Dienstag, 18.11.25; Neukaledonien/Nouméa; Tag 4.189
Dass ein Zyklon in der aktuellen Saison Einfluss auf Neukaledonien haben wird, ist so sicher wie die tägliche Ebbe und Flut. Seit 1970 gibt es kein Jahr ohne Ereignis. Einige Jahre bescherten der Region sogar drei Systeme.
Die gute Nachricht: Die meisten der Zyklone treffen nicht direkt, sondern ziehen mehr oder weniger nah an Neukaledonien vorbei. Leider haben auch vorbeiziehende Systeme einen negativen Einfluss, aber nicht diesen verheerenden Verwüstungs-Charakter eines direkten Einschlags.
Die zweite gute Nachricht: In den letzten 55 Jahren gab es nur sechs direkte Treffer aufs Land. Davon einen in Nouméa, im Jahr 2003. Dieser Zyklon hieß Erica und sorgte für schlimme Verwüstungen. Windböen von 227 km/h trafen die dicht besiedelte Region und verursachten massive Schäden. Erica forderte Todesopfer und machte Tausende Menschen obdachlos. Der Name „Erica“ wurde vom Zyklon-Namen-Rotationsplan gestrichen, was die Schwere des Ereignisses unterstreicht.
Mit diesem Wissen beobachten wir gespannt die Zyklonmaßnahmen in der Marina. Die jährlichen Wartungsarbeiten des ausgeklügelten Mooring-Systems stehen an. Die Mithilfe und Anwesenheit der Bootsbesitzer ist gewünscht, so dass richtig Betrieb in der Marina herrscht.
An jedem Liegeplatz führen zwei Pilotleinen zu Mooringleinen, die in fünf Meter Tiefe im Hafenschlamm liegen. Achtung! Ein dicker Bewuchs hat sich in einem Jahr angesammelt. An der dünnen Leine zieht Achim, um die Mooring zu bergen. Auch die Mooringleinen sind stark bewachsen, aber nur auf der Länge der Wassertiefe. Der Teil, der im Schlamm liegt, ist sauber.
Diese Tampen – 18 mm stark – werden auf den hinteren Klampen der Boote belegt. Über Kreuz (zur Nachbar-Mooring) führen sie quer durch die Boxengasse zum gegenüberliegenden Steg.

Jeweils über Kreuz verlaufen die Moorings der nebeneinander liegenden Schiffe auf den gegenüberliegenden Steg.
Unter jedem Steg liegt eine dicke Kette. „Wie dick ist dick?“, frage ich Pierre, der diese Ketten gesehen hat. Er zeigt die Größe eines Fußballs an. „Die sind richtig fett. Zusätzlich sind sie am Ende der Stege mit Erdankern am Hafengrund befestigt“. Erst vor vier Jahren wurden diese Ketten ausgetauscht, als die Stege in der Marina verlängert wurden. Am Ende der Stege wurden neue Pfähle mit einer 600-Tonnen-Barge in den Boden gerammt.
Ein Team von acht Tauchern springt ins Wasser um alle Mooringleinen, die jetzt schweben, abzustauchen. Liegen sie richtig über Kreuz? Gibt es Beschädigungen? Sind die Befestigungen okay? Während der Aktion darf niemand in die Boxengasse fahren. Ein Begleitfahrzeug passt auf, dass weder Taucher noch Leinen geschreddert werden.
Nach der Kontrolle werden die Mooringleinen von der Klampe am Boot abgetüdelt und versinken wieder im Schlamm. Der normale Marinabetrieb kann weitergehen.

Marina Moselle von oben (foto credit Google maps).
Die roten Linien stelken die Moorings dar. Jeweils zwei Stück werden am Heck eines Bootes befestigt. Die Enden der Moorings sind an der Kette befestigt, die sich unter dem gegenüberliegenden Steg befindet.
Im Falle einer Zyklonwarnung wird genauso verfahren, dass die Boote an den Mooringleinen festgemacht werden. Zusätzlich sind am Steg zwei weitere Vorleinen auszubringen. Diese müssen bei unserer Schiffsgröße mindestens 16 mm betragen. Dann wird das Schiff zwei Meter vom Steg abgerückt, Richtung Boxengasse. Alle Leinen werden stramm durchgesetzt. Unbedingt ist noch darauf zu achten, dass die Masten der ausgerückten Schiffe versetzt zueinander stehen. Die Marina versucht, dies durch die Belegung der Boxen mit 12-Meter-Booten im Wechsel zu 14-Meter-Booten zu fördern. Unser Nachbar Phillipp beteuert eindrücklich, dass die Masten wie verrückt schwingen sollen. Aber er ist, wie alle anderen, mit denen wir sprechen, sehr tiefenentspannt: „Hier sind wir alle sicher. Und es passt sowieso jeder auf jeden auf, dass alle Schiffe gut gesichert und vertäut sind.“

Die Vertäung der Boote im Falle eines Zyklons – alle Boote rücken zwei Meter vom Steg ab. Zusätzlich sind zwei weitere Vorleinen auszubringen.

Blau: der normale Zustand der Mooring – sie liegt ungenutzt im Schlamm. Rot bedeutet, dass eine Zyklonwarnung besteht. Die Moorings werden hoch gezogen ans Heck der Schiffe. Beide Zeichnungen stammen aus der Marina-Broschüre.
Wer während eines Zyklons nicht auf seinem Schiff bleiben mag, kann im Rathaus oder im Marinagebäude Schutz aufsuchen. Und ein paar Gebete können sicherlich auch nicht schaden.
Die Hauptgefahr eines Zyklons besteht im Januar bis März, wenn die Wassertemperatur am höchsten ist. Genau wie ein Hurrikan braucht ein Zyklon eine Wassertemperatur von 27 Grad oder mehr – allerdings muss diese Temperatur bis in eine Tiefe von 40 bis 50 Meter vorherrschen.
In den letzten vier Wochen ist die Temperatur in der Lagune rasant gestiegen. Zumindest in zwei Meter Tiefe: Anfang Oktober keine 24 Grad, Anfang November 27,7 Grad.
Von uns aus braucht das nicht so weiter gehen.
Versichert ist Atanga übrigens im Fall eines Zyklons nicht. Schiffsversicherungen sind schlau und schließen jede Haftung bei Stürmen mit Namen aus (es sei denn man befindet sich auf hoher See). Sollten wir also einen Zyklon erleben, so wäre doch Sturm ‚ohne Namen‘ eine gute Idee.






