Vom Blitz getroffen

Fr., 05.01.2018, Panama/Puerto Lindo, Tag 1315, 12.374 sm von HH

Der Einschlag erfolgt um 5:33 Uhr. Ein ohrenbetäubender Schlag genau über uns.
Wir stürzen in den Salon. Dort rieht es, als ob der Teufel persönlich zu Besuch vorbei gekommen wäre. Verschmort, nach schwelendem Plastik, teuflisch.

Achim springt sofort zu den Schaltschränken. Der erste Blick sagt alles. Wir sind direkt getroffen worden.

verkohlter Antennen-Splitter

verkohlter Antennen-Splitter

 

Bereits seit einer Stunde sind wir wach. Halten Ankerwache, falls wir oder einer unser Ankernachbarn auf Drift geht. Um uns herum wird der Weltuntergang geprobt. Es gießt wie aus Eimern, die Sicht beträgt kaum 100 Meter. Und Blitze. Im Zehn-Sekundentakt kommen sich herunter.
Und dann dieser Knall.

Als es hell wird und wir sicher sind, dass nicht noch ein Schwelbrand hinter einem Schrank schlummert, gehen wir auf Fehlersuche. Fast alle elektrischen und elektronischen Geräte sind kaputt: Tiefenmesser, Plotter und Autopilot. Der Windgenerator dreht nur noch müde vor sich hin, das gesamte Zubehör für den Kurzwellenfunk ist tot.
Wie durch ein Wunder haben die Handy, Pads und Laptops überlebt. Das UKW-Funkgerät, unser Autoradio und der Barograph.

Eine Katastrophe. Der Super-Gau. Alles hin. Nicht nur die Geräte, auch unsere Pläne. Mit einem einzigen Schlag ist alles anders.

In Puerto Lindo können wir mit diesem Schaden nicht bleiben. Hier gibt es zwar die kleine Werft. Aber wir sind drei Stunden Autofahrt von Colon entfernt und ernsthaft, hier kann man ja nicht mal mit Kreditkarte bezahlen.
Wir beschließen nach Colon zu fahren in die Shelter Bay Marina.
Aber wie kommen wir hier weg?

Der Plotter ist hin. Aber da die Laptops laufen, haben wir eine Navigation. Schon lange haben wir überall Backups für so einen Notfall aufgespielt. Auf allen Laptops ist OpenCPN mit CM93 und Bauhaus Karten installiert.

Bleibt noch der Funk. Das UKW-Gerät funktioniert, aber wir haben keine Antenne mehr. Die hat der Blitz vom Mast gesprengt. Scherben vom Toplicht, was ebenfalls explodiert ist, finden wir an Deck verstreut. Die Antenne ist verschwunden.

Hier steckte mal eine Antenne

Hier steckte mal eine Antenne

 

Das versprengte Top-Licht

Das versprengte Top-Licht

Die Kanal-Aufsicht möchte, dass man sich 10 Meilen vor Annäherung an den Kanal per Funk anmeldet. Der Schiffsverkehr dürfte dort beträchtlich sein. Alle wollen durch das Nadelöhr. Wenn dann noch die Sicht so schlecht ist, wie heute, können wir ohne Funk dort nicht gefahrlos fahren. Unser AIS Signal ist mit der Antenne zusammen verschwunden.

Wir brauchen eine Ersatz-Antenne. Achim kann unmöglich in den Mast klettern. Es regnet den ganzen Tag sintflutartig. Elekrto-Arbeiten sind unmöglich. Außerdem steht ein grauenhafter Schwell in der Bucht. Wir krängen 10 Grad zu jeder Seite. Der Mast schlägt sicher drei Meter aus – zu jeder Seite. Zum Glück schlummert am Heckkorb unsere UKW Notfallantenne. Die war eigentlich für den Fall vorgesehen, falls man mal gar keinen Mast mehr hat. :mrgreen:

Achim polt das Funkgerät auf diese Antenne um und: voila! Unsere Funk-Reichweite dürfte nun drei Meilen betragen. Keine zehn Meilen mehr wie sonst, aber besser als nichts. Damit können wir es in den Kanaleingang wagen.

So gerüstet können wir Morgen die dreißig Meilen nach Colon antreten.

Während Achim bastelt, bereite ich für Morgen einen Kartoffel-Salat vor. Der Schwell ist so heftig, dass ich die Verriegelung vom Herd lösen muss, damit der Herd kardanisch schwingt und ich überhaupt Kartoffeln kochen kann.
Der Salat ist fertig und beim Wegräumen der Gurken höre ich es hinter mir klatschen. Die Schüssel liegt umgedreht auf dem Boden. Der Salat schwimmt grade davon. Die Soße läuft zwischen die Bodenbretter
Schnell schaufel ich alles in die Schüssel zurück. Hey, in diesem Salat stecken unsere letzten zwei Eier und die vorletzten Kartoffeln. Ich halte es mit der ‚Verzweifelte-Hausfrauen -Regelung‘: „Was keine fünf Sekunden auf dem Boden gelegen hat, ist noch essbar.“
Während ich so den Salat in die Schüssel racke, kommt mein unbeaufsichtigtes Gurkenglas ins Rutschen. Das Essigwasser findet seinen Weg direkt in den Kühlschrank, den ich grade gestern ausgewischt habe.

Bis zu dem Zeitpunkt konnte ich noch alles ertragen, jetzt fließen die ersten Tränen. Worte über die Stimmung an Bord erspare ich mir. ;-)

10 Gedanken zu „Vom Blitz getroffen

  1. Ralph

    Hallo ihr beiden,
    Das ganze klingt wie ein schlechter Traum. Und es wird sicher auch wieder ein paar ungeplante Ausgaben für die Bordkasse nach sich ziehen. Wir drücken euch die Daumen, dass ihr die ganzen Ersatzteile in Panama bekommt und dass sich die Versicherung kooperativ verhält.
    Zum Glück ist euch beiden nix passiert!
    LG, Ralph

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  2. Jürgen Willner

    Hier verschlägt es mir die Sprache. Mit dem berühmten Kastenmaul lese den Blog. Das tut mir sehr leid für euch, bin aber froh, dass eure haut noch ganz ist. Mal abgesehen von dem nicht unerheblichen finanziellen Schaden ( Versicherung????) wieder unendliche Rennerei .
    Ich drücke euch die Daumen.
    Jürgen

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  3. Peter Kuszmann

    Mir hat das Herz schneller geschlagen, als ich eure Zeilen las! Gott sei Dank, dass Ihr heil seit! Ein Blitz ist nie Kinderspiel! Ich bin mir sicher, dass eure erfinderische Überlebungskraft daruber hin weg helft. Wenn das Kartoffelsalat gerettet ist, kann ja nicht viel schlimmeres kommen, Kuhltruhe mit oder ohne Essigwasser, ist ja Wurst, hauptsache man kann darüber noch lachen! Riesige Umarmung an Euch beiden aus den Fernen, wir fuhlen mit Euch!

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  4. Babsi und Eric

    Ihr Lieben, da hattet ihr ja trotzdem mächtig Glück im Unglück, dass nichts gebrannt hat und sich niemand verletzt hat. Trotzdem ist so etwas schon schlimm. Ich (Babsi) habe gerade zu Eric gesagt, ich hätte wahrscheinlich genau so reagiert wie du….tapfer noch den Salat gemacht und dann beim Essigmalheur erstmal losgeweint.
    Irgendwann ist dann auch mal gut!
    Wir Glüxpiraten drücken euch und hoffen, dass eure Versicherung sich kulant zeigt!
    Babsi und Eric

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  5. Cornelia

    Oh, wie schrecklich! Das ist das, wovor wir die meiste Angst haben, dass so etwas mit unserem Boot passieren könnte! Wir drücken Euch die Daumen, dass Ihr in Panama alles regeln könnt, aber es war bestimmt die beste Entscheidung, nach Colon zu segeln. Wir fiebern schon auf die nächsten Berichte.
    Liebe Grüße von der Hexe

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  6. Petra

    Mir ging es wei Jürgen, es hat mir die Sprache verschlagen. Mit offenem Mund habe ich den Bericht gelesen. Glücklicher Weise seid ihr heil und gesund geblieben. Sieh es positiv, den Kartoffelsalat könnt Ihr noch essen, Essigwasser reinigt, und den Blitzschlagschaden sollte eigentlich die Versicherung bezahlen.
    Ich drücke Euch die Daumen, dass Ihr alles schnell geregelt kriegt
    LG

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  7. Joanna

    Furchtbar ! Haltet die Ohren steif. Ich weiß, ihr werdet es meistern!
    Ich liebe normalerweise Gewitter. Auf See habe ich gelernt, sie zu fürchten. Marcel bekommt euren Artikel gleich vorgelesen. Ich predige seit Jahren, Geräte auszustöpseln.
    Alles Gute!
    Joanna von SY CHULUGI

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