Wir geben uns geschlagen …

04.-06.04.24,  Australien/WA/Kennedy Ranges NP, Tag 126-128 Roadtrip,11.029 km total, 136+233 Tages-km

Nach der Schaffarm legen wir einen erneuten Stopp in Carnarvon ein. Ein Scheidepunkt, ob man Richtung Norden an der Küste bleibt, oder durch die Hinterhöfe im Inland weiter fährt. Die Temperatur-Vorhersagen fürs Outback sind weiterhin hoch: 37 bis 40 Grad. Zu heiß für die Jahreszeit hört man überall. Wir entscheiden uns trotzdem für die Wüste, eine wenig gefahrene Route.

Die ersten 180 Kilometer sind asphaltiert und führen durch plattes Land. Drei Pkw und zwei Lkw kommen uns entgegen. Rechts und links nur Unendlichkeit an Buschland. Plötzlich geht Achim in die Eisen. „Ich bin sicher, da sitzt ein Thorny Devil – ein Dornteufel auf der Straße. Wir drehen um. Und tatsächlich. Das unscheinbare Stöckchen entpuppt sich als die schönste Echse Australiens. Wie auch immer Achim Adlerauge das erkannt hat?

Dornteufel – keine 20 cm lang. Er hat Kapillare auf der Haut durch die Wasser bis zu seinem Maul geleitet wird. Stehendes Wasser trinkt er nicht. Er frisst nur Ameisen und ist eigentlich nicht zu sehen, wenn es zu heiß wird.

Auf Sand ist er gar nicht mehr auszumachen. Achim hat ihn mit dem Kochlappen-Handschuh vom Asphalt gehoben, damit er nicht überfahren wird. Fand er doof und hat direkt seinen Schwanz aufgestellt und gedroht. Guten Weg, kleiner Schönling.

Wedge-tailed Eagle. Keilschwanzadler. Er hat bis 2,5 Meter Spannweite. Häufig haben wir sie schon auf Aas an der Straße gesehen. Meistens auf  überfahrenen Kängurus.

Immer wieder Rindvieher neben der Straße. Wovon die sich ernähren??

Ein Zwischenstopp im 150-Seelen-Dorf Gascoyne Junction bestätigt unsere Internet-Informationen. Alle Schotterpisten, die wir fahren wollen, haben geöffnet. „Tanke, wenn du die Möglichkeit hast, wer weiß, ob es an der nächsten Tankstelle möglich ist “, lautet eine eiserne Regel im Outback. Das scheint ein guter Rat zu sein: die Zapfsäule in Gascoyne Junction ist defekt. Nächste Tankstelle weitere 260 Kilometer entfernt.

Gasconye River in Gascoyne Junction. Der Fluss ist Richtung Meer total trocken. Aber 180 Kilometer von der Küste entfernt führt er Wasser.

Ein Nebenfluss auf dem Weg zum Campingplatz – vor ein paar Tagen war die Straße noch gesperrt, weil es vor drei Wochen geregnet hat. Die Messlatte zeigt gut, wie hoch das Wasser hier stehen kann.

Wir biegen auf eine gut gewartete Schotterpiste ab, die 60 Kilometer zum Kennedy Ranges Nationalpark führt. Eine Stunde später erreichen wir die Tafelberge. Was für eine Szenerie. Einfach großartig. Außer uns sind bereits zwei weitere Camper anwesend.
Wanderwege starten direkt am Campingplatz und die sind spektakulär. Führen tief in die engen Schluchten hinein. Durch ausgetrocknete Bachläufe.  Es ist viel Kletterei über vom Wasser mitgerissene und liegen gebliebene Felsen. Häufig muss ich die Hände zur Hilfe nehmen. Nicht ganz unanstrengend. Die Empfehlung lautet, vier Liter Wasser mitzunehmen. Und ja, es ist heiß. Ziemlich heiß. Aber inzwischen sind wir tatsächlich so gut an viel Hitze gewöhnt, dass wir gut damit klar kommen.

Frühstück vor Traumkulisse

In der Temple Gorge sind die Farben nicht von dieser Welt.

Steinformationen im Farbentaumel

bizarr

wie rosa Nasenlöcher

 

 

Wanderung mit Aussicht an Tag zwei

Wasserlose Wasserfälle führen zum Kopf der Tafelberge und bieten ein cooles Panorama. Recht heftige Kletterei zum Teil.

Endloses Land

Unten auf der Ebene liegt der Campingplatz – unser Bundy ist knapp von der Bergnase verborgen.

Kennedy Ranges – die weiße Fläche rechts ist kein Wasser, sondern ein Salzsee.

Billabong – dass sich die Wasserlöcher überhaupt halten können bei der Hitze, wundert uns. Viele Känguru-Spuren und etwas völlig Unerwartetes:

Die Kaulquappe muss sich beeilen. Jeden Tag wird der Tümpel kleiner.

 

Nachts sinkt die Temperatur auf 24 Grad. Kein Windhauch regt sich. Alles ist ruhig. Selbst die letzten Grillen schweigen. Die Luft liegt wie Seide auf der Haut. Wir löschen alle Lampen. Die Milchstraße glitzert als weißes Band am Himmel. Die Sterne scheinen zum Greifen nah. Die Welt bleibt stehen. Alles wird klein und unwichtig. Eine Nacht zum Niederknien.

 

Die Aufgabe, die Kapitulation. Wir beugen uns …

Diese himmlisch ruhigen Stunden haben wir uns hart erkauft. Zu hart. Nennt uns gerne Weicheier. Kein Problem. :mrgreen:

Diese Schönheit ist gepaart mit der garstigen Seite der Natur.

– Gleich beim Aussteigen am Campingplatz ist klar, hier gibt es Fliegen. Unfassbar viele Fliegen. Milliarden. Sofort ziehen wir uns die Fliegennetze über den Kopf. Aushaltbar!

Netzt vorm Kopf – 12 Stunden am Tag. Ohne Netz vorm Gesicht und beide Hände mit etwas beschäftigt, geht nicht. Die Viecher kriechen in die Augenwinkel, Ohren und Mundwinkel. Eine Hand muss zum Wedeln immer zur Verfügung stehen.

Fliegen! Alles, was nur ein klein wenig feucht ist, wird sofort besetzt.
Frisch ausgezogene Wandersocken zum Beispiel … yuck.

– Nur fünf Minuten später habe ich drei Bremsenstiche kassiert. Mit ihren Stacheln dick wie Stopfnadeln hinterlassen sie schmerzhafte Stiche. Dagegen hilft Mückenspray. Aushaltbar!

– Lebensmittel auszubreiten, kann man wegen der Fliegen vergessen. Wir wissen aber inzwischen, dass zehn Minuten nach Sonnenuntergang alle Fliegen verschwunden sind. Unser Abendessen ist entsprechend durchorganisiert. Während der kurzen Dämmerung von zwanzig Minuten schneide ich einen Krautsalat. Ein Rest Kartoffelsalat vom Vortag wartet im Kühlschrank. Dazu gibt es fertige marinierte Hühnchen-Spieße vom Grill.
Als alles bereit steht, ist es dunkel geworden. Wir schalten zwei Lampen an. Während die Spieße brutzeln, kann der Krautsalat durchziehen.
Gegen die Mücken, die nun auftauchen, hilft eine zweite Lage Spray. Alles aushaltbar!

– Noch während die Spieße brutzeln, erreicht uns eine Invasion kleiner Käfer. Auf dem heißen Herd machen sie beim Verbrennen Geräusche wie Popcorn. Im Krautsalat sind sie nicht mehr vom Kümmel zu unterscheiden. Wir haben jetzt schon mehrfach im Dunkeln, sowohl auf Campingplätzen als auch im Outback gekocht. So etwas kennen wir bislang nicht. Vor lauter Käfer aus dem Essen puhlen, vergeht uns der Appetit. Nicht aushaltbar!
Spontan ist Ruhe, als wir die Lampen löschen und die Sterne ihre Arbeit machen lassen. Das ist aber zu wenig Licht zum Essen.

Käfer-Invasion. Es sieht auf dem Foto nicht sooo beeindruckend aus. Es waren Tausende.

– Am nächsten Morgen erscheinen uns die Fliegen noch mehr geworden zu sein. Unter dem Netz ist es warm, man kann schlecht sehen. Und immer wieder schaffen es welche darunter zu kriechen. Sie krabbeln auf den Armen und Beinen. Das Gesumme hört nicht auf.
Wir können ihnen nicht entkommen. Ein Wohnwagen wäre schön. Wir gehen sogar in der schlimmsten Nachmittagshitze noch einmal in die Schlucht. Beim Laufen ist es erträglich. Uns ins Zelt zu verziehen, vermeiden wir aus zwei Gründen: viel zu heiß und es ist unmöglich durch die Gaze-Tür zu kommen ohne Fliegen mitzunehmen.

Tiefer Schatten in der Schlucht. Und man kann sich einbilden, dass es hier weniger Fliegen gibt. So schön hier.

– Am nächsten Morgen zum Frühstück sind sie noch etwas träge. Das ist grade noch genießbar. Viel Wedelei und schnell, schnell fertig werden.
Unser Mittagessen ist der Rest vom Vorabend und fällt eklig aus. Der Krautsalat ist gut durchsetzt mit Käfern. Achim isst während er läuft und schaufelt sich ungeprüft alles unter sein Fliegennetz in den Mund. Ich esse ohne Netz, nur mit der Gabel. Eine Hand zum Wedeln, um die Fliegen vom Essen und aus dem Gesicht fern zu halten. Ein unmögliches Unterfangen. Zumal ich die falschen Kümmel-Käfer aussortieren möchte. „Ich hatte keine Käfer“, Achim ist sich sicher. Ich mir auch, er hatte reichlich. :mrgreen:

– Ich hoffe am ersten Abend bei den Käfern noch auf eine Art Ereignis – nur einmal im Jahr zum ersten Neumond im April oder so was. Wir warten am zweiten Abend ab,  bis es richtig dunkel ist, machen dann Licht an und da fliegen sie auch schon herbei. Somit kochen wir nicht, sondern es gibt nur Brot mit Dosenfisch. Schnell runter geschlungen. Grade aushaltbar! Aber auf Dauer wertlos, wenn wir nicht mal kochen und richtig essen können.

– Wir löschen alle Lampen. Und da ist sie wieder, diese unbegreifliche Milchstraße. Es ist unbeschreiblich schön und wir sind insektenfrei.
Uns knurrt der Magen. Das Essen ist sparsam ausgefallen über den Tag. ;-)

Wir hatten den absoluten Willen durchs Inland zu fahren. Aber wir geben auf – nach zwei Tagen haben wir genug. Wir fahren zur Küste zurück. Das Outback muss warten. Wir geben diese Schlacht geschlagen, aber nicht den Krieg. Angeblich soll es im Winter keine, viel weniger oder wenige Fliegen geben. Je nachdem, wen man fragt.

Wir kommen wieder! Es ist einfach zu schön da draußen.

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2 Gedanken zu „Wir geben uns geschlagen …

  1. Sabine

    Wir sind gar nicht so tapfer, denn wir sind ja auch geflohen. ;-)
    Die Belohnung fürs Aushalten ist groß, denn die Landschaft unter der Schicht Fliegen ist traumhaft.

    LG

    Antworten

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