Mit halben Wind nach Gran Canaria

Fr., 23.Jan.15, Gran Canaria, Tag 237, 2.421 sm von HH

Gerade als wir los wollen, stellt Achim fest, dass unser Toplicht nicht funktioniert. Also noch mal eben in den Mast geklettert, Wackelkontakt lokalisiert, behoben und los geht’s. Leider stellen wir dann unterwegs fest, dass der Wackelkontakt noch besteht und wir als Licht-Orgel den Atlantik besegeln. Da muss er dann wohl noch mal ran. ;-)

Die Windvorhersage auf den Kanaren ist ‚jeden‘ Tag gleich: Nord- bis Nord-Ost in Stärke 4,5 oder 6. Man braucht hier also nicht auf die berühmten Wetterfenster warten, sondern entscheidet, Morgen geht es weiter. Wir entscheiden uns extra für Donnerstag mit nur 5 Windstärken als Vorhersage. Es gibt hier auf den Kanaren örtlich genau abgegrenzte Wind-Beschleunigungs-Punkte, an denen der Wind mit bis zu drei Windstärken stärker ausfallen kann. Diese Gebiete befinden sich meistens an Kaps der einzelnen Inseln (blau auf dem Foto) und sind mit Vorsicht zu genießen. Immer wieder bekommt man Hinweise darüber.

Dieser Windverstärungs-Effekt ist um so stärker, je heftiger der Wind sowieso schon weht. Da wir bei der Rundung der Südspitze von Fuerteventura durch zwei solcher Zonen kommen und dies auch noch, wenn es bereits dunkel ist, entscheiden wir uns als Besegelung für unsere kleine Fock und lassen das Großsegel unten. Von diesen Düsen bleiben wir zum Glück unbehelligt, im Gegenteil in der Abdeckung der Insel haben wir wenig Wind und Welle. Das beschert uns bis Mitternacht fünf Stunden ruhige, aber auch eine etwas langsame Rundung Fuertes.

Wir sind für diese Windverhältnisse etwas untertakelt, behalten das aber bei, denn bereits um 21:00 Uhr ist auch die kleine Monsichel unter gegangen und erste Wolken ziehen auf, so dass das Meer schwarz vor uns liegt. Boen rechtzeitig auf dem Wasser zu erkennen ist somit nicht möglich.

Um 0:30 kommen wir aus der Abdeckung von Fuerte raus und bekommen nun den Wind genau von der Seite. Das ist unter Seglern eigentlich recht beliebt, beschert einem Segelboote bzw. dessen Crew aber die größtmögliche Krängung (Schräglage). Zunächst frischt der Wind auf 18 bis 22 kn auf (Windstärke Ende fünf, Anfang sechs wie vorher gesagt) und unsere Fock zieht uns recht gemütlich Richtung Las Palmas. Nach einer Stunde haben wir konstant 25 kn Wind und erste 30er Boen sind dabei.

Ausgerechnet als wir etwas reffen wollen (Achim hatte sich gerade hingelegt), kommt uns auf unserer Kurslinie eine Schnellfähre entgegen. Da noch nicht ganz klar ist, wer wen an welcher Seite passieren wird, funken wir sie an und warten ab, bis die Situation klar ist. Diese Zeit reicht aus, um auch den Wind wieder auf Anfang 20 Knoten zurück gehen zu lassen.

Achim verschwindet also wieder im Bett und natürlich sind bereits eine halbe Stunde später die 30er Boen wieder da. Ich entschließe mich, ihn schlafen zu lassen und beobachte das Elend. Zunächst bin ich mit Adrenalin voll und hadere mit meiner Entscheidung, aber nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich an alles und ich kann mich fast entspannen. :mrgreen:

Die Welle nimmt mit stärkerem Wind ebenfalls zu, die Höhe ist für mich aber nicht zu schätzen, weil es zu dunkel ist. Ich glaube aber nicht, dass sie 2 Meter übersteigt. Ab und an hört man es neben sich auf dem Wasser giftig fauchen. Das sind Wellenkämme, die direkt neben Atanga brechen und schlürfend, gurgelnd und rauschend im Nichts verschwinden. Dazu heult und pfeift der Wind mächtig in den Wanten. Zusätzlich rauscht der Windgenerator und unter Deck ist alles am Klappern. Diese Ruhe auf See ist doch mit nichts zu bezahlen. ;-)

Wenn eine Welle und Boe uns unglücklich zeitgleich erwischen, legen wir uns mit 25 bis 30 Grad auf die Seite, richten uns wieder in die Senkrechte auf, um dann erneut, etwas weniger tief, auf die Seite zu gleiten. Dazu gibt es hin und wieder einen kleinen Nieselschauer und die Temperatur sinkt auf 16 Grad. Lange Unterwäsche, dicke Socken und Mütze sind Pflicht. Da muss ich dann schon schwer an mir arbeiten, um dem ganzen etwas Positives abzugewinnen. :-)

Im Morgengrauen läst der Wind dann ein wenig nach und um 10:00 erreichen wir wohlbehalten, nur etwas müde Las Palmas.

2 Gedanken zu „Mit halben Wind nach Gran Canaria

  1. Andreas undAnthrin

    Hallo Sabine und Joachim,
    es ist immer wieder schön, einen neuen Bericht von euch zu lesen.
    So eine Nachtfahrt zwischen den Kanarischen Inseln scheint ja ein Traum zu sein! Anthrin denkt seit der Lektüre über Wohnmobile nach.
    Liebe Grüße aus dem winterlichen Münsterland
    Andreas und Anthrin

    Antworten
  2. Sabine

    Hallo Ihr Neu-Camper,

    ich habe ein Abkommen mit Hymer. Für jeden abtrünnigen Segler gibt’s ’ne fette Premie. ;-)
    Viele Grüße aus dem verregneten Las Palmas.
    Sabine

    Antworten

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