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Auf der Suche nach Fabeltieren

17.08.-20.08.24, Australien/QLD/Yungaburra+Etty Bay, Tag 261-264 Roadtrip, 20.171 km total, Tages-km 116+134

Als vor gut zweihundert Jahren die ersten Präparate des Schnabeltiers nach Europa gelangten, hielt man dieses Geschöpf für einen Scherz des Präparators. Ein Tier mit Fell und einem Entenschnabel. Dazu ein Biberschwanz und Krallen, die mit Schwimmheuten verbunden sind. Das konnte nur ein Witz sein. Dieses wundersame Wesen legt Eier und ist trotzdem Säugetier. Es hat zwar keine Zitzen, aber aus Drüsen am Bauch kommt Muttermilch, die von den Jungen aufgeleckt wird, die nach zehn Tagen aus ihrem Ei schlüpfen.

Auf Englisch haben Schnabeltiere einen netten Namen – Platypus – Flachfüsser.

Das Schnabeltier ist scheu und dämmerungsaktiv. Dazu gilt der Fortbestand als ‚potentiell gefährdet‘. Die Hoffnung eines dieser Fabelwesen zu Gesicht zu bekommen, ist bei uns entsprechend klein. Sabine und Richard geben uns einen heißen Tipp: in Yungaburra besteht eine Chance.

Yungaburra gefällt uns spontan. Wir bleiben drei Nächte. Am Ufer eines Stausees gelegen, bekommen wir einen traumhaften Stellplatz auf dem Campingplatz. Die preiswerten ‚unpowered‘ Plätze liegen direkt am Ufer.

Beschauliches Yungaburra. Touristisch, aber sehr angenehm.

Die billigen Plätze sind die besten. Rechts an den Palmen steht unser Auto mit Zelt. Toller Platz!

Beste Aussicht direkt vor dem Zelt.

Und dann auch noch Vollmond über dem See.

Gleich am ersten Nachmittag ziehen wir los zum nahegelegenen Bach, der in den Stausee fließt. Ein feiner Wanderweg führt am Wasser entlang. Wir halten fest Ausschau nach Bewegung im Wasser. Aber wonach suchen wir? Leider sind Schnabeltiere auch noch relativ klein. Männchen bringen es grade mal auf dreißig Zentimeter, Weibchen sind zehn Zentimeter kürzer. Wir sind schon auf dem Rückweg als plötzlich ein zierlicher Kobold im Wasser auftaucht. Tatsächlich! Ein Schnabeltier!
Unser fabelhaftes Fabelwesen bleibt minutenlang und bereitet uns den Gefallen in der Mitte des Bächleins zu tauchen.

Am nächsten Tag, gleiche Stelle, gleiche Uhrzeit ist unser Freund wieder da. Diesmal taucht er auf der anderen Seite des Ufers im Schatten der überhängenden Bäume und ist nur schwer zu entdecken. Ohne dass wir sein Verhalten gestern schon gesehen hätten, wären wir heute wohl an ihm vorbei gelaufen.

Schnabeltier – eindeutig. Vielleicht 25 cm lang.

Zum Fressen taucht es mit geschlossenen Augen und Ohren ab und wühlt im Schlamm nach Würmern, Larven und Krabben. Erst an der Wasseroberfläche wird gekaut und geschluckt. Im Winter hat man auch mal am Nachmittag Glück einen zu sehen, weil es dann kälter ist und die kleinen Schwimmer mehr Nahrung benötigen.

Außerdem gibt es Schildkröten in großen Mengen zu sehen.

Die Bäume am Ufer hängen voller Flughunde – ein Gezeter und Geschrei. Der rechte Flughund reißt kräftig das Maul auf. Es sind aber Pollenfresser. ;-)

Von wegen Dracula ist lichtscheu – die eingewickelten Kameraden hängen in der prallen Sonne.

Am dritten Morgen in Yungaburra – 650 Meter hoch gelegen – stehen wir im Nebel. Wir kriegen Zelt und Klamotten grade einigermaßen trocken verpackt als es richtig zu regnen beginnt. Auf einmal sind die schönen Atherton Tablelands nur noch grau.
Wir fahren zurück zur Küste in der Hoffnung auf besseres Wetter. Verlassen Yungaburra aber nur ungern. Ein Vogelparadies.

Die Vogel-Vielfalt und Dichte ist enorm in Yungaburra. Hier ein Plover, der Dornen am Flügel hat (quasi am Ellenbogen) mit denen er Angreifer verletzt. Besonders dann, wenn er seine Küken unter den Flügeln mit sich herum trägt.

Ein Bush Stone Curlew. Der treibt Schläfer nachts in den Wahnsinn (Grüße an Sabine). Ein langgezogener klagender Ton, dem andere Curlews fleißig antworten. Tagsüber stehen sie wie versteinert herum und täuschen manchmal sogar Verletzungen vor, wie hängende Flügel.

Grünflügeltaube

Abends kommen massenhaft Schwärme der großen Kraniche Brolga über den See geflogen. Die Vögel werden bis 1,40 hoch.

Ein majestätischer Anblick

Unsere Wahl ist die Etty Bay. Hier soll man ein weiteres lebendes Fossil zu sehen bekommen: Kasuare. Dieser große flugunfähige Vogel ist noch scheuer als ein Schnabeltier, aber am Strand der Etty Bay gibt es regelmäßig Sichtungen. Ein lebender Dinosaurier, wenn man nach der Optik geht. Ein großes Horn auf dem Kopf lässt an Velociraptoren denken. Knochenfunde sind über vier Millionen Jahre alt.

Ein Kasuar in Echtgröße – in Cairns im Botanischen Garten.

Wir bekommen einen Stellplatz nahe am Strand. Inzwischen regnet es in Strömen. Unser erster Regen seit Monaten. Waren wir doch immer geschickt den Regenzeiten (und der Kälte) davon gefahren.
Unter dem Auto mäandert ein kleiner Bach. Spontan wird das Leben im Dachzelt eine logistische Kampfansage. Kissen, Decken und Klamotten sind kaum fehlerfrei nach oben zu transportieren. Camping verliert seinen Charme. Wohin mit nassen Klamotten, Schuhen und Handtüchern? Zum Glück gibt es eine vernünftige Campküche und einen trockenen Sitzplatz dabei. Wir überleben. ;-)

Etty Bay

Mit Schirm am Strand – die Berge im Hintergrund stammen direkt aus Jurassic Park.

Immerhin Warnschilder für Kasuare an der Etty Bay – es regnet. ist aber warm.

Regen ist ein Camping-Spaß-Killer. Ohne Blick auf einen Kasuar werfen zu können, brechen wir bereits am nächsten Morgen Richtung Süden auf. Dort scheint die Sonne, sagt der Wetterbericht. Und der hat ausnahmsweise Recht.

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Der ‚Forgotten World Highway‘

14./15.Mrz.23, Neuseeland/Tangarakau, Tag 3210/11, 24.688 sm von HH

‚Forgotten World‘ klingt nach Urwald und Dinosaurier. Und tatsächlich weisen diverse Faltblätter darauf hin, dass es sich um den ältesten Maori-Pfad Neuseelands handeln soll. Mit einer unveränderten Landschaft, wie sie vor tausenden Jahren entstanden sei.
Die 150 Kilometer lange Strecke beginnt nur ein paar Kilometer hinter dem Taranaki. Eine schmale, kurvenreiche Landstraße. Ein Schild warnt, dass es auf der Strecke weder eine Tankstelle noch Geschäfte gibt.
Zunächst sind wir enttäuscht. Die Landschaft schaut typisch Neuseeland-Hobbit mäßig aus. Rollende, grüne Hügel, weitestgehend kahl und gespickt mit Schafen. Hübsch anzusehen, aber gewiss nicht naturbelassen.

 

 

Typische Hobbit-Landschaft – im Hintergrund noch der Taranaki im Dunst

 

Bei der Fülle an Schafen haben wir endlich das Glück einen Schäfer und seine Hunde bei der Arbeit anzutreffen. Auf einem Hügel treiben zwei Hunde eine Schafherde zusammen. Der Bauer sitzt auf seinem Quad – drei weitere Hunde hinter sich auf dem Sitz. Aufmerksam warten sie, ob sie auch noch zum Einsatz kommen. Der Schäfer ruft laut seine Kommandos. Blitzschnell befolgen die Hunde seine Anweisungen. Ein Schaf ist von der Herde getrennt. Eifrig schneiden die Hunde dem Tier den Fluchtweg ab. Aber der Bauer möchte, dass die Hunde das Tier in Ruhe lassen. Sofort lassen sie vom Schaf ab und konzentrieren sich wieder auf die Herde. Später, als wir ein Schwätzchen mit dem Schäfer halten, erfahren wir, dass das Schaf wohl blind sei. Er nimmt es direkt auf dem Quad mit zum Gatter, wo inzwischen alle Schafe zusammen getrieben wurden. Von dort treten sie dann ihre letzte Reise an. Nicht nur ein Vieh-Laster begegnet uns auf dem Highway.

Die Hunde fahren hinten mit bis sie ihr Kommando bekommen

Das blinde Schaf wird nicht gejagt sondern auf dem Quad mitgenommen

Nach knapp fünfzig Kilometern erreichen wir mit Whangamomona den größten Ort am Highway. Zwei Handvoll Häuser im Western-Stil. Eigentlich kein Ort, sondern eine Republik. Die „wahren Rebellen“ Neuseelands haben Whangamomona als Republik ausgerufen. Streitigkeiten über die lokale Zugehörigkeit haben 1989 zu dieser „Rebellion“ geführt. Alle zwei Jahre wird hier die Unabhängigkeit mit großem Pomp gefeiert. Man kann sich dann sogar einen Stempel in den Pass hauen lassen. Aber Vorsicht, es gibt Länder, die verlieren ihren Humor mit Spaß-Stempeln im Reisepass.

Das ehemalige Hotel diente während der Spanischen Grippe als Hospital – übernachten kann man dort zur Zeit nicht

Eins von ein paar Häusern in Republik Whangamomona

Nach hundert Kilometern hören die Weiden auf. Urwald so weit das Auge reicht. Und wir haben auch unser Ziel für zwei Nächte erreicht. Wegen der überschwänglichen Beschreibungen der „vergessenen Welt“ dachte ich, es sei eine gute Idee hier zu übernachten.
Unser Camp erreichen wir über eine sechs Kilometer lange unbefestigte Straße, die mitten im Nirgendwo endet. „Achtung, kein Handyempfang und kein Internet“, lautet die Eigenwerbung über das Camp.

Auf dem Weg zum Camp

Die Wahl entpuppt sich als der absolute Glücksgriff. Mit viel Liebe zum Detail hat Joana, die Eigentümerin, hier ein Paradies geschaffen. Ein paar Hütten kann man mieten oder zelten. Unser Zelt stellen wir direkt neben einer Kuhweide auf. Vom Grillplatz neben der Küche kann man den Bach sehen. Abends wird ein Lagerfeuer gemacht. Wir lernen Shirley (Engländerin) und Greg (Kiwi) kennen und verbringen zwei wundervolle Abende am Feuer. Für den Fall, dass wir jemals wieder nach Neuseeland kommen, geben sie uns ihre Adresse. Der Schlüssel liegt unter der Fußmatte.

Perfekter Grillplatz im Camp

Liebevoll gestaltetes Camp – Blumen auf dem Tisch und weiße Handtücher im Bad

Morgens noch im Nebel

Vor rund hundert Jahren war Tangarakau Boom-Town. Als Versorgungspunkt für den Bau einer Eisenbahnstrecke siedelten sich hier 1200 Menschen an. Die Eisenbahn wurde zum Kohleabbau in einer nahe gelegenen Mine benötigt. Mit viel Aufwand wurden Tunnel gegraben und Schienen verlegt. Der Abbau der Kohle lohnte sich nur für zehn Jahre. Danach wurde die Mine still gelegt: von zu schlechter Qualität war die Kohle.
Die Menschen zogen weg. Tangarakau wurde zur Geisterstadt. Heute wohnen hier noch drei Bauern, ein Imker, ein Ranger und Joana. Die Schienen werden nur noch von Touristen genutzt. Auf umgebauten Golf-Carts kann man ein Teilstück der Strecke fahren. Es gibt Bestrebungen, diese alte Bahnstrecke wieder zu aktivieren.
Wir gehen zu Fuß die Schienen lang. Im nahe gelegenen Tunnel ist es dunkler als die schwärzeste Nacht. Zum Glück haben wir den Tipp bekommen eine Taschenlampe mitzunehmen.

Wollte man die Schienen wieder nutzten – müsste viel renoviert werden

600 Meter langer Tunnel

Dunkler geht nicht – zum Gruseln – ständig schaut man über die Schulter

Überall treffen wir auf Ziegen Schafe und Kühe

Der alte Bahnhof von Tangarakau

Die letzten Siedler in der Geisterstadt

Der DOC Ranger kommt von der Fallenkontrolle – die Kiwis haben immer Zeit für einen Schwatz

 

Das Lagerfeuer im Camp ist nicht nur romantisch, sondern auch nötig. Tangarakau liegt ungefähr auf 300 Meter. Nachts gehen in sternenklarer Nacht die Temperaturen auf sechs Grad runter. Achim, die Frostbeule, ist unter Schlafsack und beiden (!) Decken nicht wieder zu finden. Sein Sweatshirt hat er sich um den Kopf gewickelt. Mir reicht noch der Schlafsack.
Als wir morgens aufwachen, liegt tiefer Nebel über dem Camp. Alles ist tropfnass. Erst am Nachmittag ist unser Zelt wieder trocken. Wir wollen weder ein patschnasses Zelt einpacken, noch bis mittags warten. Also ziehen wir in eine der Hütten um. Eine tolle Entscheidung. Die Mischung aus Wildnis und schneeweißer Bettwäsche ist perfekt.

Unser Zelt direkt bei der Kuhweide

Dann der Umzug in die Hütte

Als der Nebel sich etwas verzogen hat, befolgen wir den eindringlichen Rat von Joana und machen uns zur „Schlucht der Fossilien“ auf. Ein netter Spaziergang am Fluss entlang, der vier, fünf Meter unterhalb unseres Weges plätschert. Drei Kilometer, leicht zu laufen. Wir erwarten am Ende nichts Besonderes. Aber dann öffnet sich plötzlich der Weg. Wie auf einer natürlichen Theaterbühne. Links begrenzen Felsen eine Ebene. Vor uns ein steiler Hügel. Rechts braust der Fluss in seinem steinigen Bett. Ein paar verwilderte Pferde grasen am Hang. Ziegen flüchten vor uns und verschwinden zwischen Binsen. Die Tiere halten die Wiese kurz. Ein Bach sucht sich seinen Weg durch das Gras und zwischen einem kleinen Hain hindurch.
Wir stehen mit offenem Mund da und staunen. Das hätte man sich besser nicht ausdenken können. Ein Ort voller Liebreiz. Einfach märchenhaft. Zauberhaft.

Da wir so eine freie große Fläche nicht erwartet, sondern mit Wald gerechnet haben, sind wir ohne die Drohne los gelaufen. Wir ärgern uns kurz, beschließen dann aber einfach, dass wir am Nachmittag noch einmal wiederkommen. Aber weder die Fotos der Drohne noch die der normalen Kamera können die Schönheit dieses Platzes einfangen. Lange werden wir noch an Tangarakau zurück denken. Einer der schönsten Orte in Neuseeland für uns.

Wie eine Theaterbühne

Die Fossilien-Schlucht

Die Pferde runden das Bild perfekt ab

Verwildert mit verfilzten Mähnen – aber nicht sehr scheu

Wunderschöne Details

 

Solche versteinerten Krebse kann man in der Steilwand finden

 

Hütte 100 NZ$ (60 Euro) ohne Bad und Küche –
Zeltplatz 40 NZ$

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