Di., 03.Feb.15, Gran Canaria, Tag 248, 2.421 sm von HH
Boat-Hitchhiker werden die Tramper genannt, die hier in Las Palmas zu Dutzenden eine Passage, meist über den Atlantik, suchen. Es gibt aber auch einige, die wollen nur eine Insel weiter oder nach Afrika.
In allen öffentlichen Räumen, wie dem Waschmaschinen-Raum, hängen die meist Anfang bis Mitte 20-jährigen ihre, oft originellen, Suchanzeigen für eine Passage aus.
Die meisten sind Einzelkämpfer, aber es gibt auch eine Reihe Pärchen auf der Suche.
- Flyeraushang in der Wäscherei
- Joana
- Lempi und Rina
- Christina
Zur Zeit der ARC, wenn hier am meisten Betrieb ist, sind es bis zu 60 Tramper, die ein passendes Boot suchen. Da jetzt bereits die meisten Schiffe für diese Saison drüben sind, ist die Gemeinde der augenblicklich Suchenden nur ca. 20 Personen stark.
Die jungen Leute klappern fast täglich die Stege nach neu angekommenen Schiffen ab und somit werde ich von Anna und Paul angesprochen.
Nach einer kurzen Vorstellung erinnere ich mich, dass mir schon ihr individueller „Koch-Arround-the-World“-Aushang aufgefallen war.
- Anna und Paul
Die zwei wollen aber gar nicht bei uns mit segeln, sondern laden uns zum Essen ein.
Sie berichten mir, dass sie auf einem großen Schiff Unterschlupf gefunden haben und heute Abend kochen wollen und dazu „alle“ Hitchhiker und ein paar Segler einladen, damit man sich besser kennen lernt.
Die beiden sind mir sofort sympathisch, also sage ich spontan zu, dass wir um 20:00 Uhr bei ihnen auftauchen werden.
- Einladung zum Hitchhiker Dinner
Somit finden wir uns abends unerwartet mitten zwischen einer super bunten Schar Tramper wieder. Außer uns ist nur noch ein Franzosenpaar mit Säugling von der Segler-Fraktion vertreten. Die drei werden besonders hofiert, da sie innerhalb der nächsten zwei Wochen weiter wollen und vor allem die französischen Landsleute sich eine Chance ausrechnen von ihnen mitgenommen zu werden.
Dass wir erst in Monaten weiter fahren, spricht sich schnell rum und somit können wir unbefangen plaudern.
Anna und Paul kochen eine vegetarische, indonesische Bananen-Reis-Pfanne mit Erdnüssen und ist total lecker. Da es zu wenig Teller gibt, wird in Etappen gegessen und Pärchen müssen sich einen Teller teilen. Zum Nachtisch macht Anna in Weißwein karamellisierte Birnen und zu trinken gibt es alles das, was die Gäste mitbringen.
Das Segelboot auf dem sich die ca. 20 Menschen tummeln, ist ein Chaterboot, welches hier wegen einer Reparatur festliegt und wird von einem jungen Bayern, selbst erst knapp 30, als Skipper betreut. Er hat Anna und Paul eine Koje zur Verfügung gestellt, damit sie nicht mehr in besetzten Häusern übernachten müssen (wie gut, dass der Eigner nichts von seinem Glück weiß).
Die meisten der Anhalter schlafen in besetzen Häusern hier in Las Palmas.
Die Mischung der Tramper könnte nicht bunter sein, Spanier, ein Argentinier, US-Amerikaner, Franzosen und fast alle haben eine coole Geschichte zu erzählen.
Anna und Paul haben nach dem Studium (Politik) ihre Reise im Iran begonnen und sind über die Türkei bis nach Spanien getrampt und dann, vor vier Wochen, hier gelandet. Sie geben sich noch Zeit bis Sonntag, dann brechen sie ihre Hitchhiker-Aktion ab und werden vom spanischen Festland aus nach Mexico fliegen. Aber mit einer Reise nach Brasilien hätten sie auch kein Problem.
Aurora, Französin, will nach Kanada, da sie dort ein work-and-travel-Visum hat.
Manchmal klopfen verrückte Jungs sogar mit Hausratte auf der Schulter bei den Seglern an und selbst solche Exoten finden das passende Schiff, wenn auf der anderen Seite ebenfalls ein Rattenliebhaber steht. Wie man uns berichtete ist die allgemeine Erfolgsquote sehr hoch und die Wartezeit selten länger als 4 Wochen. Große Schiffe nehmen auch mal ein Dreierteam auf Schlag mit.
Meistens „müssen“ die Tramper dann sauber machen, Kinder an Bord bespaßen oder kochen. Zum Segeln kann man die wenigsten gebrauchen, da fast keiner der Anhalter Segelerfahrung hat. Aber man erhält Sprachen- oder Gitarrenunterricht.
Aus Rücksicht zu den benachbarten Booten, ziehen wir alle um kurz vor Mitternacht noch an den Strand, denn es werden die Gitarren und Trommeln bearbeitet und Paul holt seine Trompete raus mit der er in Teheran 20 EUR in der Stunde als Straßenmusiker verdient hat.
Wir verabschieden uns um kurz nach 2:00 von dem sympathischen Haufen, ziehen mit dem Kopf voller toller Geschichten auf unser Schiff zurück und sind begeistert von dem Mut, den diese Youngsters haben.