So., 25.Aug.19, Franz.Polyn./Insel Makatea/Westseite, Tag 1911, 18.699 sm von HH
Die Mooring, die wir erwischen, ist nichts fuer schwache Nerven. Keine siebzig Meter vom Riff entfernt. Der Meeresgrund steigt von dreitausend Meter auf null auf einer Laenge von nur hundert Metern an. Am Bug haben wir fuenfzehn Meter unter Atanga, am Heck sechzig Meter. Die Duenung bricht sich donnernd am Riff. Ein leiser Ankerplatz ist das nicht. Im Cockpit muessen wir tatsaechlich die Stimmen erheben. Wenn die Welle sich nach dem Brechen zurueck zieht, das Riff freilegt und bevor eine neuer Brecher sich formiert, bildet sich eine Kante, ja, ein Schlund, ein Vorhof zur Hoelle. „Wo wir haengen, kann sich das Wasser nicht brechen … wo wir haengen, kann sich das Wasser nicht brechen … zu tief … wo wir haengen …“ Wir versuchen uns mit Kuechen-Meeres-Physik den Platz schoen zu reden.
Mit schaurigem Grausen beobachten wir das Schauspiel der brechenden Wellen. Dass vor uns am Riff einige Betonpfeiler stehen (ein Relikt aus vergangenen Zeiten als hier ein Verladeplatz fuer abgebautes Phosphat existierte) und an denen die Gischt zehn Meter hoch spritz, macht den Anblick nicht besser. Aber wir bleiben. Die Mooring ist in einem guten Zustand, der Wind ablandig. Fuer kein Geld der Welt wuerden wir hier bei auflandigem Wind bleiben. Das Heck von Atanga laege direkt ueber dem Schlund. Das waere dann doch zu viel. Waehrend wir noch so ueberlegen, was alles an der Mooring passieren kann, kommt ein junger Mann auf einem SUP-Bord auf uns. Frueher wuerde man mit dem Kanu begruesst, wir haben halt moderne Zeiten. Tapu begruesst uns strahlend: „Die Moorings sind sicher, keine Sorge, nur bei Westwind, huijuijui, dann muesst ihr hier weg. In den Hafen zu kommen, funktioniert wohl mit dem Dinghy, aber man kann es nicht gut fest binden. Zuviel Schwell. Deswegen nehmen wir unser Fischerboot jeden Tag aus dem Wasser. Am besten, ihr kommt mit euren Kajaks.“ Er bietet uns gleich fuer den naechsten Tag eine gefuehrte Tour auf der Insel an. Durch den Phosphat-Abbau gaebe es etliche Industrie-Relikte zu besichtigen, eine Grotte mit christallklarem Suesswasser, wir koennen seinen Vater, den Buergermeister kennen lernen und den Strand auf der anderen Seite sehen. Wir schlagen ein, Morgen um 9:00 Uhr zur Inseltour. Jetzt bleibt uns nur noch zu ueberlegen, wie wir durch die Duenung vor der Hafeneinfahrt kommen koennen.
Segeln nach Makatea
So., 25.Aug.19, Franz.Polyn./Insel Makatea/Westseite, Tag 1911, 18.515 sm von HH
Segeln? Das war wohl ein Schuss in den Ofen. Frueh morgens gehen wir Anker auf und geraten hinter der Abdeckung von Tahiti Iti in den Windschatten der Berge – das war zu erwarten. Wir wollen Tahiti im Sueden umrunden, damit unser Segel-Winkel Richtung Norden etwas besser ist. Der Schwell kommt uns hart entgegen, ein echter Kotzkurs. Es ist so arg, dass Achim das erste Mal seit fuenf Jahren unter Deck keine Brote zum Fruehstueck schmieren mag. Mir geht es gut, ich hab ja eine Pille genommen. Nach vier Stunden ist der Spuck vorbei, hinter der Abdeckung kommt der Wind. Seicht, aber bei einem Kurs hoch am Wind ist uns das ebenso Recht. Genau drei Stunden koennen wir wunderbar segeln, dann schlaeft der Wind komplett ein. Nicht mal ein Hauch bleibt ueber. Wir sind ja hart im nehmen und duempeln auch noch mit zwei Knoten zufrieden umher, aber heute geht gar nichts. Wir starten die Maschine. Was Greta an Co2 gespart hat, blasen wir jetzt in die Atmosphaere. ![]()
Am naechsten Mittag, nach 160 Motormeilen erreichen wir Makatea. Diese Insel hat keinen Pass und keine Lagune. Man kann dort nicht ankern, unmoeglich, aber es soll direkt am Aussenriff drei Moorings geben. Durch das Fernglas sehen wir, dass bereits zwei Moorings belegt sind. Bleibt noch eine uebrig! Da ploetzlich ein AIS Signal auf dem Plotter. Aus Norden naehert sich mit grosser Geschwindigkeit ein Katamaran. Das Rennen auf die letze Mooring hat begonnen. Aber wir sind chancenlos. Fuenf Minuten vor uns erreicht der Feind die letze Mooring. Wir machen lange traurige Gesichter, da sehen wir, dass sich eines der anderen Boote in Bewegung setzt. Hurra, da haben wir ja mal richtig Glueck. Zwischen uns und dem Riff kommt ein Wal vorbei. Ja, was ist denn heute los? Haben wir in einen Hundhaufen getreten oder woher kommt auf einmal dieser Segen? Zufrieden binden wir Atanga an der Mooring fest. Und Greta erzaehlen wir nichts von den 75 Liter verbrannten Diesel.
Wie ist die Versorgungslage auf Tahiti
Do., 22.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1908, 18.355 sm von HH
Wirklich hart trifft es die Drogenbeschaffung!
Zigaretten kosten 10 bis 13 USD die Packung. Okay, interessiert an Bord ja keinen mehr. ![]()
Schokolade kostet 3,50 USD für 90 Gramm Milka. Wer richtige Schokolade will, muss 6 bis 8 Dollar hinblättern.
Alkohol kostet ein Vermögen! Eine Flasche Wein beginnt bei 16,00 USD. Das Zeug darunter ist untrinkbar. Wir haben es mit 12 Dollar Wein versucht, der sich als süße Plörre entpuppte.
Der Preis für Bier ist günstig, zumindest gefühlt. Aber nur, weil Französisch Polynesien ganz geschickt vorgeht: Vor Tahiti erreicht man von allen Seiten erst die kleinen Inseln. Dort kostet eine Flasche Bier 3,00 bis 3,50 USD, da tun die 2,20 Dollar auf Tahiti plötzlich gar nicht mehr weh.
Der Rest ist preislich akzeptabel. Mein Preisindex, den ich seit Kap Verden führe, sagt, dass Tahiti ist nur 66 Prozent teurer als Deutschland. Da hatten wir in der Karibik schon ganz andere Werte. Es finden sich immer mal wieder Schnäppchen. Neben der subventionierten Grundnahrungsmitteln scheint Frankreich seinen Untertanen in Übersee ein Recht auf getrocknete Tomaten in Öl einzuräumen. Ein gutes Glas ist sensationell günstig mit 2,20 USD. Noch nie eingefrorenes Fleisch kommt aus Neuseeland und liegt zwischen 12,00 und 20,00 USD fürs Kilo. Thunfisch im Supermarkt kostet 20,00 USD, auf dem Markt in Papeete nur die Hälfte.
Bei Noonfood sieht es schlechter aus. Grade billige China-Plastik-Ware ist am teuersten. Ein Schneidbrett kostet 22,00 USD, eine wackelige Klobürste 8,00 USD. Wasser- und Benzinkanister sind doppelt so teuer wie überall anders. ‚Cilit Bang‘ Putzmittel haut mit 9,00 USD rein.
Essen gehen ist ebenfalls teuer. Der Preis für ein Big Mac Menü hat seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. ‚Wo du gern bist, weil man gut isst‘, will 10 USD für das olle Pappbrötchen haben. Ein Bier im Restaurant kostet 8,00 USD und selbst in kleinen Mittags-Lokalen verlangt man 20,00 USD und mehr für ein schnelles Essen.
Was es vor allem teuer auf Tahiti macht, ist, dass es alles (!) gibt. Zehn Sorten Emmentaler, Leerdamer, diverse Bries, Frischkäse, Schimmelkäse, Schafskäse, Ziegenkäse. Luftgetrockneter Schinken liegt neben Chorizo und zehn Sorten Französischer Salami.
Ein Einkaufsparadies.
Wer lieber regional einkauft, kann das allerdings nur beim Gemüse: Pok Choi, Kohl, Rettich, Bananen, Mangos. Der Rest wird eingeflogen. Entweder aus Frankreich oder Neuseeland. Dieses Flug-Gemüse hat seinen Preis. Im Schnitt ist der Kilopreis doppelt so hoch wie für die lokalen Produkte.
Wie geht es jetzt bei uns weiter?
Atangas Schränke sind wieder voll. Alles mit dem Fahrrad aus dem relativ nahen ‚Carrefour‘ heran gekarrt. Kaum, dass man fünfzehn Mal fährt, ist das Schiff wieder beladen. ![]()
Jetzt nur noch vorkochen und alles verstauen, denn am Samstag geht es weiter.
In das Herz der Tuamotus – nach Osten – wollen wir nicht noch einmal zurück. Das ist uns zu weit genau gegen den Wind. Aber im Norden gibt es noch zwei Atolle, die mit unter 200 Seemeilen ’schnell‘ zu erreichen sind. Wenn es gut läuft, kommt uns der Wind nicht auf die Nase. Danach kommen wir wieder runter, besuchen noch Moorea, die schöne Schwester Tahitis, um dann noch einmal in Tahiti zu stoppen.
Spätestens am 15. Oktober wollen wir dann Richtung Süden auf die Austral-Inseln und aus der Zyklon-Region heraus.
Papeete Stadtausflug
Di., 20.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1906, 18.355 sm von HH
„Seelenlose Stadt“, „im Verkehr erstickender Beton-Klotz“, „keine besonderen Sehenswürdigkeiten“, die Beschreibungen Papeetes sind einseitig und eindeutig.
Zwei Drittel aller Einwohner Französisch Polynesiens leben in der Hauptstadt.
Dem Drehkreuz für die Verteilung von Mensch und Ware auf die kleinen Inseln und Inselchen. Jeder Bleistift, jedes Kilo Mehl, der gesamte Diesel und jedes Stück Käse kommt über Papeete rein.
Unser Besuch soll ein Mix aus Sightseeing und Einkaufstour werden. Aber als erstes statten wir dem Stadthafen einen Besuch ab. Wir müssen noch einen Platz finden, wo ich im nächsten Jahr Achim unterbringen kann, wenn ich nach Hause fliege. In der Marina treffen wir Inga und Norbert. Die beiden kennen wir schon ein paar Jahre aus dem Internet, getroffen haben wir uns noch nie. sy-marisol Analog sind die beiden genauso nett wie digital. Natürlich sind sie nett, denn unsere Wege werden sich wahrscheinlich nicht wieder überschneiden.

Inga und Norbert
Danach schleppt Achim mich zum Schiffsausrüster. Ein nerviger Weg durchs Industriegebiet. Papeete zeigt sich von seiner beschriebenen Seite: Autos parken die Fußwege voll, LKWs donnern an uns vorbei. Es wird gehupt und überholt. Hao mit seinen zwanzig Autos war da entspannter. Wir sind im Zweifel, ob wir Großstadt je wieder mögen können.
Aber es gibt im Stadtkern auch ein paar ruhige Ecken. Eine wohltuende Oase ist der Markt mit Obst und Gemüse für die Einheimischen und Souvenirs für die Touristen. Alles nett dekoriert mit Stoffen im typischen polynesischem Blumendruck. Man findet auf den Straßen fliegende Händlern, die an bunten Ständen Obst, Muschelketten und natürlich Perlen verkaufen. Perlen. Perlen wohin das Auge sieht. Billig aufgezogen auf Leder-Imitat-Bänder oder exklusiv in den Schaufenstern der Juweliere präsentiert. Perlen, Perlen, Perlen.
Die Krönung ist das Perlenmuseum von Robert Wan. Der König unter den Perlen-Machern unterhält einen hübsch gemachten Show-Room in dem man alles über die Austern und die Entstehung einer Perle sehen kann. Robert Wan hat als armer Einwanderer aus China sein Geld als Autoverkäufer und Gelegenheitsarbeiter verdient. Bis er 1974 einen Enkel von Kichimatsu Mikimoto kennen lernte. Mikimoto gelang es vor über 100 Jahren die Methode zu entwickeln mit der eine Perle gezüchtet werden kann. Robert Wan investierte alles in die Perlenzucht und wurde reich. Sehr reich. Er gründete das Imperium ‚Tahiti Perle‘ und ist Besitzer der größten runden Perle, die bislang gezüchtet wurde: Durchmesser 22,93 Millimeter.
Natürlich kann man neben dem Museum auch Robert Wan Perlen kaufen. Hätten wir nicht gerade die Ankerkette gekauft, so wäre sicherlich für mich ein Kettchen drin gewesen.
So haben wir heute mindestens 90.000 USD gespart.
Rund Tahiti
Mo., 12.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1898, 18.355 sm von HH
Bereits um 7:00 Uhr stehen wir an der Autovermietung und nehmen den reservierten Hyundai in Empfang. Ich ziehe beim ‚Streichholz ziehen‘ den Kürzeren und muss fahren. Aber das viel beschriebene Auto-Chaos um Papeete hält sich in Grenzen. Wir kommen besser durch als erwartet, schon vor 9:00 Uhr erreichen wir die ‚Taina Marina‘ (eine große Marina vor den Toren Papeetes). Dabei haben wir erst in zwei Stunden einen Termin mit Mat, der unsere Wanten fertig gestellt hat. Wir gehen Mat in der weitläufigen Marina suchen und werden fündig. Er freut sich, dass wir so früh da sind, das kommt ihm terminlich sehr entgegen. Prima, so freuen sich alle. Unsere „Pflicht“ ist erfüllt und wir haben das Auto.
Die teure ‚Taina Marina‘ mit einem großen Anker- und Mooringfeld davor. Wir überlegen, ob dieser Platz für uns geeignet ist, wenn wir wieder nach Tahiti zurück kommen.
Eine geschichtsträchtige Bucht: Die Segelprominenz des 18. Jahrhunderts hat sich in dieser Bucht die Ankerkette in die Hand gegeben. James Cook landete hier mit seiner ‚Endeavour‘ und ein paar Jahre später die ‚Bounty‘, bevor die berühmte Meuterei begann.
James Cook kam 1769 nach Tahiti, weil er als ein Teil einer internationalen Mess-Kampagne den Venus-Transit beobachten sollte. Diese Kampagne diente der Bestimmung der Entfernung Sonne-Erde und der Abstände der anderen Planeten unseres Sonnensystems. 77 Mess-Stationen weltweit lieferten 1769 verlässliche Daten die zur Abstandsberechnung heran gezogen werden konnten.
Beim Venustransit stehen Sonne, Erde und Venus in einer Linie. Wäre die Venus nicht so weit entfernt, würde diese Konstellation zu einer Sonnenfinsternis führen, so sieht man beim Transit die Venus nur als schwarzen Fleck vor der Sonne. Wer diese Phänomen beobachten möchte, muss sich allerdings noch bis 2117 gedulden. Nur viermal in 243 Jahren kommt es zum Venustransit.
Zwanzig Jahre später landeten in der Bucht die Missionare, die im Namen Gottes den christlichen Glauben verbreiteten und den Einheimischen ihre Identität nahmen. Die Kirchenmänner leisteten ganze Arbeit. Keine einhundert Jahre nach den ersten Missionaren, fanden sich Europäer, die ihr Glück in der Südsee suchten, betrogen. „Die glücklichen Bewohner eines unbeachteten Paradieses in Ozeanien kennen vom Leben nichts anderes als seine Süße“, hoffte Gauguin 1890 in einem Brief an einen Malerkollegen, bevor ihn 1891 auf Tahiti die Realität einholte. Die viel beschriebene Leichtigkeit der einheimischen Bevölkerung war aus seiner Sicht bereits verschwunden.
Wir lassen Papeete links liegen, die Stadt können wir besser per Bus besuchen. Also einmal rund Tahiti bitte. Im Prinzip gibt es nur eine Straße auf Tahiti Nui – dem großen Tahiti. Einmal ringsum an der Küste entlang – 120 Kilometer. Es gibt zwei Orte, den Moloch Papeete, der den Ruf einer hässlichen Stadt genießt, und Taravo, der Ort am Ende der Bucht, wo wir vor Anker liegen. Diese Städte sind durch ein endloses Straßendorf miteinander verbunden. Haus an Haus reiht sich neben der gut ausgebauten Straße aneinander. Gleich hinter den Häusern wachsen die Berge steil in die Luft. Die wahre Schönheit Tahitis liegt im unbewohnten Inselinneren. Das ist nur über geführte Wanderungen von mehreren Tagen zu erreichen.
Stichstraßen, die ins Inselinnere führen, gibt es so gut wie keine. Nur ein hübscher Wasserfall ist per Auto zu erreichen. Die Küste ist wild an der Windseite. An der steilen Lavaküste gibt es Blow-Holes, die von der Dünung pfeifend mit Wasser gefüllt werden und ihre Fontänen meterhoch in den Himmel schießen. Die Westseite ist brav und etwas langweilig. Strand gibt es nur selten, man kommt nicht ans Wasser, alles ist zu gebaut.
Noch ein technischer Nachtrag:
Der Wassermacher läuft wieder. Das Einlassventil war verklemmt. Mit ein paar Handgriffen war das Problem schnell gelöst. Den Wasserhahn hat Achim auch gefunden
, die Tanks sind voll und wir wieder unabhängig. Es kann also bald weiter gehen. Noch einmal mit dem Bus nach Papeete, noch etwas einkaufen und wir sind startklar.














