Kabel, Kabel, Kabel

Mi., 31.01.2018, Panama/Shelter Bay, Tag 1341, 12.404 sm von HH

Nach hinten hin sind alle Kabel grau.
Diesmal liegen sie hinter unserer Wand-Vertäfelung im Schlafzimmer versteckt. Dicht an dicht in ein Rohr gestopft. Da kann man ziehen wie ein Berserker, das gewünschte Kabel zuckt nicht mal.

Raus soll das Kabel, was zum Kurzwellen-Tuner führt. Der ist ganz hinten im Schiff in der Backs-Kiste montiert und sein Plastikgehäuse durch den Blitz zersplittert. Im Inneren des Tuners hat es mehrere Schalt-Elemente gesprengt.

Wenn Achim am Tuner-Kabel zieht, bringt das richtige Kabel die Nachbarn ebenfalls zum Wackeln. Einmal stramm gezogen, muss ich in dem kleinen Loch das verdächtige Kabel wieder lockern. Achim zieht erneut, der Gegner ist erkannt. Jetzt „nur“ noch das Kabel aus dem Rohr zerren.
Nebenbei wird die Hälfte der Kabel als überflüssig identifiziert. Das schafft Platz.

Das war mal unser Schlafzimmer

Das war mal unser Schlafzimmer

Die Demontage schreitet allgemein gut voran. Aber alle Projekte dauern. Allein den Radar-Dom vom Mast zu holen ist ein Mehr-Stunden-Projekt. Das Teil wird riesengroß, wenn es mal so vor einem liegt. Unhandlich und rutschig.

Das Schiff verfällt zwischenzeitlich in schweres Chaos. Umdrehen, bewegen, gar leben und sich wohl fühlen ist ein Kampf gegen Windmühlen.

Mein Tanzbereich

Pantry

Pantry

 

Sein Tanzbereich. :lol:

ehemaliger Navi-Tisch

ehemaliger Navi-Tisch

 

Dazwischen befindet sich eine, mehr oder weniger, bewohnbare Grauzone.
Überall steht etwas herum. Kaputte Teile müssen wir aufbewahren. Sie gehören faktisch der Versicherung und die entscheidet, was damit passieren soll.

Die Versicherung hat bereits letzte Woche ihr ‚okay‘ zur Bestellung der Ersatzteile gegeben.
Ein 60 Kilo Paket ist auf dem Weg. Der größte Teil kommt aus den USA von einem großen Marine-Ausstatter (Defender). Lieferzeit fünf Tage, heißt es bei der Bezahlung.
Ich lache mich schlapp, während Achim optimistisch zweimal täglich das Tracking verfolgt.
Am Montag lache ich nicht mehr, unser Zeug hat bereits den Status ‚imported in Panama‘: Lieferung erfolgt planmäßig am Mittwoch.
Heute Morgen wird mein belastetes Lieferung-nach-Panama Weltbild wieder gerade gerückt: ‚Auslieferung verspätet‘. Ohne Angabe von Gründen und ohne Angabe, wie lange die Verspätung sich zieht.

Unser Kühlschrank ist da

Fr., 26.01.2018, Panama/Shelter Bay, Tag 1336, 12.404 sm von HH

So habe ich mir das nicht vorgestellt.
Ich hatte ‚plug and play‘ erwartet.

Dass das halbe Schiff zerlegt werden muss, war nicht zu erwarten.
Fast alle Kabel, die unter der Decke entlang Richtung Kühlschrank führen, sind rot.
Es gibt so viele schöne Mädchenfarben: Mauve, Fuchsia, Koralle. Warum nutzt die Kabelindustrie das nicht? Das beraubt die Menschheit um so schöne Sätze wie „Ich verlege heute die lavendelfarbenen Kabel“.

Welches der roten Kabel mag das richtige sein?
„Zieh doch einfach am Kühlschrank-Ende und ich beobachte, welches Kabel wackelt“, versuche ich zu helfen.
Ein tötender Männerblick: „Alle Kabel sind mit einer Plastikspirale zusammen gebündelt, damit man ja nicht an einem Kabel ziehen kann. Und damit das auch wirklich nicht funktioniert, ist zusätzlich alle vierzig Zentimeter das Bündel mit Isolierband umwickelt.“
Ich höre auf mit klugen Tipps.

Damit Achim das richtige Kabel finden kann , muss die Decke in der Pantry runter.
Damit die Decke runter kommt, muss der Haltegriff neben dem Niedergang ab.
Damit der Haltegriff abgeschraubt werden kann, muss eine weitere Holzleiste weg. Die ist geschraubt und geleimt und gerade in Santa Marta frisch von mir lackiert.
Damit er das Isolierband vom Bündel puhlen kann, muss ein weiteres Deckenelement im Salon runter.

Viele, viele böse F-Wörter später hat Achim das richtige Kabel gefunden.

Wohnlichkeit jetzt auch in der Pantry

Wohnlichkeit jetzt auch in der Pantry

Na, wo ist den das rote Kabel?

Na, wo ist den das rote Kabel?

Die Küchen-Decke, mein ewiger Feind bei der Fett-Spritzer-Suche, liegt offen neben mir. Jetzt kommt Schwager Jürgen mit seinen tollen Ratschlägen ins Spiel: Ich kann den Feind putzen, ohne mir über Kopf die Arme zu verrenken.
Es ist eben nichts so schlecht, dass es nicht für irgendetwas gut wäre.

Achim prökelt derweil weiter. Er versucht das richtige Kabel aus der Spiralen-Umklammerung zu ziehen. Keine Chance. Ohne die Spirale zu entfernen, wird das nichts.

Schlappe 24 Stunden später läuft der Kühlschrank und die Deckenplatten sind wieder an ihren Platz. Nebenbei wurden noch ein paar Kabel von ‚Lüfter Küche‘ und ‚Lüfter Deckshaus‘ entfernt. Keiner von uns hat je diese Lüfter zu Gesicht bekommen.
Also, es geht voran. :-) Jetzt mit kaltem Bier zum Feierabend.

Klima Katastrophe Panama

Do., 25.01.2018, Panama/Shelter Bay, Tag 1335, 12.404 sm von HH

Es regnet jeden Tag. Und wenn es nicht regnet, ist der Himmel grau bewölkt. Wind? Fehlanzeige.
Luftfeuchtigkeit 85%. Im Schiff für Durchzug sorgen? Tageweise ein Ding der Unmöglichkeit. Die Luken sind zu, weil es so schüttet. Unter Deck wächst eine Tropfsteinhöhle. Besser gesagt ein Schimmelloch. Ein shithole.

So sieht ein am Kleiderhaken vergessener Gürtel nach drei Wochen aus.

Das war mal ein Gürtel

Das war mal ein Gürtel

 

Leder ist am schlimmsten betroffen. Ein Portemonnaie, drei Tage unbenutzt auf dem Navi-Tisch liegend, bekommt einen weißen Überzug. Lederschuhe und Gürtel haben wir eingeschweißt. Das ist das einzige, was hilft.

Holz mag Schimmel auch sehr gerne.
Hinter der Tür kann man zusehen, wie der Schimmel wächst. Alle schlecht belüfteten Ecken sind betroffen: Hinter Türen, unter dem Salontisch und im Bad natürlich.
Bin ich hinten fertig mit wischen, kann ich vorne wieder anfangen. Merkwürdigerweise bildet sich in den Schränken kaum Schimmel. Einlegeböden und Seitenwände sind aus Sperrholz, da geht er nicht ran. Schimmel ist ein echter Echtholz-Liebhaber.

Schimmel mag Echtholz

Schimmel mag Echtholz

 

Schimmel hinter der Tür - Dauer der Bildung ungefähr 14 Tage

Schimmel hinter der Tür – Dauer der Bildung ungefähr 14 Tage

Ich wische mit Brennspiritus, statt mit Essigwasser, wie meistens empfohlen. Ich komme mit dem beißendem Geruch von Essig nicht so gut klar. Außerdem bilde ich mir ein, dass ich so weniger Feuchtigkeit auf die betroffenen Stellen bringe.
Eine Testreihe mit einem Paar Schuhen hat ergeben, es ist egal, womit man wischt, es hilft sowieso nicht.
Bereits getragene Sachen, wie Jacken und Base-Caps, gehen gar nicht. Alles, was eine schweißig-salzige oder angegrabbelte Oberfläche hat, muss gewaschen werden.

Vorsichtig frage ich auf anderen Schiffen nach: „Wir? Nein! Wir doch nicht. Wir haben keinen Schimmel!“ Lügner.
Zwei Schiffe weiter bekomme ich eine ehrliche Antwort: „Wir müssen hier weg, alles beginnt sich weiß zu pudern.“ Gott, sei dank, wir sind nicht allein.

Die Trockenzeit sollte längst begonnen haben, hier in Panama.
Auf den San Blas Inseln hat sich das Wetter nach dem anfänglichen Dauerregen ja schon versöhnlich gezeigt. Jetzt gehen wir einen Schritt rückwärts.
Neuankömmlinge berichten von viel Regen auf den Inseln.

Durch den bedeckten Himmel ist es allerdings nicht mehr so brutal heiß, wie in Kolumbien. Nachts geht es runter auf 25 Grad. Es werden Laken zum Zudecken benötigt.
Ich wusste schon, warum wir nur 10 Tage Aufenthalt hier geplant haben. :mrgreen:

Lieferanten-Katastrophe Panama

Di., 23.01.2018, Panama/Shelter Bay, Tag 1333, 12.404 sm von HH

„Hier in Panama kriegst du alles“, lassen uns Insider wissen, „aber das kann dauern“.
„Und nimm bloß FedEx“, schieben sie hinterher. „Alle anderen Versender kannst du vergessen“.
Wer sich nicht dran hält und auf ‚DHL Worldwide‘ setzt, der wartet auf ein kleines Päckchen, was bereits in Panama City angekommen und verzollt ist, weitere zehn Tage.

Wir hören drauf und wählen ‚FedEx-Express‘ für den Versand unseres Kühlschrank-Kompressors.
Mit drei Tagen Lieferzeit, lockt uns ‚Marine Warehouse‘ bei der Bestellung. Diese drei Tage sind nun viermal rum.
Marine Warehouse hebt die Hand und schreibt, sie seien unschuldig. Mal ist FedEx Schuld (wie kann das sein? Das sind doch die Guten!), mal der Zoll. Wir erhalten Mails mit Fake-News: „Morgen wird geliefert.“ Dann am Tag der Lieferung: „April, April! Heute wird es nichts.“

Na, das kann ja noch heiter werden. Ich mag gar nicht dran denken, wie die ca. 70 Teile (Großgeräte, Adapter, Kabel (!) und Zubehör) auf unserer Liste hier jemals ankommen sollen.

Unser Leih-Kühlschrank der letzten zwei Wochen ist vorgestern durch den Panama Kanal verschwunden. Wir behelfen uns jetzt mit Eis, was man in Vier-Kilo-Paketen im Marina-Shop kaufen kann.
Unser Kühlschrank ist ein Edelstahlkasten, eingebaut in die Pantry-Möbel und von oben zu beladen. Er hat einen Abfluss am Boden aus dem das Schmelzwasser abfließen kann.
Das mit dem Eis funktioniert ganz gut, allerdings frisst ein frischer Beutel reichlich Volumen. Viele Vorräte passen nicht mehr dazu. Aber besser als nix.

Das Chaos hat begonnen

Sa., 20.01.2018, Panama/Shelter Bay, Tag 1330, 12.404 sm von HH

Die Versicherung hat ihr ‚go‘ für die Demontage der kaputten Geräte gegeben.
Zehn Minuten später reißt Achim die ersten Verkleidungen von der Decke. Gemütlich.
Aber wohin mit den 2,50 Meter langen Teilen? Wir finden keinen Platz, wo wir sie lagern könnten.
Draußen an Deck geht ebenfalls nicht – habe ich schon berichtet, dass es jeden Tag regnet und das Wetter eine Katastrophe ist?

Die Marina verleiht abschließbare Kammern und Butzen. 1,23 x 1,23 x 1,23 ist das größte Loch, was zur Zeit frei ist. Na, super.
Da fällt uns der Segelmacher ein, der etwas abseits seine Arbeits-Halle stehen hat. Dort dürfen wir für eine Woche unsere Deckenverkleidung unterstellen. Eine Woche wird nicht reichen, aber was erst mal irgendwo steht, fällt nach kurzer Zeit nicht mehr auf. Tot stellen, lautet die Devise.
Und vielleicht werden ja Lager-Räume in Kürze frei.

Schöner wohnen

Schöner wohnen

Die Liste mit den Ersatz-Geräten ist fertig und liegt der Versicherung zur Entscheidung vor.
Was noch fehlt, sind die dazu gehörigen Kabel. Achim erstellt ein Installations-Layout. Dieses bespricht und verfeinert er mit Rudi. Die Recherche, welches Gerät mit welcher Kabellänge und Kabelart (Spur-Kabel, Raynet-Kabel, Devicenet-Kabel oder Backbone-Kabel) geliefert wird, verbleibt bei ihm. Einige Geräte kommen standardmäßig mit zu kurzen Kabeln. Sollte man im Auge behalten, sonst ist man bei der Installation der Voll-Doofe. :mrgreen:

Ich lege zu ‚Blitzschaden‘ noch ‚Kabel‘ als Unwort in die Auswahl für 2018.

Wo neue Kabel rein sollen, müssen zunächst die alten Kabel raus.
Hinter der Verkleidung findet Achim Kabelleichen, ohne Anfang und Ende, und Kabel unbekannter Funktion. Kabel, die hinter Deckenverkleidungen verschwinden und andeuten, dass noch mehr von der Verkleidung runter muss.

Strippen finden und ziehen

Strippen finden und ziehen

Gemütlicher Arbeitsplatz

Gemütlicher Arbeitsplatz

Außerdem zeigt unser Schaltkasten drollige Phänomene seit dem Blitz: Wenn man den Knopf für die Duschpumpe drückt, leuchten die Sicherungen bei AIS und Gaswarner auf. Das lässt auf einen Kurzschluss hinter der Wand schließen und auf Kabel, die zusammengeschmort sein könnten.
Hier möchte Achim nicht so gerne ran, sondern will das Rudi überlassen.
„Ein ‚paar Geräte‘ installieren ist eine Sache“, sagt er, „aber da soll ein echter Fachmann ran“.