Schwell in Santa Cruz

So., 07. Jun. 15, La Palma, Tag 372, 2.587 sm von HH

Dieser Schwell zerrt an den Tampen.
Dieser Schwell zerrt an den Nerven.
Dieser Schwell erfordert besondere Maßnahmen.

Die letzten Tage war es besonders windig, somit schwellt und schwojet es heftig in der Marina. Tagsüber pfeifen die Böen mit 30 Knoten über uns paar verbliebene Yachten.

Das ist gar nicht mal so schlimm: Der Wind drückt uns von unserem Steg weg, wir liegen ein wenig schief, schaukeln aber nicht viel hin und her.
Der Wind heult in den Wanten und eine Marina typische Geräuschkulisse entsteht. Wir sind daran gewöhnt und es stört uns nicht so sehr.
So schlafen wir nachts friedlich ein. Allerdings schläft noch vor dem Morgengrauen auch der Wind ein.

Die Wellen bleiben wach und rollen unvermindert in den Hafen hinein.
Da dieser am Ende geschlossen ist, reflektieren sie an den großen Spundwänden, kommen zurück und treffen auf die nachkommenden Wogen.
Ohne den Winddruck, der uns auf einer Seite hält, fängt Atanga munter an zu schwingen.

Wir haben im Augenblick sieben Leinen draußen. Die vier üblichen an unserer Steg-Seite, drei an der anderen Seite, quer über die Box gespannt. In rascher Folge rucken wir abwechselnd in eine dieser Leinen ein.
Die Leinen dehnen sich soweit ihr Reck das zulässt. Dieser Reck macht unglaubliche Geräusche.
Es knarrt, ächzt, klagt und stöhnt.
Der Rumpf, als guter Resonanzboden, überträgt dieses Getöse zehnfach verstärkt in unsere Achterkoje.

Um 5:00 Uhr wache ich auf.
Im Halbschlaf und im Dunkeln kommt mir das Knarren ungewohnt kräftig vor. Ich erwarte jeden Augenblick einen Schwall Hafenwasser abzubekommen, weil auf meiner Seite ein Stück vom Rumpf heraus gerissen wird.
Zur Sicherheit lege ich mich in den Salon.  ;-) Hier ist es außerdem ruhiger.
Es wundert mich, dass Achim schlafen kann. Später erfahre ich den Grund: Ohrstöpsel!

Gut geschlafen hat er auch nicht und daher treffen wir Maßnahmen.
Da wir noch nie mit so einem Schwell zu tun hatten, besitzen wir keine Ruckdämpfer. Ruckdämpfer sind Federn aus Stahl, Edelstahl oder aus Kautschuk.
Diese werden als elastische Stelle zwischen Schiff und Landverbindung angebracht. Sie verlangsamen die Einruck-Geschwindigkeit und mildern die unangenehmen Schiffsbewegungen und Geräusche.

Von der Namastee erfuhren wir, dass sie Autoreifen als Ruckdämpfer-Ersatz verwenden. Diese sind in unser Fischerboot-freien Marina nicht aufzutreiben.
Daher nehmen wir zwei Pützen (Kautschuk-Eimer) und Wasserkanister und beschweren unsere Festmacher, so dass diese sich nur noch verlangsamt straffen können.

Als erste Maßnahme gut, aber es scheint, dass wir noch mehr Gewicht ausbringen müssen.
Da wir keine Frischwasser gefüllten Kanister nehmen möchten, heißt jetzt die Devise: trinkt mehr Wasser.

Die Marina Santa Cruz de La Palma muss man aushalten können.  :cool:

3 Gedanken zu „Schwell in Santa Cruz

  1. Michael Willner

    Halb ernst und halb lustig…das ist doch mal eine schöne Rechenaufgabe für den Physiker unter uns…
    Was sollen denn die 15kg Wasser in Eimer und Flasche gegen die Tonnage des Bootes ausrichten?
    Da fragt sich der Laie, wie sich die Gewichtskräfte von Eimer und Flasche tatsächlich auswirken wenn sie sich schon im Wasser befinden und das Tau 45° zu beiden Seiten gespannt ist?
    Ein paar Zugfedern aus dem Baumarkt erscheinen mir wirkungsvoller.

    Vorschlag für ein Experiment:
    beim nächsten Schwall mit einer Kofferwaage das Boot von Land aus festhalten und mal schauen wie viel Kilo auf der Uhr stehen? Dann hätte man schon eine Angabe für die Auswahl der Federn :-)

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  2. Joachim

    Hi Michael, …. an den beiden Achterleinen hängen ca. 20l Wasser (in Eimern und in der Flasche). Solange die Eimer im/unter Wasser sind, ist praktisch kein Zug auf der Leine. Wenn jetzt ein leichter Schwell kommt, dann reckt sich die Leine, hebt die Gefäße aus dem Wasser (wodurch die Rückstellkraft entsprechend ansteigt) und verhindert in hartes Einrucken. Der Winkel ist dann nicht mehr 45°, sondern die Eimer hängen an einer gestreckten Leine und zerren nach unten. Das Prinzip ist aber auch nicht anders als bei einer Feder nur das nichts kostet :-). Um die Leine mit dem einen Eimer fast komplett gerade zu ziehen ist eine Kraft von mehr als 300N (entspricht mehr als 30Kg….da war die Federwaage am Anschlag) notwendig. Ist auch klar, weil der Hebel dagegen arbeitet und bei Zug irgendwann die vertikale Komponente (die den Eimer anhebt) verschwindet.

    Nimm mal eine 4 m lange Leine und binde eine Seite an eine Baum. In die Mitte hängst du einen Eimer mit ca. 10l Wasser. Jetzt zieh mal an der Leine bis sie komplett gerade gestreckt ist (d.h. ohne Knick durch den Eimer)

    Auch wenn es bei viel Schwell das Einrucken nicht komplett verhindern kann, so nimmt es Geschwindigkeit aus dem Schiff und reduziert somit die Kräfte, die beim wieder Abbremsen auftreten.
    Das funktioniert gut bei wenig Wind.
    Bei viel Wind hängt das Boot sowieso in den Leinen und es gibt auch kein Einrucken.
    Ein wenig mehr wäre gut und wir arbeiten daran, d.h. es wir fleißig Wasser aus 5l Kanistern getrunken….

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