Gefangen

Fr., 28.Apr.17, Belize/San Pedro, Tag 1062, 10.193 sm von HH

Die Wind-Front hat uns erreicht.
Dauerhaft blasen Anfang 20 Knoten über uns. In der Spitze fast 30. Wäre die Entscheidung nicht bereits gestern gefallen, dass wir den Ankerplatz nicht verlassen wollen, so hat sich eine Fluchtmöglichkeit in der Zwischenzeit von alleine erledigt. :mrgreen:

Die Ausfahrt aus dem Riff ist zu! Wo gestern noch ein Durchgang war, türmen sich heute Brecher. Gischt und Schaum bilden eine durchgehende Linie. Entkommen unmöglich.
Selbst die ortskundigen Tauchboote fahren da nicht mehr durch.

Was auch immer noch kommen mag, wir müssen es in der Lagune abwettern.
Der schlimmste Wind wird heute Nacht erwartet.
Bei gutem Ankergrund wäre das keine Meldung wert. Gut eingegrabene Anker halten locker 30 Knoten und mehr.

Wir kommen eben von der Ankerkontrolle zurück.
Unser Reit-Anker hat es zwanzig Meter zur Seite geschliffen. Achims mühsam gebuddelten „Löcher“ haben ihn nicht interessiert.
Mittlerweile ist so viel Zug auf der Kette, dass der Hilfsanker angehoben wird. Er macht das, was er soll, er hält die Kette hinter sich in einem flachen Winkel. Er ist jetzt ein echtes Reitgewicht. Beim Schnorcheln sieht es zum Furchten aus: 25 Kilo werden wie ein Federkissen angehoben. Was da für Kräfte arbeiten. :shock:

Der Hauptanker liegt an seinem alten Platz.

Achim vertraut ihm. Ähm, aber nicht blind. Er ist am Rechnen. Wahrscheinlich braucht er das, um sich zu beruhigen. Es fallen Wörter wie Hypotenuse, Sinus und Kathete. Ernsthaft fragt er mich, ob ich zustimme. :lol:

Die meisten Sorgen bereitet das Loswerden des Reitgewichts, falls wir doch Slippen sollten.
Mit der Hilfsleine kann Achim das Reitgewicht zum Bug ziehen. Dann muss „nur“ die Hilfskette um die Hauptkette abgeschäkelt werden. Dafür das Reitgewicht entlasten, Schäkel öffnen und Anker an Bord hieven oder, ohne Leine, in den Sand fallen lassen (den holen wir uns später wieder). Im Dunkeln und mit heftigem Wind auf die Ohren.
Ich würde dann am Ruder stehen und nicht verstehen, was er mir zuruft. Und umgekehrt. Hände frei für ein Funkgerät hätte er nicht.

Ein Schnapp-Schäkel wäre optimal. Wir würden den Reit-Ankerschneller los, um den Hauptanker einholen zu können.
So einen haben wir, aber Achim traut ihm nicht recht.
Ob er die Kräfte aushält, die an ihm ziehen würden? Er hat 25 Kilo zu tragen plus Beschleunigung, die sich in Grenzen hält. Das allerdings mehrere hundert Mal.
Die Variante, Schäkel am Schnapp-Schäkel, wird gerade diskutiert.

Ein Gutes hat der Wind, es drückt so viel Wasser in die Lagune, das wir prompt zehn Zentimeter mehr unterm Kiel haben.

Ich bin entspannter. Deutlich. :lol:
Ich vertrau dem Anker, ich vertrau Achim und ich vertrau auf unser Glück. ;-)

2 Gedanken zu „Gefangen

  1. Popsi

    Reitgewichte bringen bei viel Wind fast nichts. Die machen nur die Kette schwerer, was aber fast nichts ausmacht, wenn das Boot genügend Kraft durch den Wind bekommt, den Anfang der Kette abzuheben. Das Bißchen mehr Gewicht vom Reiter macht da kaum einen Unterschied. Ich habe das einmal als Beispiel im Physikunterricht mit einer Klasse durchgerechnet. Da fügt man besser das Gewicht dem Hauptanker hinzu oder bringt einen Reitanker aus.

    Am Wirkungsvollsten sind Reitgewichte bei wenig Wind, wo sie den Schwoiradius reduzieren.

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  2. Achim

    Naja, so ganz stimmt es nicht. Das „Reitgewicht“ (unser 25Kg) Zweitanker ist ca. 20m vom Schiff entfernt. Dann kommen noch einmal 50m Kette bis zum Hauptanker. Das Gewicht Reitgewichts verhindert wirkungsvoll bei den ggw. Windstärken (30 Kn (Böen 35), dass die Kette bis um Hauptanker angehoben wird. Gewicht am Hauptanker ist nicht alles. (es gibt sehr wirkungsvolle Leichtgewichtanker). Entscheidend ist es, den Zug auf den Stock des Hauptankers möglichst nah am Grund zu halten, um ein Ausbrechen zu verhindern.
    Natürlich sind 25Kg nicht die Welt (entspricht ca. 8m Kette), aber 50m „Hebel“ sind auch nicht ohne….wobei wir mal die Krümmung der Kette kurz außer Acht lassen.

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