Mit dem Fahrrad zum Lidl

Di., 12. Mai 15, Teneriffa, Tag 345, 2.477 sm von HH

Zuletzt war ich im November, noch in Portugal, beim Lidl und dachte, da könnte ich mal wieder hin. So einige Sachen gibt es in Spanischen Supermärkten nicht, sehr selten oder teuer.
Zum Beispiel Quark und Würstchen.

Ich will es gleich vorweg nehmen: das war wohl mit Abstand die dämlichste Idee, die ich seit langem hatte.

Der Lidl liegt vor La Laguna auf ca. 500 Höhenmetern, die sich auf eine Entfernung von 13-15 km hinziehen. Dass ich so eine Steigung nicht mit dem Rad hochstrampeln wollte, war klar.
Aber ich hatte in der Straßenbahn gesehen, dass man dort Fahrräder mitnehmen darf.

Die Bahn ist übrigens super modern, seine Fahrkarte kann man vom Handy aus über einen qr-Code, der über der Tür klebt, entwerten.
Und Schwarzfahren kostet sagenhafte 400 EUR. Das macht aber keiner, weil man auf jeder Fahrt kontrolliert wird.

Nach 30 Minuten bin ich dann an meiner Lidl-Station. Auf dem Stadtplan hatte ich gesehen, dass ich einmal unter der Stadtautobahn unter durch muss. Dieser Tunnel ist fix gefunden. Die restlichen zwei Kilometer bis zum Laden führen durch Wohngebiet.
Alles andere als ebenerdig. Ich muss noch ganz schön den Berg hochschnaufen.

Total verschwitzt komme ich beim Lidl an, aber im Laden ist es so eiskalt, dass ich schnell abkühle. Wahrscheinlich gibt’s jetzt noch einen steifen Nacken oder eine Erkältung gratis dazu.

Da mir schon zu diesem Zeitpunkt klar ist, dass ich diese Aktion nicht wiederholen werde, packe ich ordentlich Backmischungen, Würstchen und Haribo ein.
Die Satteltaschen sind gut gefüllt und mein Rucksack hat bestimmt auch an die 10 kg.

Mein Plan ist, wieder zur Haltestelle zurück zu radeln, um mich dann parallel zu den Schienen, gemütlich zum Hafen rollen zu lassen. Und dabei noch etwas von der Stadt zu sehen.
Die Haltestelle finde ich auf Anhieb wieder, gerate zwar fast auf den Autobahnzubringer, kann mich aber auf einen Fußweg retten.

Neben den Schienen zu fahren, klappt im Prinzip gut.
Allerdings ist es an den Haltestellen sehr wuhlig, weil viele Fußgänger kreuz und quer laufen, Zubringerbusse die Fahrbahn blockieren oder Autos noch mal eben Leute raus lassen.

Nach ein paar Kilometern verschwindet die Straßenbahn dann in einem Tunnel.
An den hatte ich nicht gedacht.
Der ist zwar nur 500 Meter lang, aber aus gutem Grund hat man einen Tunnel gebaut, denn oberirdisch verläuft hier ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt mit tausend Ampeln, Kreiseln und Kreuzungen.
Lange Rede, kurzer Sinn, ich verliere meine Schienen.

Da jetzt der Verkehr deutlich ruhiger ist, bin ich erst nicht böse drum und mache ich mir gar nicht so große Gedanken darüber.
Hätte ich das man gemacht!

Ich fahre also nach Gefühl munter weiter.
Ich weiß noch aus Las Palmas, dass man in diesen Städten, die von etlichen Schluchten durchzogen sind, nicht einfach irgendwo ins Wohngebiet abbiegen darf.
Denn diese Straßen bedienen nur Häuser, die etwas weiter unten stehen, drehen eine Kurve nach oben und enden auf der anderen Seite des Hanges wieder am Ausgangspunkt.
Ich halte mich also an die großen Straßen. Aber trotzdem erwischt es mich und auf einmal bin ich im Nirgendwo.

Boah, der Rucksack wird langsam immer schwerer und mein tonnenschweres Fahrrad kann ich vielfach nicht mehr die Steigungen hochstrampeln. Da hilft nur Schieben.
Grrr. Das ist mit den zusätzlichen 25 kg auch kein Spaß.
Ich könnte kotzen.

Gut. Irgendwann bin ich da wieder raus und suche mir einen neuen Weg.
Aber weiß der Henker warum, jetzt bin ich ganz nah an der Autobahn.
Ich bin kurz versucht, diese einfach mit dem Rad zu nutzen.
Dann entdecke ich aber einen kleinen Schleichpfad direkt daneben. Ich riskiere es und nehme diesen, ohne zu sehen, ob er bald endet und ich bergauf wieder zurück muss.
Aber ich habe Glück. Oder sowas ähnliches. Er führt mich zwar weiter, endet aber an einer Treppe mit 10 Stufen.
Ich könnte sowas wie kotzen.

Aber immerhin führt der Weg mich weiter.
Ich komme durch Industriegebiet, das Ziel unten am Meer immer im Auge. Mich trennen aber bestimmt noch 200 Hundert Höhenmeter vom Wasser.
Plötzlich endet mein Industriegebiet an einer Wiese. Dahinter beginnt gleich der Friedhof.
Nach links kommt man auf die Autobahn, nach rechts, keine Ahnung.
Ich entscheide mich für rechts.

Kurz bin ich versucht, meinen Rucksack ins Gebüsch zu werfen.
Diese Nebenstrecken verlaufen bergauf, bergab, aber gefühlt nur bergauf…
Ich schwitze wie eine Blöde, habe die doofen Würstchen, aber nichts zu trinken gekauft. Warum auch?

Zunächst erweist der Weg nach rechts sich als richtig, denn er führt weiter auf Meeresniveau runter und ich atme auf.
Ich komme nun durch Großindustrie-Gebiet. Es stinkt, jetzt ist die Straße hubbelig und mit Schlaglöchern übersät. Das Fahrrad vibriert, die Würstchen vibrieren, ich vibriere.

Und dann, ich kann es nicht glauben, sehe ich eine zweite Autobahn. Es ist die, die nach Süden führt.
Mein Industrieweg führt mich noch ein Stück weiter nach Norden, bis ich im Dreieck beider Autobahnen an einem riesigen Kreisel gefangen bin.
Mit den Rad auf die Autobahn zu fahren, bewerte ich jetzt als ernsthafte Option. Es ist nicht mehr weit, vielleicht drei Kilometer. Was soll schon passieren?
Okay, wenn die Strafe für Schwarzfahren schon 400 EUR beträgt…, aber was soll‘s. Ist ja nur Geld.
Ich könnte kotzen. Und weinen, wenn mein Körper noch Flüssigkeit übrig hätte, aber die ist bereits komplett ausgeschwitzt.

Ich drehe eine Runde im Kreisel, als ich ein kleines Schild für Lkw unter 7,5t entdecke.
Dieser Weg ist dann meine finale Rettung. Er führt mich zwar auch auf eine autobahnähnliche Straße, aber rechts ist ein Fußweg. Auf diesem Fußweg stehen zwar mittendrin Palmen, so dass es wohl doch kein Fußweg ist, aber egal.
Den nehme ich und komme so in die Stadt zurück. 10 Minuten später bin ich zu Hause.

Ich bin total kaputt, habe 10 Kilometer mehr auf dem Tacho als erwartet (alle bergauf) und das nur für ein paar schietige Würstchen.
„Du siehst total fertig aus“, sind die Begrüßungs-Worte, die mich empfangen. „ist was passiert?“

„Also, wo fang ich an? Ich glaub ich muss kotzen… und weinen.“

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