Do.,01.Jun. 23, Marsden Cove, Tag 3287, 24.696 sm von HH
Wie immer getrennt von einander geschrieben.
Achim:
Wieder ein Jahr weg. Eines, das so ganz anders war, als die vorangegangen acht Jahre.
Gefühlt war es ein Leben mit und auf einer Baustelle. Air BnB wechselte sich mit House Sitting und dem Wohnen auf dem aufgebockten Schiff ab. Dazu kam unser Fiddel, unser geliebter 2004er Corolla. Es war ein Leben wie „Rentners“ es führen. Rumtüddeln, einkaufen, essen, schlafen.
Wir haben es dennoch genossen. Neuseeland ist unser Land. Die Einfachheit, die fehlende Eitelkeit, das Tempo, die Freundlichkeit, die wenigen Menschen. Wir wären wohl geblieben, wenn es einen realistischen Weg gegeben hätte. So schlimm, wie es sich oben anhört, kann das Rentner-Leben dann wohl nicht gewesen sein.
Das einzig Problematische ist, dass die Behörden das nicht so sehen. Immigration funktioniert hier nur, wenn es zum Nutzen des Landes ist. Zumindest, wenn es sich um so alte Menschen wie mich handelt. Somit ist es nicht der Ort, an dem wir den Anker endgültig eingraben werden. Eigentlich schade, aber vielleicht auch ganz gut. Wir sind ja auch noch zu jung.
Jetzt stehen wir nach 18 Monaten ohne Segeln kurz vor dem wohl anspruchsvollsten Törns unserer Reise. Das macht schon etwas Bauchgrummeln. Jetzt heißt es wieder, den Stier bei den Hörnern zu greifen und weiterzufahren. Raus aus der Komfort-Zone, wie das so schön heißt.
Also los, Jahr zehn kann kommen und Französisch Polynesien lockt.
Sabine:
Wir sind träge geworden in dem Jahr auf dem Yard. Zu bequem war das Leben mit einem Auto unter dem Schiff. Zu bequem das Leben in Häusern an Land -beim House Sitting und im Air B&B. Zum Glück haben wir die Landreisen im Zelt unternommen, sonst wären wir total verweichlicht.
Mir fällt der Start deshalb schwer wie nie. Entwöhnt vom Segeln und dann auch noch unsere wohl anspruchsvollste Segel-Etappe. Zu gerne hätte ich es weiterhin bequem. Der Abschied fällt schwer, die Reiseknochen sind müde.
Zum Glück lauern dann Fotos im Internet. Blogs anderer Segler schwärmen von exotischen Zielen. Wenn wir uns gegenseitig die Geschichten vorlesen, fängt sofort das Reisefieber an zu lodern: „Sollen wir das auch wagen, dahin zu segeln? Würde uns das gefallen?“
Gefallen ja, aber wir haben faulen Speck angesetzt. Es fallen Sätze wie: „Das kann man auch ganz bequem per Flieger erreichen.“
Zum Glück wurde uns die Entscheidung von den Einreisebestimmungen Neuseelands abgenommen. Wir müssen raus.
Wir gehen zurück nach Osten, um noch eine große Runde im Pazifik drehen zu können. Wunderschöne Orte warten auf uns. Abenteuer. Kletterpartien. Tolle Menschen und tolle Begegnungen. Aufregung, Spaß und Begeisterung. Sonnenuntergänge zum Niederknien. Spektakuläre Tauchgänge.
Meine Aufregung steigt, während ich das schreibe.
Aber es warten auch Anstrengungen auf uns. Üble Tage auf See und nächtliche Ankerwachen in angeblich sichern Buchten. Wäsche waschen mit der Hand und zu Fuß die Einkäufe schleppen. Dinghy Ritte bei denen wir nass bis auf die Knochen werden. Vielleicht auch mal leere Supermärkte und wenig Komfort. Plage, schlechte Laune und Mühsal. Tagelangen Regen. Wind aus der falschen Richtung.
„Siehst du“, ruft mir mein fauler Schweinehund zu, „und dafür willst du dich quälen?“ „Ja genau, leg dich wieder schlafen, du Hund. Genug gefaulenzt. So lange das Positive überwiegt, macht mir die Quälerei nichts aus. Auf zu neuen Abenteuern – möge das zehnte Jahr so wundervoll werden, wie es die letzten neun gewesen sind.“
Willner gegen den Rest der Welt – Navigation für Fortgeschrittene. Unser kleiner Weltatlas ist total abgegriffen und weckt immer Sehnsüchte.
PS: Noch ein kleines Wetter- und Abreise-Update: Mittwoch sollte es los gehen (wir hatten sogar schon einen Termin beim Zoll vereinbart). Dann haben die Wetterheinis plötzlich einen Wirbel in die Karte gezeichnet, der uns nach ein paar Tagen überholt hätte. Der war so heftig, dass wir unsere Abfahrt abgesagt haben:
Dieser Wirbel ist drei Tage später komplett verschwunden.
Die Warterei, die Anspannung, die Enttäuschung helfen ausreichend dabei, dass uns mehr und mehr der Mut für unseren Plan verlässt.
Aber noch bleiben wir dran: Montag ist nun im Visier.