Archiv der Kategorie: Kanaren

Spielplatz für Erwachsene

So., 21. Jun.15, La Palma, Tag 386, 2.587 sm von HH

Bei unserem letzten Versuch hatte der Kletterpark im Kiefernwald auf der Ruta de los Volcanes ja leider geschlossen. Aber heute gibt es kein Zurück mehr.

Der Kletterpark verkauft drei Schwierigkeitsgrade: Maximale Höhe 1 Meter, 2,5 Meter oder 9 Meter. Da wir beide noch nie in einem Kletterpark waren, wählen wir 9 Meter.  :-)

Wir erhalten ein Klettergeschirr mit zwei Karabinern und einer Rolle für die Seil-Rutschen, ein Paar Handschuhe und einen Helm. Wobei sich letzter als nützlich erweist, damit man sich nicht die Kopfhaut am Drahtseil aufschrammt. Bei einem Absturz wäre er wohl witzlos.

Auf einem Übungs-Parcours in 80 cm (!) Höhe bekommen wir den Umgang mit dem ganzen Gerät gezeigt und müssen uns mit dem kompletten Gewicht in das Klettergeschirr hängen. Damit ist bewiesen: das hält.

Achim ist mir gegenüber im Vorteil, da er ja hin- und wieder in den Mast klettern muss. Dementsprechend schreitet er zur Tat und ist ruck zuck auf der ersten Plattform in 9 Metern Höhe. Das bekomme ich auch noch hin.

Dann stehe ich vor der ersten Seilrutsche.
Tief durchatmen, Po-Backen zusammen kneifen und los. Hat man einmal losgelassen, ist das Unheil nicht mehr zu stoppen und in einer Rauschefahrt saust man dem gegenüberliegenden Baum entgegen. :shock:

Der ist zwar gepolstert, aber stoppt mich doch etwas unsanft auf.
„Nicht mit dem Körper stoppen…Füße nach vorne“ ruft Achim mir helfend zu.
Zu spät. Okay, beim nächsten Mal. :oops:

Es folgt eine Schikane nach der anderen. Mal wackelt das Seil, mal schwingen Trittstufen hin- und her oder ich muss von einem schaukelnden Balken auf einen anderen zu wechseln. Dazwischen taucht immer mal wieder eine Seilrutsche rauf. Aber das macht Spaß – wenn man an die Füße denkt.

Nach Schikane Nr. 10 bin ich ausgepuppt.
Die Höhe habe ich schon lange komplett vergessen. Die Balance zu halten, benötigt so viel Konzentration und Kraft, dass für andere Dinge kein Platz ist.
Das habe ich nicht erwartet, dass es so anstrengend sein würde.
Achim, der Doofmann, schwitzt noch nicht mal richtig, während ich zu kämpfen habe.

Am Ende des Parcours brauche ich dringend ein Päuschen.
Aber eine zweite Runde, mache ich auch noch mit. Danach bin ich fix und alle.

Ich kann allen, die so etwas „schon immer mal machen wollten“ dringend empfehlen: machen! Das bringt eine Mords-Laune und eine große Befriedigung über die eigene Leistung breitet sich (neben dem Muskelkater) im Körper aus.

Als nächstes klettere ich jetzt auf den Mast komplett nach oben.
Bis zur ersten Saling war ich schon mal, aber dann verließ mich der Mut. Seit heute kann mich nichts mehr erschüttern, ob neun oder sechzehn Meter kann den Kohl ja auch nicht mehr fett machen, oder?

Bajada in Santa Cruz

Sa., 20. Jun.15, La Palma, Tag 385, 2.587 sm von HH

Ab heute kommen große Feierlichkeiten in Santa Cruz de la Palma auf uns zu.
Diese dauern sechs Wochen und das Programm des Festausschusses beträgt sage und schreibe 28 Seiten.

Bajada – eine Stadt macht sich fein

Es handelt sich um die Bajada de la Virgen de las Nieves.
Die Terrakotta-Madonna aus der benachbarten Wallfahrkirche wird in einer feierlichen Prozession nach Santa Cruz getragen. Ein nur alle fünf Jahre stattfindendes Spektakel.

Seinen Ursprung findet die Prozession im Jahre 1676, um eine lang anhaltende Dürre-Katastrophe abzuwenden.
Da das herunter tragen (Bajada) der Jungfrau den erwünschten Regen brachte, legte der damalige Bischof der Kanaren fest, dass diese Prozession, sicher ist sicher, alle fünf Jahre stattfinden solle.

Die Madonna hilft nicht nur gegen Trockenheit, sondern wehrt wahlweise auch Piratenangriffe, Vulkanausbrüche oder eine Heuschreckenplage ab.
Gar nicht abergläubisch haben wir uns eine Miniatur an den Navi-Tisch gehängt. Man weiß ja nie.

Seit wir im Hafen von Santa Cruz liegen, beobachten wir, wie die Stadt sich für dieses Groß-Ereignis fein macht:
Überall wird aufgeräumt, gewerkelt und vor allem gepinselt.
Alle fünf Jahre werden die Anwohner Santa Cruz aufgefordert, ihre Häuserfassaden neu zu streichen. Letzter Termin zur Fertigstellung dieser Verschönerungen war der 30. Mai. Da die knappe Vorgabe nicht von allen geschafft wurde (Bajada ist wie Weihnachten – kommt ganz plötzlich) wird sogar am Sonntag und abends um acht noch gestrichen.

Der Barranco am Kastell, welcher noch eine große Rolle bei den Feierlichkeiten spielen soll, ist vom Unkraut und Buschwerk der letzten fünf Jahre befreit.
Der Ortskern ist noch ein wenig schnieker als sowieso schon.

Direkt neben der Marina wurde in den letzten Tagen eine große Bühne aufgebaut. Und wir durften gestern Abend bereits am Sound-Check teilhaben.
Die modernen Feierlichkeiten werden von einer Reihe Konzerten, Tanzdarbietungen, Wettkämpfen, einer Regatta, Trachtenumzügen und sonstigem Kurzweil begleitet.

Knapp zwei Millionen EUR stehen dem Festausschuss zur Verfügung. Die Ausgaben werden zu rund 2/3 durch Eintrittsgelder, Sponsoren und dem Verkauf von Werbeartikeln wieder hereinkommen – hofft man.
Die Differenz steuern die Stadt Santa Cruz und die Inselregierung zu.

Gespart werden muss aber auch hier: hatte die Bajada doch im letzten Jahr noch 800.000 EUR mehr zur Verfügung.
Trotz gekürztem Etat, kommt da was Großes auf uns zu. Und wir sind mitten drin.
Also haben wir einen weiteren Monat in Santa Cruz bezahlt. Der Schwell hält sich zur Zeit auch in Grenzen und unsere selbst ertrunkenen Ruckdämpfer erledigen fleißig ihre Arbeit.

 

Raab hört auf

Do., 18. Jun. 15, La Palma, Tag 383, 2.587 sm von HH

Was wir heute im Internet lesen mussten, birgt ganz neue Herausforderung für unsere Weiterfahrt. Die Konsequenzen des Rücktritts von Stefan Raab könnten auch Langfahrtsegler betreffen.

Achim steht morgens meistens eine halbe bis eine Stunde vor mir auf.
Das ist für ihn angenehm, da er mit einem Kaffee im Cockpit sitzen und in Ruhe im Internet surfen kann. Ohne, dass ich ihn vollquatsche.

Für mich ist es sogar noch angenehmer. Sobald ich dazu komme, werde ich erst mit einem Tee und dann mit den News versorgt. Ohne, dass ich selber lesen müsste.

Heute kam Achim aber mit der Horrormeldung des Tages rüber: Stefan Raab hängt seine „Fernseh-Schuhe“ an den Nagel!
Das ist erst mal noch keine schlimme Nachricht.
Nichts gegen Raab. Wir haben früher auch ganz gerne kurz vorm ins Bett gehen, TV-Total geguckt und manchmal auch Schlag-den-Raab.
Da wir nun ja gänzlich ohne Fernseher leben (gut leben), macht uns die Nachricht des Rücktritts nichts aus.

Aber eine kleine Randnotiz aus dem Jahr 1999 erregt unsere Aufmerksamkeit.
Bei „zeitonline“ heißt es, dass Stefan Raab einen Traum habe, einen Riesentraum: „Ich will für ein paar Jahre mit einem großen Katamaran um die Welt segeln“.

Was könnte dies nun für uns bedeuten?
Vor meinem geistigen Auge taucht auf, dass man mit Raab in einer Marina im Päckchen liegt. Oder ihn im Ankerfeld als Nachbarn hat.

Wird man dann von seinem wiehernden Lachen geweckt?
Nicht ganz unwahrscheinlich, wie die Sy Eligius zu berichten weiß:

„Nach ein paar Tagen stellten wir fest, dass der neben uns ankernde Katamaran mit Prominenz bestückt war. Stefan Raab machte mit seiner Familie Urlaub. Er versuchte unerkannt zu bleiben, aber Uwe erkannte ihn an seiner Stimme und Gestik.“

Oder landet man auf einem seiner „hallo-ich-bin-doof-Knöpfe“, weil man bei einer paddeligen Aktion gesehen wurde?
Wäre durchaus im Bereich des Möglichen, wenn man liest, dass er ein Studio mit auf Weltumsegelung mitnehmen will.

Gerüchteweise sollen ja sogar die Geissens eine Weltumsegelung planen.
Schlimme Vorstellung, dass ein „Roooobert“ über die Ankerbucht schallen könnte. :mrgreen:

Cubo de la Galga – Eine Schluchtenwanderung

Mi., 17. Jun. 15, La Palma, Tag 381, 2.587 sm von HH

Die Schlucht von La Galga befindet sich nur 40 Bus-Minuten im Norden von Santa Cruz.
Zudem fahren die Busse einmal in der Stunde.
Eine weitere gute Nachricht verkündet der Wanderführer: die beste Zeit, um im Cubo de la Galga zu wandern, sei mittags.
Das ist doch mal eine wohltuend andere Ansage als die ewig schlechte Gewissen machenden Ermahnungen: Die beste Zeit, um das und das zu besuchen, ist bei Sonnenaufgang!

In La Galga befindet sich gegenüber der Bushaltestelle ein Info-Büro und ein hilfreicher Ranger empfiehlt uns einen Rundweg.
Da wir nicht zu einem Auto zurück müssen, könnten wir auf der anderen Seite der Schlucht zur Bushaltestelle in San Batholomé wandern und bräuchten nicht den gleichen Weg zurück nehmen. Wir verlassen uns auf seine handgeschriebenen Ergänzungen auf der Wanderkarte, die er uns aushändigt.

Im Norden von La Palma befindet sich einer der größten Lorbeerwälder der Kanarischen Inseln. Dieser empfängt uns sogleich mit kühlem Schatten. Müssten wir nicht 400 Höhenmeter erklimmen, wäre eine Jacke angebracht.
Die Lorbeer-Bäume sind erheblich höher und mächtiger als auf Teneriffa. Sie klammern sich an die fast senkrechten Wände der Schlucht und lassen kaum einen Sonnenstrahl durch.
Viele Fotos sind heute verwackelt, da es zeitweise zu dunkel ist.
Ein Bodendecker, den es bei uns als Topfpflanze gibt, überzieht den Waldboden mit einem dunkelgrünen Polster.

Auch der Farn ist riesig. Mannshoch stellt er sich in den Weg.
Dazwischen meine Lieblinge: Wald- und Schattenstauden. Ein 150 cm hoher Storchenschnabel hat zwar fast ausgeblüht, aber seine Fruchtstände bezaubern durch ihre lila zarte Behaarung. Dazwischen hängen Lianen und meterlange Efeuranken.
Es tummeln sich extrem viele Schmetterlinge auf Brombeerranken und Gräsern. Schliche weiße Schönheiten mit schwarzem Fleck, der Kanarien-Weißling.

Ich liebe Wald! Leider duftet dieser nicht moosig-würzig, sondern stellenweise steigt uns ein leicht unangenehmer, scharfer, an Ammoniak erinnernder Geruch in die Nase.
Was dafür verantwortlich ist, ist jedoch nicht heraus zu finden.

Mitten im Urwald, der Weg ist längst zum Trampelpfad geworden,  stehen Mauern für die Wasserversorgung. Was erst den Anschein erweckt, ein Relikt aus vergangen Tagen zu sein, entpuppt sich schnell als intakte, aktive Wasserleitung. Es rauscht und gurgelt in den klapprigen Rohren.

 

Auf der anderen Seite des Gipfels ist der Wald wie abgeschnitten und wir stoßen auf Felder und Zivilisation. Eine geteerte Straße und ein Taxi-Abhol-Service für erschöpfte Wanderer erwarten uns.
Wir gehen allerdings zu Fuß weiter. Unser Weg führt an immer abenteuerlich werdenden Wasser-Rohr-Systemen vorbei. Die Verteiler und/oder Druckminderer machen einen katastrophalen Eindruck.
Das erstaunt uns, wenn man bedenkt, wie viel in den Straßenbau an Geld und Energie gesteckt wird.

Nach drei Stunden erreichen wir die versprochene Bushaltestelle. Die acht Kilometer waren abwechslungsreich, gut zu laufen und nur an einigen Stellen wäre es besser gewesen, wenn wir unsere üblichen Wanderschuhe statt Sandalen und Bordschuhe getragen hätten.

 

 

 

Schwarze Strände – weißes Fleisch

Mo., 15. Jun. 15, La Palma, Tag 380, 2.587 sm von HH

Die Marina von Santa Cruz liegt am südlichen Ende der Stadt.
Eine nicht mehr viel befahrene Uferstraße (es gibt einen neuen Umgehungs-Tunnel durch den Vulkan) führt nach Cancajos.

Der Weg dorthin strotzt nicht gerade vor großartigen Highlights. Er führt an der Hafeneinfahrt mit einem schmalen Strand und qualmenden Kraftwerk vorbei.
Wer hier baden geht, der will es wirklich.

Den besten Platz in der Bucht -mit Blick auf Santa Cruz- hat sich das Militär geschnappt. Die Kaserne erscheint adrett und frisch getüncht. Wirkt aber unbewohnt.

In Cancajos gab es in den 80er Jahren weder den Ort noch die Strände.
Damals existierte nur eine Saline, die schon längst aufgegeben wurde. Damit die aufgeschütteten Strände an Ort und Stelle bleiben, wurden Wellenbrecher vor die Küste gekippt. Der Hotel- und Appartement-Ort ist aber nicht so unattraktiv. Da haben wir auf Fuerteventura und Gran Canaria viel schlimmere Dinge gesehen.

Die Hochsaison beginnt jetzt langsam auf den Kanaren und so leuchtet es uns von weitem entgegen: weißes Fleisch brät auf schwarzem Strand.
Es steht heute keine Wolke am Himmel. Es müssten eigentlich 40 Grad im Schatten sein. Aber der ewige Wind fächelt so viel Erfrischung zu, dass es nicht zu merken ist, wie man hoffnungslos verbrennt.

Wir befinden uns kaum 500 km vom nördlichen Wendekreis entfernt und bis zur Sommersonnenwende sind es nur noch wenige Tage.
Die Sonne steht nahezu senkrecht. Selbst die ungenutzten Sonnenschirme werfen einen perfekten Schatten um sich selbst.
Im Hotel gibt es abends rotes Fleisch auf weißen Lacken.