Fr., 10.Feb.17, Mexiko/Isla Mujeres, Tag 986, 9.937 sm von HH
Auf Isla Mujeres findet gerade ein Fishing-Wettbewerb statt.
Nicht angeln, sondern Hochsee-Fischen.
Somit erleben wir seit Tagen den absoluten Overkill. In jeder Beziehung.
Es fing ganz harmlos an. Als wir ankamen, standen ein paar Tiefkühlboxen auf dem Steg und es herrschte gemütliche Geschäftigkeit.
Mittlerweile sieht der Steg aus wie eine Caravan- und Campingmesse in Kombination mit einer Tiefkühltruhen-Ausstellung. Durchkommen nur noch im Slalom.
- Kühltruhen- und Grill-Wettbewerb
In unserer Naivität nahmen wir an, dass die Kühltruhen für den gefangenen Fisch gedacht sind. So ein Blödsinn! Die sind nur für die Köderfische…
Die Powerboote fahren alle unter US-Amerikanischer Flagge. Bis zu sechs Hiwis (junge Amerikaner, ein paar Mexikaner dazwischen) kümmern sich um die Boote, Ausrüstung und Köder.
In den letzten Tagen sind nach und nach auch die Eigner der Millionen-USD-Yachten eingetroffen. Genächtigt wird allerdings im Hotel.
Der Haupt-Wettbewerb dieser Veranstaltung ist jedoch nicht das Fischen, sondern das Putzen der Boote.
Männer, die zu Hause für Klo und Küche den gleichen Lappen benutzen, wienern sich auf fremden Eigentum in Rage.
Jede freie Minute wird geschrubbt, abgespritzt, poliert, gefeudelt und gewischt. Bereits beim Festmachen läuft schon einer der Jungs mit einem Schlauch über Deck.
- Putzen bis
- der Arzt kommt
- und alles blinkt
Ich bin mir sicher, dass diese Boote mit einer extra dicken Schicht Gelshield ausgeliefert werden. Soviel Geschrubbe hält kein normales Boot aus.
Die Buchhaltung so eines Kahns wird zeigen, dass die Aufwendungen für Putz-Zubehör die vom Treibstoff übersteigen dürfte.
In der Marina-Dusche hängt ein Schild: „Wasser ist Leben“.
Wasser sparen ist also durchaus ein Thema auf der Insel. Das gilt nicht für die Powerboote.
Zum Teil haben sie Filteranlagen am Steg installiert, um das Trinkwasser noch einmal zu filtern. Nicht zum Überleben, sondern dafür, dass sich zu keiner Zeit ein einziger Salzkristall auf dem Kahn befindet. Hektoliter weise wird Wasser versprüht.
Armdicke Stromkabel sorgen für den nötigen Strom. Wir haben schnell unseren Stecker wieder aus dem Landanschluss gezogen als wir hörten, dass Strom pauschal 10 USD pro Tag kostet.
Nachts sind die Boote beleuchtet wie Weihnachtsbäume.
Es laufen Fernseher so groß wie Tischtennisplatten. Auch wenn keiner hinguckt. Im klimatisierten Salon.
Der Wahnsinn.
Wenn Geld keine Rolle mehr spielt, ist es dann Pflicht, dass Ressourcen einfach nur verschwendet werden?
Das nächste Phänomen ist der Hype um die Köderfische.
Die Köder werden gefroren und einzeln (!) eingeschweißt geliefert. Meistens handelt es sich um Hornhechte oder ähnlichen Fisch mit einem schnabelartigen, länglichen Maul. Diesen Fischen wird von der Crew der Schnabel gekürzt.
Im Ernst, ich schreibe die Wahrheit.
Hoffentlich weiß der Segeltisch das auch zu schätzen. Fängt er sich doch sonst seinen Fisch mit komplettem Schnabel.
Eine Boot-Crew habe ich sogar beim Saubermachen der Köderfische beobachtet.
Wenn die Hornhechte fertig präpariert sind, werden sie in einer Kühlbox auf Eis gelegt.
Je nach Geldbeutet auf Alufolie oder angefertigten Einsätzen aus Metall. Sorgfältig in Reih und Glied, wie rohe Eier werden die Fische in der Box gestapelt. Das macht auf einem schwankenden Schiff besonders viel Sinn. Bei der ersten Welle dürften die Köder durcheinander liegen.
Der Neben-Wettbewerb, das eigentliche Angeln, findet im Umkreis von 50 sm um die Insel statt. Es geht im Prinzip nur um Segelfische.
Die werden nicht getötet, sondern wieder frei gelassen. Der Fisch wird bis ans Boot heran gekurbelt und sobald man das Stahlvorfach greifen kann, wird die Schnur durchgeschnitten.
Der Haken verbleibt im Maul des Fisches und soll sich nach wenigen Tagen ‚herauslösen‘. So lange hat der Fisch den Haken zu ertragen.
- Angeln, wie Gewehre
Beim Wettbewerb zählt, wer die meisten Marline auf diese Art gefangen hat. Es gibt noch die Kategorie dickster Thun, MahiMahi, Wahoo und so weiter. Von diesen Fischen sehen wir allerdings keine am Steg. Ob keine gefangen werden oder sie bereits vorher an der ‚Meß-Station‘ abgeliefert werden, wissen wir nicht.
Die Angler sind nicht sehr kommunikativ. Sie bleiben unter sich. Selbst wenn man an ihren Booten interessiert schaut, wird man nach einem „Hi, how are you“ ignoriert.
Kaum ein Blick oder Lächeln fällt für uns ab, obwohl wir Seite an Seite liegen. Weder Crew noch Eigner zeigen Interesse, was die ärmlichen Segler so treiben.
Auch untereinander ist keine große Gemeinschaft zu erkennen. Ist der Konkurrenzkampf so groß? Sind alle so satt an Kommunikation, weil sie grade in Florida beim letzten Contest neben einander gelegen haben? Alles arrogante Millionärs-Schnösel?
Aus der Ferne betrachtet eine traurige Veranstaltung.
Verhießen die kofferraumgroßen Grills doch einen großartigen Grill-Wettbewerb, so werden wir auch hier enttäuscht. Die meisten der uncoolen Gas-Grills bleiben unbenutzt.
Ab und an liegt ein Stück Fleisch (!) auf dem Rost.
Einmal kommt Achim mit einem der Angler ins Gespräch. Er sei nur Gast auf einem der Powerboote. Er betont mehrfach, dass er kein Millionär sei und nur zufällig dabei sein darf.
Er berichtet von der Marlin-Praxis und wir bekommen ein paar Red Snapper Filets geschenkt. Das ist nett, aber mehr Kontakt findet nicht statt.
- Powerboote
- und Weihnachtsbäume am Steg