Barrington Tops: Spielplatz für 4×4 Fahrer und Schlangenjäger

17.Dez.23,  Australien/NSW/Barrington Tops, Tag 13-17 Roadtrip, 1.585 km total

Nach dem Dorrigo National Park (1.100 Meter) wechselt die alpenländisch anmutende Berglandschaft über in trockenere Gebiete. Wir fahren dreihundert Kilometer und halten in einem beliebigen Dorf mit dem witzigen Namen ‚Wallabadah‘.

Sogar die Kühe sehen aus wie in den Alpen

weiter südlich sieht Weideland so aus

Die Gemeinde bietet eine gepflegte Wiese zum Übernachten an. Inklusive heißer Duschen, Brauch-Wasser und Toiletten. Als Gegenleistung wird eine Spende von 10 Dollar pro Fahrzeug erwartet. Bitte einfach in die Box werfen. Die sanitären Anlagen sind alt, abgeschlagen und spartanisch. Aber alles funktioniert und darf noch als sauber bezeichnet werden. Auf dem Fußboden befinden sich nicht mehr tote Käfer und Spinnweben an den Decken als für 30 Dollar die Nacht.
Die Wiese ist Tummelplatz für Kakadus, die sich an den Gras-Rispen mit den winzigen Sattkörnern versuchen satt zu fressen. Papageien umfliegen uns wie Drosseln in der Heimat. Eine Dorfrunde hat als Highlight einen historischen Friedhof im Angebot. Genau wie in Neuseeland ist alles „Monumento Historico“, was grade einhundert Jahre alt ist. Wir bleiben zwei Nächte – es ist gemütlich in Wallabadah. ;-)

Gelbhauben-Kakadus grasen auf der Weide

Zusammen mit dem Rosa Kakadu – der sieht besonders hübsch aus – wenn erfliegt – da seine Flügel unterwärts komplett rosa gefärbt sind

Friedhofsgrenze – die letzte Ruhe vor endlosem Busch

Putten auf dem Friedhof von Wallabadah

Beim King Parrot hat das Männchen einen roten und das Weibchen einen grünen Kopf

Nächster Halt 150 Kilometer weiter: Barrington Tops National Park. Im Park lautet die Regel, dass man vor Anreise seinen Platz reservieren muss. Wir buchen drei Nächte auf zwei verschiedenen Plätzen. Kein Internet im Park warnt die Buchungsseite.
Das Camp Polblue liegt auf 1500 Meter direkt neben einem kleinen Sumpfgebiet mit attraktivem Wanderweg. Es gibt eine Schutzhütte, aufgefangenes Regenwasser zum Händewaschen und Plumpsklos. Die sind besser als so manche Toilette mit Wasserspülung. Komplett ohne Geruchsbelästigung und durch eine geschickte Rampenführung bleibt einem der Blick auf unappetitliche Dinge erspart.
Außer uns campieren noch fünf, sechs weitere Parteien auf dem großzügigen Platz. Alles Australier, meistens mit großen Wohnwagen und Hauszelten unterwegs.

Die Anfahrt zum Barrigton Tops NP ist nur Schotterpiste – 25 Kilometer

An Tag eins erwischt uns am Nachmittag fast ein Gewitter. Grade rechtzeitig nach der Sumpf-Umrundung schaffen wir es uns in der Schutzhütte unterzustellen. Nach einer halben Stunde Hagel und Regen ist alles vorbei. Die Wetter-Engel stehen weiterhin an unserer Seite. Sonnenschein jeden Tag. Die Tage sind warm bis heiß, die Nächte kühl. Hier auf 1500 Meter sinkt die Temperatur auf 13 Grad. In letzter Sekunde habe ich entschieden, dass ich meine extra Wolldecke zusätzlich zum Schlafsack auf dem Schiff lasse. Sehr zum Bedauern von Achim. Gerne würde er zwei Decken über sich auftürmen. :mrgreen:

Wir gehen die drei Kilometer lange Sumpfrunde mehrere Male zu unterschiedlichen Tageszeiten. Immer wieder treffen wir auf Brumbies. Das sind australische Wildpferde, ähnlich den Mustangs in Amerika. Es gibt ruhige Gruppen, die uns nur anschauen. Andere Herden wirken nervös und provokant. Geblähte Nüstern. Die Ohren verdreht. Ein Hinweisschild warnt vor aufgebrachten Hengsten. Wir lassen die Tiere passieren ohne behelligt zu werden. Der Bestand der Brumbies wird kontrovers diskutiert. Die Tiere vermehren sich prächtig. Zu prächtig finden viele: „Sie gehören hier nicht her, trampeln alles kaputt, vertreiben heimische Tierarten. Man sollte sie im großen Stil abschießen.“ Eine entsprechende staatliche Aktion ist für die nächsten drei Jahre in New South Wales geplant. Tierschützer versuchen dies zu verhindern.

Wildpferde in Australien – Brumbies

Schüchterner Blick geht anders

Der Sumpf bei Sonne

Bei einem unserer Walks tritt Achim fast auf eine Schlange. Im Karnickel-Dreisprung macht er einen Satz rückwärts. Das arme Tier ist ebenso geschockt und in Affengeschwindigkeit im Unterholz verschwunden. Identifizierung in der kurzen Zeit nicht möglich. Die Schlangendichte scheint tatsächlich immens hoch zu sein. Das hatten wir so nicht erwartet.

Nach zwei Nächten wechseln wir den Campingplatz. Die holprige Piste darf nur mit einem Vierrad angetriebenen Fahrzeug befahren werden. „Ihr werdet alleine sein“, weiß der Ranger, der die Campingplätze abfährt,  Toilettenpapier nachfüllt und kontrolliert, ob auch alle Camper bezahlt haben.

Einfahrt zum Camp Little Murray

Genau wie Wellen auf dem Meer sind Bodenwellen nicht zu erkennen auf dem Foto ;-)

Er hat Recht. Da wir genug Brauchwasser dabei haben und alleine sind, gibt es sogar eine Dusche aus der Abwasch-Schüssel. Nur die Papageien und diebische Elstern schauen zu. Camp Little Murray hat nur ein Plumpsklo. Mehr nicht. Hier ist man auf sich allein gestellt. Eine Idylle mitten im Wald.

Dusche in der universal Allzweck-Schüssel

Wenn es auch keine Dusche gibt, so gibt es lecker Essen. Unser Ofen ist so kräftig, dass er locker einen Lammkeule gar bekommt. Nach längerer Überlegung hatte ich mich entschieden für den Bräter statt Pfanne. Eine gute Entscheidung. :-)

Im Wald wimmelt es ebenfalls von Papageien – nie so erwartet

Und wir gehen auf die Suche. Angefixt durch die bereits beobachteten Schlangen achten wir jetzt systematisch auf weitere Exemplare. Bleiben bei sonnigen Flecken mit Totholz stehen und halten die Augen offen. Und wir haben Glück – direkt neben dem Weg (die wir nicht verlassen) liegt eine Schlange aufgerollt und guckt. Sie lässt sich nicht von uns stören. Keine Zuckungen, kein Muskel bewegt sich. Es ist ein Kupferkopf – erfahren wir einen Tag später als wir das Foto in der Facebook-Schlangen-Bestimmungs-Gruppe zeigen.
Diese Schlangenart pumpt verhältnismäßig große Mengen Gift in ihr Opfer, welches Neurotoxinen enthält und zusätzlich das Gewebe und Blut zersetzt. Für einen Menschen ist es ohne Behandlung tödlich. Es ist gut, dass Schlangen keine Jagd auf Menschen machen. ;-)

Australischer Kupferkopf

Anhand der dreieckigen Platte hinter dem Auge konnte die Schlange identifiziert werden – die Färbungen sind wohl häufig uneinheitlich

Der Kupferkopf lag direkt neben dem Weg

 

Am nächsten Morgen fahren wir bei der Abreise mit dem Auto an der Stelle vorbei. Die Schlange liegt noch immer da. Etwas verändert in ihrer Position. Aber heute ist sie aufmerksam. Als ich aus dem Auto springe, spürt sie die Erschütterung (hehe, ein Zeichen für Diät oder wie ist das zu werten?) und verschwindet im Wald. Und wir verschwinden zurück in die Zivilisation auf einen gemütlichen Campingplatz in der Ebene.

Camp Little Murray

In der Dämmerung ziehen tiefe Wolken durch den Wald – und ein paar Brumbies – sie übernachten nahe beim Zelt. Nachts hören wir sie schnauben und mit den Hufen scharren.

Wenn eine Wolke tief durchzieht – ist der Wald mystisch schön

Wallaby – abends ziehen sie über den Campingplatz

61

Ein überraschender Schlangen-Zugriff

12.Dez.23,  Australien/NSW/Dorrigo, Tag 10-12 Roadtrip, 1.125 km total

Achim wandert vor mir. Achim wandert immer vor mir. Da kann er ja nun in Australien nicht plötzlich hinter mir gehen. Das wäre ja feige, weil wir beide die vordere Position für die Riskantere halten.
Achim ist also ein paar Meter vor mir, als ich es plötzlich neben mir im Laub rascheln höre. Mein Blick erhascht einen schwarzen Blitz, der auf mich zuschießt. Ich schreie laut auf und bin nun selber der Blitz, der hinter Achim Deckung sucht (mutig kann ich, wisst Ihr ja).
„Schlange“, meldet mein Gehirn. Und tatsächlich! Hinter uns windet sich eine Rotbäuchige Schwarzotter auf dem Waldboden. Vorsichtig nähern wir uns. Trauen uns bis auf zwei Meter ran.
Und jäh ist klar, der Angriff galt nicht mir, sondern einer bedauernswerten Echse. Die Schlange hat die Echse gut im Biss. Beide winden sich umeinander. Die eine, um die eigentlich zu große Beute zu halten. Die andere im Todeskampf. Ein Gewimmel aus gelbem Echsenbauch und beigen Schlangenbauch liegt vor uns. Fasziniert bestaunen wir den Kampf.
Wer gewinnt, steht außer Frage. Die Zuckungen der Echse werden langsamer. Aber sie bewegt sich sogar noch, als ihr Kopf bereits im Maul der Schwarzotter verschwunden ist. Aber dann ist Ruhe. Die Schlange braucht nur noch zu schlucken. Die Zeitstempel der Fotos beweisen, keine fünfzehn Minuten vom Biss und bis der letzte Zipfel des Echsenschwanzes verschwunden ist. Unmittelbar nach dem letzten Schlucken verschwindet die Schlange sofort im Unterholz.
Ein schaurig-schönes Schauspiel. Wir sind Team Echse, aber so viel Glück (arme Echse – die sieht das anders) dabei gewesen sein zu dürfen, was sonst nur im Terrarium passiert. Wir strahlen über alle Backen.
Läuft in Down Under!

Zugriff am Kopf der Echse

Schlange und Echse bilden ein Knäul

Beide müssen kämpfen

Keine zärtliche Umarmung

Uns überrascht, wie sehr die Schlange arbeiten muss

Die Hinterbeine sind noch zu sehen – Kopfüber wurde die Echse geschluckt

Ende … :-(((

Ort des Verbrechens ist der Dorrigo National Park. Ein feiner Wanderweg (Wonga Walk) führt durch einen Gondwana-Regenwald. Diese Wälder tragen den Namen des Urkontinents, da fossile Pflanzenfunde beweisen, dass in diesen Wäldern Arten vorkommen, die bereits vor 200 Millionen Jahren existierten. Ein Unesco-Welterbe.
Der Wald ist überraschend still. Kaum ein Vogel ist zu hören. Dafür sind die Zikaden heftig am Sägen. Ob da tatsächlich ein Zusammenhang besteht? Je mehr Zikade, desto weniger Vögel? Und Gondwana erfreut durch die komplette Abwesenheit von Mücken. In Bunya wurden wir noch aufgefressen – hier ist alles gut.

Der Weg hat einen Eingang von zwei Seiten. Uns kommen andere Besucher entgegen, daher machen wir uns nicht allzu große Hoffnungen auf Tier-Sichtungen. Aber nein, falsch. Mitten auf dem Weg liegt ein fetter Skink und sonnt sich. Später dann die Schlange.
Merke! Hinten laufen ist auch gefährlich und viele Menschen verscheuchen nicht unbedingt Reptilien.

Australiens größter Skink – bis 75 cm

Ein Land Mullet

Leider gibt es im Nationalpark keine Campingplätze und zum Wanderweg sind es drei Kilometer. Das ist uns zu weit zu Fuß. Also fressen wir hier das erste Mal die (einzige) bittere Kröte unseres Dachzeltes: man muss es zusammenklappen, wenn man fahren will. Der„Hartschalenkoffer“ ist so knapp bemessen, dass nichts im Zelt bleiben kann. Gut, irgendwas ist immer und inzwischen sind wir auch schon eingespielt.

Camping unter Baumfarn – herrlich – was in Neuseeland nicht gelungen ist, klappt nun hier

Der Campingplatz (30 Dollar/Nacht) ist ganz cool. Klein und überwiegend von Aussie Rentner bewohnt. Die sind super freundlich und die zarte Omi neben uns in ihrem Mikro-Zelt macht uns auf ein Paar Seidenlaubenvögel aufmerksam. Das Männchen hat unter einem Busch seine „Laube“ errichtet. Dies ist kein Nest, sondern nur ein aufwendiger Balzplatz zu dem er interessierte Weibchen lockt. Dieser Balzplatz wird mit blauen Gegenständen geschmückt. In modernen Plastikmüll-Zeiten hat der Vogel es einfach: Flaschendeckel, Wäscheklammern und Strohhalme sind seine Deko. Früher wurden Blüten, Beeren, blaue Muscheln oder Schneckenhäuser verwendet.
In Experimenten hat man Männchen rote Gegenstände vor seine Laube gelegt. Diese wurden umgehend entfernt. Es gibt andere Arten vom Seidenlaubenvogel, die nur weiße Gegenstände dekorieren.
Vögel mit Stil in Down Under.

Die Laube mit dem gesammelten Müll – stilvoll verteilt

Sie hat blaue Augen – ein Zusammenhang zur Farbe der Deko?

Er hat auch blaue Augen – und die schwarzen Federn schimmern bläulich

 

66

Sitten an der Küste

10.Dez.23, Australien/NSW/Byron Bay, Tag 7-9 Roadtrip, 825 km total

Im Osten Australiens tragen Küstenabschnitte Namen wie ‚Sunshine Coast‘ oder ‚Gold Coast‘. Die Bezeichnungen sind berechtigt, wie wir in Byron Bay feststellen können. Hübsch streckt sich eine Felsennase, die gleichzeitig der östlichste Punkt Australiens ist, ins tiefblaue Meer. Ein schneeweißer Leuchtturm passt perfekt in diese Harmonie. Die Felsen sind nur eine schmale Unterbrechung der endlosen Sandstrände rechts und links. Zu unserem Entzücken zieht ein Trupp Delphine vorbei als wir zum Leuchtturm wandern.

Cape Byron Bay – der östlichste Punkt Australiens

Jetzt ist auch klar woher der Begriff Gold Coast stammt

Eine Delphin-Schule zieht nahe an der Küste vorbei

Unten rechts schwimmen die Delphine

Es wird ausgiebig gebadet und gesurft. Die gefährlichen Salzwasserkrokodile findet man weiter nördlich. Auch tödliche oder zumindest schmerzhafte Quallen-Invasionen wie noch in Bundaberg gibt es hier nicht. Das Meer ist friedlich vor Ort. Lediglich ein Verbots-Schild vom Angeln Weißer Haie und Tigerhaie weist auf eine mögliche Anwesenheit an der Küste hin. Dieses Australien …

Am Samstag-Vormittag stoßen wir auf Australisches Freizeit-Vergnügen. Ein Wettkampf im Brandungs-Schwimmen der Altersgruppen 8 bis 14 Jahre. Surfen und Brandungs-Schwimmen gehört zum Schulsport. Alle sind auf den Beinen inklusive Würstchen-Grill.

Auf die Plätze

Brandungswettschwimmen – Altersgruppen von 8 bis 14 Jahre

Wer schwächelt – wird von den Aufpassern aufgesammelt und am Strand abgesetzt

Vorsicht wird groß geschrieben an der Ostküste:

Kajak-Tour mit Helm – hmmmm – kann man machen

Glatt gezogenes Meer – der Helm ???

 

Natürlich lockt so eine attraktive Küste Touristen an. Viele Touristen. Die meisten ausländischen Urlauber besuchen die Ostküste Australiens und die Aussies lieben ebenfalls ihre Strände.
Byron Bay ist entsprechend eingestellt: Die Preise sind hoch und Cafés, Bars und Boutiquen spielen das Spiel „Wie kommt dein Geld in meine Tasche“.
Auch unser Campingplatz spielt mit. 50 Dollar (30 Euro) pro Nacht, aber bitte nur zwei Personen pro Parzelle – sehr unüblich. Die Plätze sind zudem super schmal. Rückwärts einparken lautet Regel Nummer eins des Platzes, damit im Notfall leichter ausgeparkt werden kann. Witzige Vorstellung mit dem aufgebauten Zelt auf dem Dach.
Regel Nummer sechs von acht verbietet das Aufhängen von Wäscheleinen. Unsere skandinavischen Nachbarn kümmert das nicht. Gleich nach der Ankunft wird eine Maschine gewaschen und zwischen Baum und Campervan eine Leine gespannt. Zufrieden ziehen sie in die Stadt zum Abendessen.
Zehn Minuten später fährt eine Campingplatz-Kontrollperson mit einer E-Karre vorbei. Sieht. Stoppt. Steigt aus. Und fragt uns, ob unsere sündigen Nachbarn anwesend wären. Wir verneinen. Die Kontrollperson hinterlässt einen laminierten Zettel: „Das Aufhängen von Wäsche zwischen Bäumen ist verboten. Bitte bringen Sie diesen Zettel in Büro zurück“.
Dreißig Minuten später hält wieder eine E-Karre. Eine ältere Frau springt resolut vom Fahrzeug. In der Hand eine Schere. Man darf ihr also Vorsatz unterstellen. Und ohne zu fackeln, schnipp, schnapp, ist die Wäscheleine durchgeschnitten. :lol:
Rüde Sitten herrschen an der Ostküste, kann man nicht anders sagen. Was sie wohl machen würden, wenn man das Auto falsch rum parkt und nicht anwesend ist?

Grillen auf dem recht vollen Platz ist kein Problem – alle gehen essen außer uns ;-)

Nur 2 Meter fünfzig breite Stellplätze – perfekte Gewinnoptimierung – nur durchs versetzte campen ist es noch erträglich

Die Atmosphäre, sowohl im hübschen Ort als auch auf dem Campingplatz, ist komplett anders als zu den beschaulichen Bergen. Auf dem Campingplatz wird die Nase so hoch getragen, dass es rein regnen könnte. Die zwei Frauen direkt neben uns schaffen es, drei Tage jeden Blickkontakt und ein „Good Morning“ zu vermeiden.
Als Frau ist man komplett overdressed, wenn man zum Einkaufen mehr als ein Bikini-Oberteil trägt. Die Männer laufen oben ohne durch die Straßen (immerhin meistens junge, Sixpack-Männer ;-) ).
Okay, wir sind alt. Ich sehe es ein – wir hauen nach drei Nächten ab und wechseln zurück in die Berge.

74

Tierisch laut und tierisch heiß

06.Dez.23, Australien/NSW/Wadeville, Tag 5+6 Roadtrip, 732 km total

Wir sind noch ungefähr dreißig Minuten vom Tagesziel entfernt als mir ein Geräusch auffällt. „Hörst du das auch? Kommt das vom Motor?“ Ein komisches Säuseln. „Das kommt von draußen“, befindet Achim und öffnet sein Seitenfenster. Uns schlägt ein tausendfach erzeugtes Surren von Zikaden entgegen in einer wahrlich beeindruckenden Lautstärke.

Da wir heute viel gefahren sind (376) Kilometer, bauen wir nur unser Zelt (das geht schon deutlich flotter von der Hand) auf und genießen die bäuerliche Idylle. Eine Kälbchen-Wiese genau vor der Nase. Über die Weide kommt ab und an ein kleiner Kakadu-Schwarm geflogen. Im Baum hundert Meter entfernt zirpen die Zikaden ihr Feuerwerk ab. Die Vogeldichte ist deutlich geschrumpft. Schuld sollen die Zikaden sein, die in den Vogelohren gellen und sie vertreiben.

Abendstimmung – hinter uns stehen Zelt und Auto

Wir sind nicht ganz allein – noch ein Wohnmobil steht auf diesem schönen Platz

Wir haben inzwischen den State gewechselt und sind knapp an der nördlichen Grenze von New South Wales. Die Fahrt hierher war recht eintönig. Hinter dem Bunya Mountain National Park gab es nur Landwirtschaft zu sehen und das auch nach auf endlosen Ebenen. Erst die letzten hundert Kilometer nahm Viehwirtschaft wieder Überhand. Rinderweisen auf sanften Hügeln durchsetzt von Eukalyptus-Mischwäldern. Hübsch anzusehen.
Gleich hinter dem Campingplatz beginnen verschiedene Nationalparks. Und in einem wird übrigens das berühmt-berüchtigte Dschungel-Camp gedreht. Dafür habe ich vor zwei Wochen einen Aufruf für Deutsch sprechende Komparsen gesehen. Man suchte Leute für Trockenübungen der geplanten Dschungelprüfungen der echten „Stars“.  :lol:

Liebliches New South Wales – saftig grün trotz hoher Temperaturen

Am nächsten Morgen wandern wir direkt vom Campingplatz aus los. Ein Schotterweg führt an vereinzelt liegenden Höfen vorbei und an einem kleinen Bach entlang. Immer wieder müssen wir uns die Ohren zuhalten. Die Zikaden sind echt der Hammer. Bis zu 120 Dezibel sollen sie auf Messgeräte bekommen.  Nur die Männchen machen diesen Radau.

Immer mal wieder eine hübscher Bauernhof am Weg

Ein Farn klebt am Baum

Schöner Wohnen auf dem Land

Mitten in der Pampa spricht uns an einem interessanten Haus ein älteres Ehepaar an. Wir erfahren, dass das Haus das Dorfgemeinschaftshaus für ungefähr dreihundert Anwohner im Umkreis von 20 Kilometern sei. Hochzeiten und Geburtstage würde man hier feiern.Wir können uns nur knapp unterhalten. „Die Zikaden sind laut wie nie“, wird uns berichtet.

Und die beiden zeigen uns Zikaden-Hüllen. Hunderte. Ach, was rede ich, Tausende Hüllen kleben an Bäumen und Zaunpfählen. Die Zikaden-Weibchen legen ihre Eier in die Baumrinde. Die noch flügellosen Nymphen schlüpfen aus den Eiern, fallen auf die Erde und graben sich in den Boden ein. Dort können sie bis zu sieben Jahre verbringen während sie sich vom Wurzelsaft ihres Baumes ernähren. Sobald sie ausgewachsen sind, buddeln sie sich an die Erdoberfläche und kriechen ihren Baumstamm bis vielleicht drei Meter hoch. Dort schlüpfen sie aus ihrer alten Haut und fliegen davon.
Diese alte Haut klebt nun an den Stämmen. Ein wenig wie im Zombie-Film.

Invasion der Hüllen

Geplatzter Rücken – ein kleines Gruselkabinett

Jeder braune Bobbel ist eine drei Zentimeter große Hülle

Unser Weg endet an der Landstraße und wir müssen leider zwei Kilometer über Asphalt zum Campingplatz zurück laufen. Das erste Mal, dass wir mit der Hitze Australiens Bekanntschaft machen. Der Wetterbericht hat 36 Grad vorher gesagt. Gefühlt ist es zehn Grad heißer. Der Asphalt strahlt brüllende Hitze aus. Fast kleben die Wanderschuhe am Belag fest. Unsere mitgeschleppten vier Liter Wasser sind ausgetrunken als wir am Camp ankommen. Toiletten unnötig – das schwitzt man locker einfach aus.
Alles Anstellerei, so warm kann es nun auch wieder nicht gewesen sein! Zikaden sollen bei 36 Grad aufhören zu zirpen, aber wir werden die ganze Zeit von ihrem lautstarken Konzert begleitet.

Schatten ist spärlich auf der Straße

71

Australien ist tierisch

04.Dez.23, Australien/Bunya Mt.NP/Dandabah, Tag 3+4 Roadtrip, 383 km total

Als Vorbereitung für unseren Trip sind wir Mitglied in einer Facebook-Schlangen-Bestimmungsgruppe geworden. Mit Fotos bitten die Mitglieder um Identifizierung ihrer Begegnung: Schlangen im Pool, Schlangen auf der Terrasse, im Vorgarten, Schlange auf dem Grill in der Garage. Sechzig, siebzig Meldungen am Tag sind keine Seltenheit. Meistens lautet die Antwort ‚gefährlich giftig – am besten aus sicherer Entfernung betrachten‘. Ich bin dann noch in die entsprechende Spinnen-Gruppe eingetreten und gleich wieder raus. Zu abscheulich.
Camper bekommen die Hinweise, dass man besonders in Toiletten und Duschräumen schauen soll, ob nicht bereits ein beinloser oder achtbeiniger Freund auf einen wartet.

Dritter Abend unserer Tour. Letzter Toilettengang vor dem Schlafen. Ein abstoßender Jonni wartet in der Ecke über dem Klo auf mich. Ich muss ihm zum Pinkeln den Rücken zudrehen. Mich gruselt es. Vielleicht ist er ja nicht mehr so flink auf seinen verbliebenen fünf Beinen. Ich bin jedenfalls schnell fertig. Sehr schnell. :mrgreen:

Kapitaler Oschi – groß wie eine Maus

Wir stehen inzwischen mit unserem Zelt im Bunya Mountains Nationalpark und sind umzingelt von Tieren. Niedliche Wallabies hüpfen über die Wiese. Schauen uns neugierig beim Kochen zu. Diese kleinwüchsigen Kängurus muss man einfach lieben.

Wallaby mit der weißen Zeichnung an der Schnauze

Wer mag neugieriger sein?

Und dann hat es unfassbare viele Vögel. Über 800 Vogelarten soll es in Australien geben. Sie sind alle hier. Als erstes besucht uns ein Australisches Buschhuhn, einem Truthahn nicht unähnlich. So schnell kann ich gar nicht gucken und er haut seinen Schnabel in unsere Kartoffeln. Er lässt sich dann aber leicht verscheuchen. Diese Vogelart baut Bruthügel, die bis zu zwei Meter hoch und vier Meter breit sein können. Das Männchen scharrt aus Laub einen Komposthaufen zusammen. Darin legt das Weibchen bis zu 20 Eier. Das Männchen reguliert die Hitze im gärenden Laubhaufen durch Hinzufügen oder Wegnahme von Laub auf 33 bis 35 Grad.

Australisches Buschhuhn in diebischer Mission

Ein Brut-Komposthaufen

Im Wald herrscht  Rabatz der Vögel. Normales Zwitschern, Trillern und Pfeifen wird begleitet von katzenähnlichem Gejammer. Ständig guckt man sich nach einer verletzten Katze um. Ein Vogel klingt wie eine Laserpistole aus Star Wars. Nie haben wir so viele Vogelstimmen gehört.

Ein King Parrot – Königssittich

Pennantsittich Crimson Rosella

Und dann liegt sie da. Eine Rotbäuchige Schwarzotter. Sie ist medium giftig, aber es sind schon Todesfälle registriert worden. Die Schwarzottern gelten aber nicht als aggressiv und sollen beißfaul sein. Unser Exemplar hat dann auch mehr Angst als wir und verschwindet schnell im Gebüsch. Frösche und Fische sind ihre liebsten Opfer. Dass die giftigen Aga-Kröten nach Australien eingeschleppt wurden, macht dieser Schlangenart arg zu schaffen. Denn die Kröte ist tödlich für die Giftschlange. Paradoxe Welt der Gifttiere.

Rotbäuchige Schwarzotter – eine Giftnatterart

Und dann gibt es im Bunya Nationalpark noch die Queensland-Araukarie. Sogar fast ausschließlich hier. Nicht nur ihr Wuchs ist außergewöhnlich, sondern auch die Größe der weiblichen Zapfen. Bis zu 10 Kilogramm können die schwer werden. Leider werden sie im Dezember angesetzt – sind also noch winzig. Alte Zapfen haben wir nicht gefunden. Wir wollten die Wege nicht verlassen – siehe Kapitel mit der Rotbauch-Schlange. ;-)

Die ungewöhnliche Queensland-Araukarie

Bunya Lookout – der Nationalpark liegt auf 1100 Metern

70
2