Fr., 30.Jun.17, Karibisches Meer, Tag 1126, 11.683 sm von HH
Negatives? Wir empfangen keine AIS Signale mehr. Wahrscheinlich ein Ausfall der GPS Antenne. Der Plotter arbeitet noch normal. Jetzt bekommt das Wort ‚Nachtwache‘ wieder eine tiefere Bedeutung. Wir selber senden noch ein AIS Signal, aber das ist nur der halbe Spaß. Wie entspannt ist es, wenn man in stockdunkler oder stressiger Nacht nur auf das kleine Dreieck klicken braucht und alle Informationen sofort vor Augen hat: „Tanker Victoria zieht im Abstand von 3,5 Seemeilen in 30 Minuten vorbei.“ Coole Technik. Nur an Hand der Lichter eines Frachters die Entfernung und genauen Kurs abzuschätzen ist schwierig. Letzte Nacht hatten wir drei Nahbegegnungen. Einen Frachter anzurufen, dessen Namen man nicht kennt und dessen Position man nur schätzen kann, wird alles machen, nur nicht antworten. Erst beim dritten, vierten Mal geht, vielleicht, jemand an die Funke.
Das haben wir bislang noch nicht erlebt. Wenn mein ein Schiff beim Namen ruft, ist direkt beim ersten Funkkontakt jemand am Rohr. AIS – für uns unverzichtbar. Die Vorstellung von unbemannten Ozean-Riesen eine Horror-Vorstellung. Eine Roboter-Stimme krächzt ins Mikro: „Ich habe Sie nicht verstanden. Wenn Sie Fragen zu Ihrem Vertrag haben, wählen Sie bitte die zwei.“ :mgreen: Positives? Bevor ich jetzt als Dauer-Nörglerin abgestempelt werde: zu wenig Wind, zu viel Wind, Wind aus der falschen Richtung…die letzten 24 Stunden waren gut. Wir sind durch Strömung zeitweise mit über sieben Knoten in eine brauchbare Richtung vorwärts getrieben worden. Der Wind war zwischen 16 und 20 Knoten gut erträglich. Also, alles tutti.
Und deswegen – sensationell – nur noch Rest Meilen nach Ost: 108
Tag 4-Santa Marta- Sechs, in Böen sieben
Do., 29.Jun.17, Karibisches Meer, Tag 1125, 11.560 sm von HH
Mein schönes Schiff. Mein schönes, sauberes Schiff. Alles ist salzig, glitschig. Gischt fliegt uns um die Ohren, das Deck ist dauergeflutet, welcome back auf Ihrer Glücksreise hoch am Wind. Atanga nickt sich wie eine Erdölpumpe Richtung Süd-Ost. Uns kommen Wellen von drei Metern entgegen, der Wind heult, es rauscht, lärmt und gurgelt.
Meine Seekrankheit ist auch zurück. Die Pantry ist fürs erste wieder gestorben. Der Nudelkoch macht was mit Eiern. Er sagt es als erster: „Schmeckt wie eingeschlafene Füße.“
Wir fahren dreifach gerefft durch die Nacht. Eine Entscheidung von Achim, somit nicht Haussegen gefährdend.
Heftige Böen und dazu Wetterleuchten. Da meint es jemand etwas zu gut mit uns, hatten wir nicht so bestellt.
Wenn wir den Kurs wechseln wollen, schafft Atanga so stark gerefft keine Wenden, wir müssen dann halsen (mit dem Hintern durch den Wind drehen). Dabei kommen wir einen kurzen Moment den Wind von hinten. Was für ein Unterschied. Nichts mehr los worüber es sich lohnen würde auch nur ein Wort zu verlieren.
Wir haben wieder Wasser im Schiff. Der Dorade-Lüfter im Salon drüppelt ein wenig vor sich hin. Das verwundet uns nicht, außer sauber, haben wir mit dem Ding nichts gemacht. Wir haben auf Selbst-Reparatur gebaut.
Der ‚behandelte‘ Lüfter vorne ist trocken. Na, bitte, geht doch. Die neu abgedichteten Püttinge (Beschläge an Deck für die Wanten, die mit dem Rumpf verbolzt sind) sind dicht. Darf man behaupten, 24 Stunden Dauertest sollten als Beweis genügen.
Hurra. Kein Wasser mehr hinter der Backbord Sitzbank. Dafür jetzt hinter der Steuerbord Bank. Ganz neue Erscheinung. Okay, dann bekommen die Püttinge auf dieser Seite die gleiche Behandlung. Mein schönes sauberes Schiff. Good bye Santa Marta.
Warum noch mal Kolumbien? Doch nicht nur, weil eine Entführung kostenlos wäre.
Auf uns warten ‚verlorene‘ Städte, Unesco Städte, Berge fast 6000 Meter hoch, Dschungel und traumhafte Strände. Und die mausgroßen Kakerlaken. Wehe, wenn der Reiseführer lügt.
Rest Meilen nach Ost: 200
Tag 3-Santa Marta- Flauten-Fahrt
Mi., 28.Jun.17, Karibisches Meer, Tag 1124, 11.488 sm von HH
Für den Gebrauch des Motors auf einer Segelyacht gibt es schlimme Begriffe: Flauten-Schieber, Eisen-Genua und mein negativ Favorit, Unterdeck-Genua. Erst nach 18 Stunden können wir den Jockel
wieder ausstellen.
Das Meer liegt platt wie die Alster vor uns. Wir leiten bei grade zehn Knoten Wind mit zwei Knoten Speed vorwärts. Das ist langsam, aber der Motor nervt. Langsam, aber ein Traum. Ein paar Stunden können wir mit 90 Grad unser Ziel ansetzen (ah, unser Wetterfenster
).
In der Nacht ist dies mystisch. Keine Windgeräusche, keine Gischgeräusche, kein Rauschen. Lautlos ziehen wir ostwärts. Begleitet von fernen Wetterleuchten. Ein Spiel von Licht und Dunkelheit. Eben taucht die Black Perl aus den Fluten. Nein, war nur ein Schatten.
Um Mitternacht nimmt der Wind weiter zu. Die Szenerie wechselt. Wetterleuchten und Gewitter rücken näher. Drohende dunkle Wolken querab. Dahinter tobt eine Elektronenkrieg. Ein Feuerwerk an Explosionen. Grell wird der gesamte Horizont erleuchtet, Lichtexplosionen, wie kurz vorm Weltuntergang. Der Wind bleibt friedlich dabei. Eine furchteinflößende Genußfahrt durch ein Licht-Theater.
Der schwache Wind macht ein normales Leben möglich, ausgiebige Duschen am Heck, aufrechter Gang und die Pantry gehört auch wieder mir. Rest Meilen nach Ost: 260
Tag 2-Santa Marta- Explodierender Himmel
Di., 27.Jun.17, Karibisches Meer, Tag 1123, 11.390 sm von HH
Normale Wind (15 bis 17 Knoten) hält bis in die Nacht hinein an. Zum Glück für die Reff-Besorgnisträgerin und den Reff-Muffel. So ein Haussegen hängt schon mal am seidenen Reff-Faden. Ich kann einen Ehekrach bei 30er Boen nur bedingt weiter empfehlen.
Die zweite Nacht bringt wieder Wetterleuchten. Heftig. Vor uns, neben uns, hinter uns. Mal weit entfernt, dann ganz nah. Mal sind es flächige Lichterscheinungen in sanften Gelbtönen, mal kugelförmige grelle Explosionen. So grell, dass es in den Augen schmerzt. Die entfernten Lichter sind wunderschön. Hinter tellerförmigen Wolken glüht der Himmel. Es scheint als wollten Ufos auf dem Wasser landen.
Je näher sie kommen, desto furchteinflößender werden sie. Wieder in der Schule nicht aufgepasst: Was kann so ein Wetterleuchten eigentlich? Schießen dort auch Blitze zur Erde? Warum fallen mir ausgerechnet jetzt diese Horror-Geschichten ein, die man als Kind gehört hat? Kugelblitze, die zur Haustür rein kommen und zur Terrassentür das Haus wieder verlassen.
Das soll ja hochgradiger Blödsinn sein ….aber doch, jetzt fällt es wieder ein. Wo ist das Internet, wenn man es mal braucht. Was kann Wetterleuchten? Ratlos und fasziniert starren wir in die Nacht. Die Segelbedingungen sind während der Lichter-Show moderat und sogar die Richtung stimmt. Um Mitternacht bekommen wir einen Squall geschenkt, der schwachen Wind aus Süd-Ost hinterlässt. Das hält jetzt seit über 12 Stunden so an. Mal motoren wir, mal können wir ein Stückchen segeln. Allerdings Richtung Nord-Ost. Auf den Kurs wollten wir so früh gar nicht gehen, da dort Gegenströmung auf uns wartet, die weiter im Süden zusammenbricht. Zusammen brechen soll, besser gesagt. Wenn auch die Windvorhersage nicht stimmt, das mit der Strömung entspricht der Wahrheit. Ein Knoten bremst uns aus, so dass wir mit sensationellen 2,5 bis 3 Knoten vorwärts kommen. Soviel zum Thema Wetterfenster. Das Wort werde ich aus meinem aktiven Wortschatz streichen. Keine zwei Tage war dieses „Fenster“ geöffnet.
Positives? 1.) Noch 320 Meilen Rest nach Osten. 2.) An Abend zwei rennt der Nudelkoch schon wieder mit seiner Ketchup Flasche durch die Pantry. ![]()
Tag 1 Nach Santa Marta
Mo., 26.Jun.17, Kolumbien/Providencia, Tag 1122, 11.315 sm von HH
Wenn Gott gewollt hätte, dass Frauen zur See fahren, hätte er das Meer rosa gefärbt.
Hat er aber nicht. Alles grau um uns herum.
Dabei fing es ganz gut an: Sonne, sechzehn Knoten Wind, kleine Pups-Wellen und ein trockenes Deck. Hoch am Wind starten wir voll motiviert. Zur Nacht wird der Wind kräftiger und macht alle vier Sekunden dieses drollige Fahrstuhl-Gefühl im Magen. Pille zwei kommt früh zum Einsatz. Mittlerweile wird wieder das Deck geflutet. Heftiges Wetterleuchten begleitet uns. Im Morgengrauen das erste Grollen. Dann auch Blitze! Den ersten Squall wettern wir easy ab, mehr als 22 Knoten kann er nicht.
Um 10:00 Uhr vormittags geht es dann los. Gewitter ist auf See gruselig, zumal, wenn man der einzige Mast ist, weit und breit.
Da wünscht man sich einen anderen neben sich mit einem Längeren. Blitze schlagen in Reichweite auf dem Wasser ein, zählen bis zum Donner erübrigt sich, der ist direkt über uns. Der Wind steigt auf über 25 Knoten dauerhaft. Es gießt wie aus Eimern. Neben dem Regen beschert das Gewitter einen bärbeißigen Käpt’n, der bei dem Mistwetter nicht nach draußen will zum Reffen. „Zu schlechtes Wetter“, meckert er. „Ist doch gleich vorbei.“
Bei den ersten 30er Boen geht er dann doch. Nur um Recht zu behalten. Nach zehn Minuten fällt der Wind auf normal. Zum Kotzen. Wir reffen wieder aus. Der Wind dreht, wir fahren eine Wende, um nicht zurück zu segeln.
Nach einer halben Stunde Pause geht es wieder los. Kein Squall, sondern großflächig Mistwetter. Achim grummelt erneut an den Mast. Diesmal allerdings freiwillig. Schon heftige Boen, die da mitkommen. Schnell gesellen sich auch Wellen zu diesem Spiel. Express-Fahrstuhl-Wellen. Drei Stunden dauert der Spuk. Jetzt ist der Wind wieder normal trotz dicker Wolkendecke. Alles grau in grau. Ich wünschte mir ein bisschen rosa um uns herum. Ich würde Glitzer drauf streuen.
Positives? 1.) Noch 370 Meilen Rest nach Osten. 2.) Kein Wasser im Schiff. Achim hatte die verdächtigen Püttinge neu mit Sika abgedichtet und oh, Wunder, kein Wasser. Diese Undichtigkeit haben wir in Verdacht als Verursacher für das Wasser hinter der Sitzbank. Auch der Dorade-Lüfter hat noch nichts durch gelassen. ![]()
