. Gemeinsam schaffen wir es, mich unfallfrei vom Sand zu befreien. Der ist inzwischen bretthart getrocknet und lässt sich kaum abrubbeln.
Dann liege ich endlich im Bett. Versehentlich nehme ich zwei von den Superhämmern (Oxycodon, ein Opioid). Viel hilft viel. Mir ist erst etwas schwummerig, aber ich schlafe bis früh in den Morgen.

Nach Bundaberg ist es nicht weit. Nur zwei Stunden Fahrt. Achim versucht eine Cabin auf einem der sieben (!) Campingplätze in Bundaberg zu mieten. Eigenes Bad und Küche sind Pflicht. Mit zunehmenden Absagen, werden wir nervös. Dann endlich eine Zusage bei Camp Nummer vier. Allerdings nur für sechs Tage, dann müssen wir wieder ausziehen. Nehmen wir!

In Bundaberg versucht Achim das Rezept einzulösen. April, April. Die Apotheke schickt ihn weg. Formfehler im Rezept. Keine Chance, gefährliches Drogen-Medikament, keine Ausnahme möglich. Im „Medic Help Center“ ebenfalls eine Absage. Im Krankenhaus hat Achim dann Erfolg und kann auch gleich meine Überweisung plazieren, meine Daten wurden bereits aus Gympie übermittelt. Morgen früh soll ich in der Notaufnahme erscheinen.

Um 8:00 Uhr sind wir da. Papierkram. Um 9:00 Uhr sind wir wieder raus, weil die Notaufnahme der falsche Anlaufpunkt ist. Um 13:30 Uhr sollen wir in der Ambulanz erscheinen. Noch einmal viel Papierkram, ungeachtet der Tatsache, dass wir morgens schon alles ausgefüllt haben.
Wir sollen Platz nehmen. Der Wartesaal ist voll. Zur Nervenberuhigung der Wartenden läuft schon gleich ein Lichtband mit dem Hinweis: “ Zwei Stunden Wartezeit sind normal“. Ein Schild warnt, dass Pöbeleien nicht geduldet werden.
Irgendwann werde ich zum Röntgen aufgerufen. Um 17:00 Uhr sitzen wir noch immer da. Wir sind die letzten. Eines der angrenzenden Arzt-Zimmer geht auf. Ein junger Asiate ruft einen unverständlichen Namen. Das kann ja nur ich sein. Nö, mich kennt er nicht. Nach Nachfrage an der Rezeption kommt der junge Mann zehn Minuten später wieder und ruft nun doch meinen Namen. Man hatte mich wohl vergessen.

Im Behandlungszimmer leuchtet das heutige Röntgenbild meiner Schulter auf dem Monitor. Dass unser asiatischer Freund gar kein Arzt ist, bekommen wir nur häppchenweise heraus. Er gackert viel, hat aber nicht so recht was zu sagen. Zunächst wundern wir uns, dass er gar nichts zum Röntgenbild sagt. Als ich konkret wissen will, ob eine OP nötig sein wird, druckst er herum, dass er den Doktor fragen muss. Er kommt ein paar Minuten später wieder und sagt, der Doc will ein CT sehen.
Das wurde doch bereits gemacht und sowohl das erste Röntgenbild als auch das CT wurden von Gympie Hospital nach Bundaberg geschickt. Nein. Er findet nichts.
Nach etwas hin und her, entpuppt sich unser Freund zumindest als Computer-Asiate. Telefoniert, klickt hin und her, hackt sich irgendwo ein und voila, auf einmal sind Röntgenbild und CT online.
Er gluckst zufrieden und holt den Arzt. Der ist schon im Feierabendmodus. „Eigentlich habe ich gar keine Zeit und ich bin auch Handchirurg, kann zur Schulter nicht viel sagen.“ Er lässt sich dann doch herab, befindet, keine OP nötig. Und verschwindet grußlos.

Unser Computer-Asiate versichert uns, dass jeden Morgen das Ärzte-Team laufende Fälle begutachtet. Man wird mich Morgen anrufen, ob Doc Schulter die Diagnose von Doc Hand bestätigen wird. Spätestens Übermorgen.

Er hält Wort. Per ‚Stiller Post‘ erfahre ich, dass Schulter keine OP für nötig hält. Und ich bekomme bei Schulter einen Termin in acht Tagen. Bis dahin die Schlinge tragen und Schmerzmittel nehmen.

Unter dem weißen Pfeil ist der Bruch. Nicht bzw. kaum verschoben, daher wird eine OP nicht nötig sein.

Sieht blutig aus, das Rote sind aber nur Falschfarbendarstellungen vom Scan. Die Fotos sind abfotografiert vom Monitor beim Computer-Asiaten. Es sieht in der Schulterkugel gesplittert aus, Dr Hand hat davon aber nichts erwähnt. Neben Falschfarben mag das noch etwas anderes in der Darstellung sein.

Neun Tage nach dem Unfall geht es mir grundsätzlich gut. Die Oxycodon brauche ich nicht mehr. Paracetamol reicht inzwischen aus. Falsche Bewegungen sind unangenehm und zu vermeiden, damit der Bruch sich nicht doch noch verschiebt. Als Rechshänderin bin ich ganz schön eingeschränkt. Ich hoffe, dass ich Morgen Doktor Schulter treffe, um zu hören, wie es weiter geht.

70

Rodeo – Bull n Bronc

15.02.25, Australien/QLD/Gympie,Tag 471 Roadtrip, 31.026 km total, Tages-km 101

Damit der letzte Tag unseres Roadtrips nicht fehlt, liefere ich hier noch den Tag vor dem Unfall nach: Wir waren beim Rodeo in Gympie.

Die größten Rinderfarmen der Welt gibt es in Australien. Wo es Rinderfarmen gibt, gibt es Cowboys. Und wo es Cowboys gibt, gibt es Rodeo. Jede Stadt im Rindergürtel Australiens veranstaltet mindesten einmal im Jahr ein Rodeo. Wir besuchen das ‚Bull n Bronc‘ in Gympie, eine mittelgroße Veranstaltung.
Die Tickets kann man bequem online bestellen. Im Eintrittspreis (33 Euro für uns zusammen) ist die Campinggebühr auf dem Showground  neben der Arena enthalten. Prima, denken wir, bequemer geht es nicht. Bequem ja, aber gar nicht mal eine so gute Idee, wie sich in der Nacht herausstellen soll. :mrgreen:

Als wir am frühen Nachmittag den Showground erreichen, sind wir so ziemlich die ersten. Noch freie Platzwahl. Vormittags hatte es gegossen wie aus Kübeln. Das Wasser steht knöcheltief auf der Wiese. Ohne Allrad-Antrieb würden wir stecken bleiben. Ein quwapschiger Schweinkram.

Der Showground ist riesig. Am Ende dann sogar fast voll.

 

Das Rodeo in Gympie besteht im Wesentlichen aus drei Disziplinen: Reiten auf einem Pferd mit und ohne Sattel, dem Barrel Race und der Königsdisziplin, das Bullen-Reiten. Spezial Wettkämpfe wie Lasso-Geschicklichkeit fehlen leider.

Zwei Stunden bevor die Show beginnt, werden die Bullen und Pferde geliefert.
Wir hatten keine Ahnung, dass es spezialisierte Firmen gibt, die Bullen und Pferde für Rodeo-Veranstaltungen vermieten. Diese Tiere werden extra gezüchtet und für Rodeo-Wettkämpfe trainiert.
Rodeo erfreut sich in Australien einer großen Beliebtheit. Dagegen stehen Organisationen, die diese Shows verbieten wollen. Um dies zu verhindern, wurden in Australien strenge Vorschriften eingeführt, die das Wohlergehen der Tiere gewährleisten sollen. Die Anwesenheit von Tierärzten ist Pflicht, die vor und nach der Show alle Tiere auf Verletzungen kontrollieren. Betreuer kümmern sich um Futter, Wasser und einen sicheren Transport der Tiere. Jedes Tier darf nur einmal am Tag eingesetzt und lange Pausen zwischen den Shows müssen eingehalten werden.

Am späten Nachmittag ist Einlass. Inzwischen ist die Wiese voll mit Campern. Die Pferde, die am ‚Barrel Race‘ teilnehmen, bringen die Reiter selber mit. Zwischen den Zelten stehen nun Pferde und die entsprechenden Anhänger. Die Anzahl an Barrel Race Pferden ist erstaunlich. Pferdeäpfel-Duft liegt in der Luft.

Die Barrel Race Teilnehmer bringen ihre Pferde mit auf den Showground.

Der Hut ist das wichtigste Accessoire des Tages.

Frisch gewienert bereit gestellt für die Show.

Ohne Hut geht gar nichts. Groß, größer, besser!

 

 

Das Rodeo beginnt mit einer Einlaufparade. Australische Flaggen werden geschwenkt. Die Nationalhymne gesungen. Die Hand aufs Herz gelegt. Das volle patriotische Programm.

Einlaufparade

Flaggen! Hut vom Kopf reißen, Hand ans Herz und mitsingen natürlich.

Die Reiter vom Barrel Race sind zuerst dran. Dieser Teil der Show ist nicht der Populärste. Die Ränge sind noch ausgedünnt. Teilnehmer aller Altersgruppen versuchen in möglichst kurzer Zeit ihr Pferd mit Geschick um drei Fässer herum zu reiten. Wer gut ist, schafft die Runde unter 16 Sekunden. Der Anteil an Frauen ist deutlich in der Überzahl.

Barrel Race – für die Pferde eine ganz schöne Belastung würde ich denken,

Fässer umstoßen gibt Strafsekunden.

Auch die Kleinsten sind mit dabei.

Es folgen die Reiter auf den „Wild“pferden. Mit und ohne Sattel. Die Pferde sind weder wild noch unberitten. Dass die Pferde wild bocken und versuchen, ihren Reiter abzuwerfen, liegt an einem Flankengurt, den sie tragen. Dieser weiche Lederriemen sitzt hinter dem Rippenbogen – nicht auf den Genitalien. Er stimuliert eine natürliche Reflexbewegung.  Dem Tier werden keine Schmerzen zugefügt. Dies wird von Rodeoverbänden überdeutlich betont. Sogar Kritiker sprechen ‚nur‘ von Unbehagen.

Die Reiter müssen mindestens acht Sekunden auf dem Rücken des Pferdes sitzen bleiben. Die Zeit beginnt, sobald das Tier aus dem Gatter springt. Ein Signal ertönt, wenn die acht Sekunden abgelaufen sind. Dann kommen sofort zwei ‚Pickup Rider‘, um den Rodeoreiter sicher, vom noch immer bockenden, Gaul zu bekommen. Meistens wechselt der Reiter einfach auf eins der Sicherungspferde. Die Pickup Rider sind außerdem zuständig, den Flankengurt vom Rodeopferd zu lösen. Augenblicklich ist Schluss mit der Bockerei.

Ohne Sattel.

Pferd mit Sattel.

Sobald der Reiter unten liegt oder die Zeit geschafft ist, kommen die Sicherungsreiter.

Nur wem es gelingt, die acht Sekunden auf dem Tier sitzen zu bleiben, schafft es überhaupt in die Wertung. Zwei Schiedsrichter verteilen bis zu 100 Punkte, jeweils die Hälfte für Tier und Reiter. Je mehr Widerstand das Pferd dem Reiter entgegenbringt, desto Punkte. Der Reiter erhält eine Wertung für seine persönliche Haltung auf dem Tier – festhalten ist sowieso nur mit einer Hand erlaubt – und ob er das Tier steuern und beherrschen konnte.
Die meisten Reiter auf den Rodeos sind Amateure. Cowboys aus der Umgebung. Aber es reisen auch einige Profis quer durchs Land, die ihr Einkommen nur durch Rodeoreiten bestreiten. In Gympie beträgt das Startgeld für einen Ritt auf dem Pferd 100 Dollar, bei einer Gewinnchance von maximal 1.000 Dollar.

Der Höhepunkt eines jeden Rodeos ist das Bullenreiten. Ein Blick in das Programmheft lässt das Blut in den Adern gefrieren. Es gibt eine Kategorie ‚Reiter zwischen 7 und 12 Jahren‘. Genau das richtige Hobby vom Junior für Helikopter Eltern. Die Jüngsten tragen Rücken-Protektoren und haben Helme mit Gesichtsschutz auf. Und okay, die Bullen sind nicht höher als ein großer Hund. :lol: Aber beachtlich, was die kleinen Steppkes sich trauen.

Es gibt auch ein Bullen-Reiter Mädchen

 

Die Bullen der erwachsenen Reiter sind da von anderem Kaliber. Das Prinzip ist das gleiche wie bei den Pferden. Auch die Bullen tragen den Flankengurt. Das Gatter wird von zwei Hilfskräften geöffnet. Bulle mit Mensch stürmt in die Arena. Meistens ist bereits nach zwei, drei Sekunden Feierabend. Der Reiter landet unsanft in der Späne der Arena. Sofort stürmen zwei ‚Clowns‘ herbei. In Australien ohne Clownskostüm, und Fässer in die sie sich retten können, gibt es ebenfalls nicht.
Die mutigen Helfer schützen den Reiter vor dem Bullen, da der Cowboy sich häufig nach dem Sturz erstmal orientieren muss und leicht vom Bullen überrannt werden kann. Das verhindern die Clowns. Sie lösen außerdem den Flankengurt und treiben den Bullen aus der Arena. Meistens laufen die schon freiwillig in die richtige Ecke. Daran erkennt man den erfahrenen Rodeo-Profi-Bullen.

 

Das Tor vom Stall wird aufgezogen. Einer öffnet das Schloss – der andere zieht das Tor auf.

Bulle mit Reiter erscheint . Die beiden an der Tür bringen sich sofort in Sicherheit.

Der Bulle bockt.

Das war’s. Drei Sekunden später. Links der Clown.

Das Bullenreiten ist ungleich schwieriger als auf den Pferden zu reiten. Auf unserem Rodeo gab es nicht einen erwachsenen Reiter, der Punkte erhalten hat. Nur bei den Junioren gab es einige erfolgreiche Cowboys. Höchste Punktzahl des Abends: 72 Punkte mit einem Gewinn von 290 Dollar (Startgeld 30 Dollar).
Viel Risiko, kleiner Preis.

Hinter den Gattern. Dort wo die Cowboys auf die Bullen und Pferde gesetzt werden.

Auf der anderen Seite der Gatter.

Auch Cowboys haben ihre Groupies.

 

Um 21:30 Uhr ist das Rodeo zu Ende. Halt, die letzte Durchsage aus den Lautsprechern „Musik bis 1:00 Uhr“, ist kaum noch zu verstehen. Der Lautstärkeregler ist schon am Limit. Es gibt auf dem Showground eine Bar. Die ist gut besucht, denn innerhalb der Arena ist Alkohol strikt verboten.
Das Publikum ist durchweg jung. Sehr jung. Und in Feierlaune. Wir lassen die Bar links liegen und gehen zu unserem Zelt. Hier haben die einzelnen Gruppen bereits ihre eigene Disco aufgemacht. Aus allen Kanälen dröhnt Musik. Heute so einfach mit diesen kleinen Lautsprecher-Würfeln.

An Schlaf ist nicht zu denken. Wir holen uns auch ein Bier, setzten uns neben das Auto und beobachten das Geschehen. Hier kann man noch was lernen. ;-)
Um Mitternacht sind die jungen Frauen rechts neben uns derart betrunken, dass sie sich gegenseitig Kotzhilfe leisten müssen. Ein junger Man hält den Kopf, eine zweite Frau drückt auf den Magen.
Auf der matschigen Wiese drehen die ersten Auto Kreise. Der Matsch spritzt. Die Menge johlt.
Die beiden jungen Männer rechts von uns haben sich irgendwo zwei Mädchen aufgegabelt und zeigen denen die Vorteile eines Dachzelts. Wollen zeigen, besser gesagt. Nur eine der Damen lässt sich kurzfristig hinreißen in das Dachzelt zu schlüpfen. Dann lassen sie unsere Helden wieder allein zurück.
Gefrustet werfen die beiden Jungs Böller in den Graben. Das wiederum ruft zwei Pferde-Besitzerinnen drei Zelte weiter auf den Plan. Unter der Verwendung vieler F-Wörter rammen die Pferde-Mädchen die beiden Jungs unangespitzt in den Boden. Kleinlauft kriechen die dann ohne weibliche Begleitung in ihr Zelt.

Das machen wir um 2:30 Uhr dann auch. Es ist ruhiger geworden. Die Rodeo-Pferde und Bullen sind schon längst wieder abtransportiert worden. Ich glaube denen geht es besser als den Pferden vom Barrel Race, die die ganze Nacht auf dem Showground stehen mussten.
Wir haben eine kurze Nacht, aber einen guten Eindruck in australisches Leben auf dem Land gewonnen.

58

Nochmal Brisbane

12.02.25, Australien/QLD/Brisbane,Tag 440 Roadtrip, 30.925 km total

Das Wetter bleibt unbeständig, wir landen daher noch einmal in Brisbane. Bequemer geht es nicht. Wir steigen an einer anderen Station aus und beginnen unsere Rundtour im Osten an der ersten Innenstadt-Brücke. Hier kommt man sogar noch mit einem Segelboot unter durch. Durchgängig kann man direkt am Ufer entlang laufen und beliebig die Flussseite wechseln. Total cool gemacht.

Unter der ersten Brücke vor der Innenstadt passen auch Segler unterdurch. Danach ist Schluss.

Der botanische Garten – spontan herrschen fünf Grad weniger Hitze mitten in der Stadt.

Palmen, aufgeschütteter Sand. Diesen Pool hatten wir schon von oben gesehen.
Festhalten: Eintritt frei!

Wir kommen am ‚Maritime Museum‘ vorbei. Und für alle, die denken, dies ist doch eigentlich ein Segelblog – geht ja auch bald wieder los. Bis dahin, zum Trost, ein Foto von ‚Ellas’s Pink Lady‘. Auf diesem 10-Meter-Boot hat Jessica Watson als jüngst Seglerin inhand, non-stop die Welt umsegelt. Sie war damals grade 16 Jahre alt. Für mich persönlich unvorstellbar.

Ella’s Pink Lady. 220 Tage hat das junge Mädchen gebraucht.

Mit diesem „Boot“ mit einer Länge von 2,90 Metern wurde der Pazifik überquert. Noch weniger vorstellbar.

Wir besuchen dann – Eintritt frei – noch die ‚Queensland Art Gallery‘. Wir werden nicht enttäuscht. Ein luftiges Gebäude mit Wasserspielen und Bildern verschiedener Epochen. Viel Platz ist Künstlern aus dem Asia-Pacific-Raum und Aborigines gewidmet.

Ein weiterer schöner Tag in Brisbane.

Luftiges Gebäude

 

Aborigines nutzen die Kunst, um die Besiedelung Australiens durch die Weißen anzuklagen.

New Holland not

Überfüllt ist die Gallery nicht – das Hauptpublikum sind Schüler, die an ihren Nacherzählungen arbeiten.
Schuluniform ist Pflicht.

Extrem adrette Schuluniform. Meistens sind es eher unförmige, wenig kleidsame Kombinationen mit Krawatte.

Mittagspause mit leckeren Sushi, auch wenn es nicht so aussieht …

Känguru-Liebe geht auch in der Großstadt.

 

Insekten Talk

„In Australien will dich alles töten“, ein beliebter Satz über die giftige und gefährliche Tierwelt an Land und im Wasser. Nicht ganz falsch, grade ist eine junge Surferin nach einem Hai-Angriff in der Nähe von Brisbane verblutet.

Dem Zugriff der Raubtiergebisse und Giftzähne kann man sich ganz gut entziehen. Bleiben die vielbeinigen Kollegen. Die sind klein und kommen lautlos. :mrgreen: Zwei Spinnenarten in Australien können für Menschen gefährlich sein. Das Gute an der schwarzen ‚Sydney Trichternetzspinne‘, sie kommt nur im Umkreis von Sydney vor. Ich glaube, dass zwei Exemplare auf dem Campingplatz unter der Wellblechdecke in der Damen-Dusche gewohnt haben. In drei Meter Höhe. Alles safe.

Die kleine ‚Redback‘-Spinne kommt in ganz Australien vor. Bevorzugt in häuslichen Umgebungen. Kein anderes Tier ist für so viele Verabreichungen von Gegengiften verantwortlich. Der Biss ist kaum zu spüren, aber die nachfolgenden Schmerzen gelten als ‚unerträglich‘. Dank Gegengift stirbt aber keiner (mehr). Trotz ihrer landesweiten Verbreitung hat es über ein Jahr gedauert, bis wir eine zu sehen bekommen haben.

Redback-Spider.

Ins Auto und in die Campingausrüstung haben es im Laufe der Zeit einige ‚Huntsman‘ –Spinnen geschafft. Einmal kam eine während der Fahrt aus dem Kühlergrill über die Haube gelaufen. Neulich wollte mir eine über den Schoß kabbeln. Abstoßende, große Viecher, deren Biss als harmlos gilt. Die Bein-Spannweite kann bis zu 30 cm betragen. Es gibt eine lustige Facebook-Gruppe. „Schaut hier, mit diesem hübschen Gesellen teile ich jetzt schon zwei Wochen mein Schlafzimmer“, begleitet von einem Foto mit einem Kaventsmann an der Zimmerdecke. Pfui, Spinne!

Winzige Spinne. Wenn wir morgens aus dem Zelt krabbeln, ist manchmal alles mit Netzen verbunden. Zwischen Kotflügel und Stoßstange wohnt schon seit 2000 Kilometern eine Spinne. Wir bekommen sie nicht verscheucht.

Mücken! Klar. Auf der ganzen Welt gibt es Mücken. Krankheiten, die übertragen werden, halten sich relativ in Grenzen und sind fast nur im Norden verbreitet. So gesehen, sind die Stiche eher lästig als gefährlich.
Dafür gibt es viele, viele Bremsen. Stricknadel dicke Stacheln sorgen für schmerzhafte Stiche. Ich reagiere häufig mit ausgeprägten, dicken Beulen darauf. Während ‚Sandflies‘-Stiche „nur“ höllisch jucken. Tagelang.
Unser Verbrauch an Insektenspray ist hoch. Möglichst die Sorte extra strong. Ekliges Zeug, was zwar hilft, aber durch seinen hohen Anteil an Deet sicher nicht gesund sein kann. Es verätzt zumindest die Bespannung unserer Campingstühle.
Seit wir im Osten sind und das Stechvolk zugenommen hat, tragen wir abends häufig Socken und lange Hose (schwitz, hechel).

Sandfly-Stiche – Juckvergnügen für mehrere Tage.

Schätzungen besagen, dass die Ameisen-Biomasse in Australien zwei Megatonnen betragen könnte. Das würde bedeuten, dass Menschenmasse der Australier und die Ameisenbiomasse ungefähr identisch sind. Was für eine Vorstellung.
Ameisen sind überall. Stehen wir für mehrere Tage an einem Platz finden die Tiere den Weg über die Spannbänder der Markise aufs Auto. Sofort bilden sich fleißige Ameisenstraßen. Denke ich über den Eroberungserfolg der kleinen Tiere nach, fällt mir sofort Atanga ein. Was mag sich dort alles eingenistet habe? :shock:

Eintausend dreihundert Ameisen-Sorten sind bestimmt. Aber es heißt, es könnten doppelt so viele sein. Dazu kommen noch eingeschleppte Sorten, wie die Feuerameise. Ob mich eine Feuerameise erwischt hat, weiß ich nicht, aber eine zwischen meine Zehen eingeklemmte Ameise hat mich derart gebissen, dass ich mich drei Tage über brennende Schmerzen und einen feuerroten Fleck freuen durfte.

Die Menge an Insekten in Australien ist schon beeindruckend, aber als Fazit stelle ich fest, dass ich mir das Alles noch viiiiiel schlimmer vorgestellt habe. ;-)

55

Und plötzlich ungeplant in Brisbane

28.01-10.02.25, Australien/QLD/Esk, Crows Nest, Woodford, Landsborough/Tag 425-438 Roadtrip, 30.925 km total, Tages-km 227+55+115+36

Nach der Kletterpartie auf kahlen Felsen landen wir in Esk. Ein hübscher Ort mit fabelhafter Campküche.

Esk Camp Kitchen – eine der besten. Drei Pizzaöfen und sonstige Annehmlichkeiten. Gespanntes Warten.

Pimp your Fertigpizza.

Typisches Stadtbild im Osten von Australien. Meistens ein altes Hotel oder die Post. Schachbrettmuster-Straßen. Ein oder zwei Supermärkte. Um was zu erleben, muss man in die Nationalparks.

Zwischen den kleinen Orten ist alles voll mit Land- oder Viehwirtschaft und eingezäunt. Hier Hirse.

Der nachfolgende Abstecher in den Crows Nest NP ist nett, aber ohne Besonderheiten, sieht man von der Blütenfülle im gesamten Wald einmal ab.

Blue fringe Lily – Fransenlilie. Fast alle Sorten sind endemisch in Australien.

Der Wald quilt über vor Blüten.

Die Vögel freuen sich über Wasser im Eimer, den wir zum Händewaschen hingestellt haben. Der Weißstirn Schwatzvogel. Zutrauliche Vögel, die fast überall im Osten anzutreffen sind.

Unser nächstes ‚großes‘ Ziel ist der Conondale Park. Leider bremst das Buchungssystem der Nationalparks in Queensland unsere Ideen aus. Eine Software-Umstellung verhindert für vier Tage alle Buchungen. Hmm.  Wir zockeln einen Ort weiter, bringen uns für den gewählten Park in ‚Pole Position‘. Conondale ist ein großer Park, nur geeignet für 4×4 Autos, einige Bachquerungen sind erforderlich.
Dann läuft das Buchungssystem wieder – nun ist das Wetter der Spielverderber. Wir hocken etwas unglücklich in Woodford unter unserer Markise. Es regnet nicht ununterbrochen, aber die Schauer bringen heftigen Niederschlag. Sollten wir nach Conondale rein kommen, ist dann gesichert, dass wir auch wieder raus kommen? :mrgreen: Wir verzichten auf das Experiment. Keine Wetterbesserung in Sicht für die nächsten fünf Tage. Im Norden Queenslands sorgen extreme Regenfälle für Überschwemmungen und weggespülte Brücken.

Kochen im Regen – den Herd bitte so stellen, dass der Regen von der Traufkante der Markise nicht direkt ins Essen läuft. Bequem geht anders. ;-)

Wir kommen an den imposanten Glasshouse Mountains vorbei – alles ist in Regenwolken gehüllt.

Ein neuer Plan muss her. Möglichst mit überdachter Küche, um bei Regen besser kochen zu können. Wir landen in Landsborough. Bei unserer üblichen Dorfrunde kommen wir am Bahnhof vorbei. Uns kommt eine Idee – ob man wohl von hier nach Brisbane mit dem Zug fahren kann? Man kann! Wir treffen auf einen auskunftsfreudigen Schaffner. Einmal in der Stunde fährt ein Zug für den sensationellen Preis von 50 Cent pro Person (30 Euro Cent) für 80 Kilometer. Wir können es kaum glauben. „Doch, doch“, versichert der Schaffner, „das war erst ein halbjähriger Versuch, um den Nahverkehr von Brisbane attraktiv zu machen und jetzt ist der Preis dauerhaft so niedrig.“

Wir zögern nicht lange. In der Stadt kann man bei Regen immer irgendwo unterschlüpfen. Gleich am nächsten Tag sitzen wir in der Bahn. Die Fahrzeit ist mit einer Stunde zwanzig zwar etwas zäh, aber machbar. Denkt man über den Preis nach, wird es noch erträglicher.
Brisbane ist mit 2,5 Millionen Einwohnern nicht gerade klein. Aber das Zentrum ist überschaubar und der Zug hält genau an den Hauptattraktionen. Der Brisbane River teilt die Stadt in zwei Teile. Kein Problem für Brisbane. Im Zickzack kann man über mehrere (Fußgänger)-Brücken von einer Seite auf die andere gelangen.

Der Hauptverkehr wird über mehrspurige Straßen oberhalb des Flusses geleitet. Unter den Fahrbahnen führt ein Rad- und Fußweg lang.

Markante Fußgängerbrücke. Eine von fünf Brücken.

Die Fussbrücke vom Museum aus gesehen.

Das markanteste Gebäude in Brisbane mit Sky Deck.

Einhundert Meter über dem Fluss verläuft dieser Glasboden.

23 Stockwerke hoch – wer traut sich? Zur Publikumsberuhigung sind Punkte auf das Glas gemalt.

Naherholung am Fluss.

1988 fand in Brisbane die Expo-Weltausstellung statt. Für dieses Ereignis wurden umfangreiche Stadtumbauten vorgenommen. Das Ergebnis ist eine abwechslungsreiche Parklandschaft auf der ‚Southbank‘ von Brisbane.
Bei bestem Wetter ziehen wir durch die Innenstadt. Was wir sehen gefällt uns, somit nehmen wir zwei Tage später noch einmal die Bahnfahrt auf uns. Wir geben uns der Kunst und Kultur hin. Sowohl der Eintritt in das ‚Queensland Museum‘ als auch ins ‚Museum of Modern Art‘ sind frei. Brisbane meint es gut mit unserem Budget. ;-)
Beide Museen gefallen uns gut. Wobei ‚Modern Art‘ bei mir die Nase vorne hat, weil das Natur-und Heimatmuseum dem in Sydney recht ähnlich ist.
Dafür, dass wir gar nicht nach Brisbane wollten, sind wir umso mehr angetan.

Die Welt steht Kopf – der Künstler stammt von den Torres Strait Islands.

Zur zeit liegt der Schwerpunkt  im ‚Museum of Modern Art‘ auf Künstler aus dem Asia-Pacfic-Raum. Besonders schön sind diese kleinen Figuren – 10 cm hoch – alles aus Altpapier gefertigt – dazu gehört ein Film in dem diese Kobolde zu Leben erweckt und von Krokodilen gejagt werden. Wildes Getrommel und andere Soundeffekte runden den Eindruck ab. Toll gemacht.

2000 Schädel – manche mit Loch auf der Stirn – angeordnet in einem Morse-Rhythmus  …

… Kunst , man muss nicht alles verstehen.

60

Steinige Mutprobe

23.-27.01.25, Australien/NSW/QLD/Tenterfield + Girraween, Tag 421-424 Roadtrip, 30.491 km total, Tages-km 37

Schon beim ersten Blick von unserem Stellplatz fällt uns der Stein auf, der dort eigentlich nicht liegen dürfte. Ein riesiger Granitbrocken auf einem Hang mit 45 Grad Gefälle. Wir witzeln rum, wann der Stein wohl seinen Weg nach unten finden mag. „Ein bisschen drücken und er rollt. Aber das geht ja gar nicht, weil man auf der glatten, steilen Fläche nicht klettern kann.“

Total auffällig liegt der Felsen am Abhang. Ein mächtiger Brocken.

 

Der Berg nennt sich ‚Pyramid‘, liegt mitten im Girraween Nationalpark, im sogenannten ‚Granit Gürtel‘. Wir lassen die Pyramide unbeachtet und wandern zum ‚Castle Rock‘. Überall in der Landschaft verstreut liegen kugelförmige Felsen herum. Aufgetürmt von Riesen? Einige balancieren nur noch auf kleinsten Flächen. Scheinbar gegen jede Schwerkraft.

Nicht von Riesen gestapelt, sondern …

… Magma wurde vor Jahrmillionen beim Erkalten zu Granit. Endlose Erosion hat einzelne Brocken freigelegt, weil kleines Sediment und Steine abgetragen wurden.

Wind und Wasser tragen unaufhaltsam die Auflageflächen der Felsen ab. Irgendwann rollt auch dieser Stein abwärts.

Kurz vor dem Gipfel von ‚Castle Rock‘ muss man durch eine Felsenspalte klettern. Dahinter bleibt uns die Spucke weg, vor uns liegt glatter Granit und es geht einfach nur abwärts. Wir sprechen mit einem älteren Herren: „Wenn es Euch hier steil vorkommt, ‚the pyramid‘ ist dreimal schlimmer.“ Ein junger Mann findet es dort sogar fünfmal steiler.

Hinter diesem Schlitz geht es bergab.

 

Das wollen wir sehen. Am nächsten Tag wandern wir zur Pyramide. „Wenn es zu steil wird, drehen wir einfach wieder um“, Achim kann gut mit Höhe (Mastkletterer auf dem schwankenden Kahn), aber wenn es nichts gibt an dem er sich festhalten kann, ist er raus.
Nach vierhundert Stufen durch hübsche Stein-Landschaft erreichen wir den blanken Felsen. Zwei Frauen kommen uns vom Gipfel entgegen. „Ich war oben wir paralysiert“, berichtet die Ältere. „Runter ist leichter als rauf, findet die Junge.

Ich mache ein paar Trittversuche. Kein Problem auf den Schrägen zu stehen. Die Sohlen kleben förmlich am Granit. Mich sticht der Hafer. „Halt mal mein Bier!“ Ohne zu überlegen, schnaufe ich mich die steile Wand nach oben. Dass Achim nicht hinterherkommt, ist mir klar. Einmal die sichtbar schwierigste Stelle geschafft zu haben, möchte ich weiter. Ich winke nach unten.

Ich bin auf dem Weg nach oben – die Familie weiter unten am Felsen überlegt noch.

Blick auf Achim

Nach der Schräge erreiche ich einen Riss im Berg. Hier liegen viele Felsbrocken. Es ist zwar nicht einfacher zu klettern, aber die schützenden Felsen vermitteln Sicherheit vor dem Abrutschen. Ich drücke mich vorwärts. Ein junger Typ überholt mich. „Alles klar?“ Ja, mir geht es gut, ich brauche nur eine Verschnaufpause. Es ist anstrengend und heiß.

Der Weg nach oben.

Hinter dem Riss kommt eine Kurve. Links neben mir geht es steil bergab. Vor mir liegt der Felsen, den wir schon von unten bewundert haben. Eine junge Frau sitzt im Schatten. „Weiter gehe ich nicht. Ich bin raus. Mir wackeln die Beine.“
Ich gehe zum Felsen. Noch einmal wird es richtig steil. Auf einem schmalen Grad stehend muss ich genug Schwung holen, um die vor mir liegende 45 Grad Steigung zu überwinden. Nur aus den Beinen heraus. Zum Festhalten gibt es nichts. Hinter mir der Abgrund. Ich überlege kurz, ob ich mich einfach zu der Frau in den Schatten setzten sollte. Aber ich kneife die Arschbacken zusammen und weiter geht’s.

Das ist der Felsen.
Um den Busch muss man links vorbei und dann dort weiter wo die helle Laufspur auf dem Gestein zu erkennen ist.

Die weißen Striche (links im Schatten) markieren die optimale Strecke.

Die steilsten fünf Meter vom gesamten Aufstieg sind geschafft. Der Rest auf dem Gipfel ist dann einfach. Der junge Typ kommt mir schon wieder entgegen. „Runter ist schwieriger als hoch!“ Danke für die Information, Kumpel!

Ich genieße die Aussicht. Es ist phantastisch. Natürlich ist es phantastisch. Mein Gehirn ist voll Adrenalin und Endorphinen. Mir geht es mal richtig gut.

Beweis-Selfie! Das Foto bekommt man nur ganz oben. Der balancierende Felsen steht auf dem Gipfel von ‚Pyramid‘.

Diese schönen Hormone helfen beim Abstieg. Angst habe ich nicht. Aber doch, der Cocktail reicht nicht, dass ich mich traue überall aufrecht runter zu steigen. An den schlimmsten Stellen gehe ich im Krebsgang abwärts. So habe ich es beobachtet bei anderen. Die beiden jungen Männer, die fast tänzelnd am Hang auf- und ablaufen, ignoriere ich geflissentlich. Dass man nicht auf den Hintern runter muss, weiß mein Kopf auch, allein der Mut geht mir aus.

Im Krebsgang wieder runter. Andere haben mir es vorgemacht, wie man wieder runter kommt: auf dem Hosenboden. Die Frau  ganz links ist vom markierten Weg abgewichen. Das habe ich wegen der Sicherheit der Felsen auch erst versucht. Da ist es aber noch viel steiler. Besser ist die freie Fläche. Ganz schwach ist die aufgehellte Spur zu erkennen

Nach dreißig Minuten bin ich wieder bei Achim. Ausgepumpt von der Anstrengung. Nur von der Anstrengung, so meine Behauptung. Am nächsten Tag habe ich Muskelkater in den Oberschenkeln. Besonders im Leitbein, was den auf den Rücken zurückgekippten Abwärtsgang gesichert hat.
Da wird dann wohl doch etwas Verkrampfung im Spiel gewesen sein. :mrgreen:

 

Seit ewiger Zeit sind wir auf einem Campingplatz, der fast ausgebucht ist. Am Sonntag ist ‚Australia Day‘. Fällt ein Feiertag aufs Wochenende, wird er montags nachgeholt. Ein langes Wochenende bringt Besucher in die Berge. Nur aus dem Grund treffen wir überhaupt so viele Leute auf den Granitfelsen.
Folgerichtig ist es am Dienstag wieder leer. Und ‚Australia Day‘ läutet auch das Ende der großen Sommerferien ein. Bald sollte es auch an den Küsten wieder leerer sein.

Am 26. Januar 1788 hisste die ‚erste Flotte‘ der neuen Siedler die britische Flagge in der Nähe vom heutigen Sydney. Australien wurde zur britischen Kolonie. Der 26. Januar zum Feiertag.
In den letzten Jahren ist die Beteiligung an National-Feiern gesunken. Statt ‚Australia Day‘ wird der Tag von den Gegnern ‚Invasion Day‘ genannt und von Protestmärschen begleitet. In den Augen der Kritiker, besonders der Aborigines, brachte der 26. Januar die Enteignung des Landes und Vernichtung einer uralten Kultur.

Auf dem Land wird der Australia Day durchaus zelebriert – viele Flaggen sind geschmückt.

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