So., 29.Nov.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2373, 21.218 sm von HH
Schlechte Zeiten für Pläne, aber wir wagen es trotzdem.
Wo wollen wir hin? Wo können wir hin? Die Zyklon-Saison hat begonnen, aber die Saison 2020/2021 wurde als LaNiña Jahr eingestuft. Das bedeutet, dass sich das Meer im Ostpazifik nicht so sehr erwärmen wird, wie in normalen Jahren. Kühles Wasser = keine Wirbelstürme. Keine Wirbelstürme ist eine gewagte Aussage, aber für Französisch Polynesien wurde das Risiko auf minimalst eingestuft.
Die Anzahl der positiv auf Corona getesteten ist vor Ort weiterhin fast an der Weltspitze. Es dürfte nach den veröffentlichten Zahlen im Großraum Tahiti jeder Zehnte Corona positiv sein – ohne Dunkelziffer. Es wird intensiv auf Abstand halten und Maskenpflicht hingewiesen und auf dem Markt wurden Pfeile auf den Fußboden geklebt, damit die Menschen im Gewühl nicht durcheinander laufen. Die Ausgangssperre wurde verlängert und aus Frankreich ist Pflegepersonal eingeflogen worden. Aber von einem Lockdown ist nichts zu spüren. Und ohne Lockdown sind wir frei dahin zu segeln wohin wir möchten.
Fünf Inselgruppen stehen uns in Französisch Polynesien zur Wahl. Nach Gambier möchten wir nicht noch einmal. Wir haben dort insgesamt fast neun Monate verbracht. Schöne Monate, aber dieses Jahr soll es woanders hingehen.
Gambier ist gestrichen.
Die Austral-Inseln wollten wir eigentlich schon letztes Jahr besuchen. Diese Inselgruppe ist die am wenigsten von Seglern angelaufene. Abgelegen, bergig, unberührt und dünn besiedelt, wären sie wahrscheinlich die spannendste Wahl. Aber im Geheimen sind wir froh, dass daraus nichts geworden ist. Wir haben letztes Jahr dauerhaft das Wettergeschehen vor Ort verfolgt und dort fliegt einem regelmäßig die Mütze vom Kopf. Fünfzig Knoten Wind sind keine Seltenheit. Das in Kombination mit schlechten Ankerplätzen ist nicht the yellow from the egg. Dazu kommt, dass sich die Einwohner der Austral-Inseln vor Corona am stärksten abgeschottet haben. Sind wir da überhaupt willkommen?
Austral ist gestrichen.
Die Tuamotu. Flache Inseln ohne Berge und mit Schotterstränden. Türkis so weit das Auge reicht. In Hao sind wir verliebt. In Raroia haben wir mit dem Korallenblock geknutscht und mögen das Atoll trotzig schon deswegen nicht. Wir halten die weitläufigen Ringatolle für üble Mausefallen. Gefährlich in der Navigation. Immer wieder kommt es zu Totalverlusten von Segelbooten. Sie sind nicht unser Ding und der absolute Funke will nicht überspringen.
Tuamotu sind gestrichen.

Tuamotu sind gestrichen – Atoll an Atoll verteilt auf ein riesiges Gebiet
Bis hierhin war es einfach.
Bleiben noch die Marquesas und die Gesellschaftsinseln übrig. Wir haben das ‚für‘ und ‚wider‘ diskutiert und abgewogen. Einmal, zweimal, dreimal … Wer hat schon mal mit einer Waage zusammen eine Entscheidung treffen müssen? Ich bin Waage.Da können die Vor- und Nachteile schon mal so lange durchgekaut werden bis es nicht mehr nach Pfefferminze schmeckt. Was wollen wir? Was erwartet uns?
Der größte Nachteil der Marquesas: Ein 800 Meilen Ritt gegen den Wind. Hatten wir letztes Jahr schon nach Gambier – da sind am Ende 1.100 Meilen draus geworden. Kann man machen, aber muss man das? Ihr größter Vorteil, sie gelten als einhundert Prozent Zyklon frei, egal ob es sich um ein La Niña Jahr handelt oder nicht. Das ist schön, das macht ein gutes Gefühl.
Sie haben rollige Ankerplätze, weil keine der Inseln ein Saumriff besitzt, was den Pazifik-Schwell abhält. Dadurch fehlen ihnen die Lagunen. Keine Lagunen, kein türkis Wasser und kaum Strände. „Dafür gibt es dort Mantas ohne Ende und Haie.“ – „Ja, aber du willst nicht im undurchsichten Wasser mit Haien schnorcheln, oder? Außerdem haben die Societies das auch. “ „Ja, aber nicht so.“
„Die Marquesas sind nicht so touristisch wie die Gesellschaftsinseln.“ – „Na und, es gibt dieses Jahr sowieso keine Touristen hier.“
„Und außerdem ist es jetzt hier schon super heiß, was meinst Du, wie es erst auf den Marquesas wird?“ – „Ja, aber dafür gibt es keine Zyklone.“
„Durch den Schwell ist das Anlanden häufig schwierig und so habe ich gelesen, gerne mit einem Überschlag mit dem Dinghy verbunden.“ – „Das hatten wir schon, das braucht auch kein Mensch.“ „Und es gibt Nonos!“ Mikrokleine Sandmücken, die einem auch tagsüber die Beine zerfressen.
„Die Marquesas haben hohe Berge zum Wandern.“ – „Haben die Gesellschaftsinseln auch.“
„Es ist teurer auf den Gesellschaftsinseln.“ – „Zweitausend Meilen hin und zurück segeln ist auch nicht umsonst.“
„Sag mal ehrlich, was möchtest Du am liebsten?“- „Ach, ich weiß auch nicht, ist schwierig.“
„Dann lass uns die Gesellschaftsinseln nehmen. Ist doch auch mal schön, nur 50 Meilen segeln zu müssen und schon ist man auf der nächsten Insel.“ – „Ja, aber alle sagen, man muss die Marquesas gesehen haben ….“ – „Na und, wer weiß, vielleicht hängen wir noch ein Jahr in Polynesien, dann wäre immer noch Gelegenheit…“
Man mag es nicht für möglich halten, wir haben uns entschieden, Marquesas sind gestrichen. Ahoi, Gesellschaftsinseln wir kommen!
Sehr nett geschrieben, klingt wie Entscheidungsfindung bei uns nur minus 5 Stunden Diskussion und Streit
Handbreit!
Michael
Manche Dinge brauchen Diskussion.
Schneller geht es, wenn nur einer das Sagen hat und der andere kuschen muss. So einen Kerl suche ich mir im nächsten Leben.