Belize City

So., 14.Mai 17, Belize/Belize City, Tag 1078, 10.252 sm von HH

Die größte Stadt Belizes (70.000 Einwohner) hat einen schlechten Ruf: Grusel-Stadt und Dschungel-Kaff liest man in Reiseberichten.
Als Drehscheibe für Regenwald-Exkursionen und Tauch-Urlauben, verweilen die meisten Besucher Belizes nur ein paar Stunden in der verruchten Stadt.

Das erste, was uns auffällt, wir werden freundlich gegrüßt.
Ein britisch-vornehmes ‚good afternoon‘ schallt uns entgegen. Die überwiegend schwarzen Passanten sind hilfsbereit bei der Suche nach dem richtigen Weg: „Hier geht ihr besser nicht lang. Die Nachbarschaft ist nicht die beste. Auf den großen Straßen bleiben.“

Ob Nebenstraßen oder Hauptwege, egal, häufig werden wir gefragt, ob wir „etwas“ kaufen wollen. „Hey, man, I have the best shit in town.“

Der Haulover-Creek teilt die Stadt.
Ein schmutziger Meeresarm, der mehrere Kilometer ins Land hinein reicht.
Seit die ‚Swinging Bridge‘ beim letzten Hurrikane beschädigt wurde, wird sie nicht mehr geöffnet. Die schmale Drehbrücke aus dem Jahr 1922 wurde bis letztes Jahr zweimal täglich von Hand geöffnet.
Jetzt müssen die Segel-Fischerbotte außerhalb der Stadt festmachen.
Holzhäuser stehen bis ans Ufer des Haulover-Creek. Verwittert von der Seeluft. Vermodert durch die ewig feuchte Tropen-Hitze. Morbider Charme oder Gammel?

Holzhäuser dominieren die gesamte Stadt.
Abgeblätterte Schönheiten, die ihre besten Tage hinter sich haben. Selbst in den ‚guten‘ Straßen möchte man sofort mit einem Eimer Farbe Hand anlegen.

 

Breite Entwässerungsgräben laufen durch die Stadt. Den Abwasser-Rinnen neben den Fußwegen fehlen die Gullideckel. Schmutziges Wasser sucht sich seinen Weg. Man mag es sich nicht vorstellen während der Regenzeit. Dass alle auf Stelzen bauen, hat seinen Sinn.
Die Hauptstraßen sind geteert, die Nebenwege bestehen aus Schotter. Vergitterte Fensterläden, Nato-Draht an den Eingängen, Geschäfte geben ihre Ware nur durch Gitter raus. Vertrauen erweckend wirkt das nicht.

Die Busse sind eine Klasse für sich. Ratternde alte Kisten mit aufgeplatzten Sitzkissen und einer dicken Staubschicht. Pünktliche Abfahrt einmal stündlich. Voll besetzt und viel genutzt von den Einheimischen. Touristen gibt es keine in der Stadt. Im Bus fährt nur ein Backpacker mit uns.

Wir liegen mit Atanga knapp acht Kilometer außerhalb vor der einzigen Marina vor Anker.
In die Marina können wir nicht, da die Einfahrt zu flach für uns ist.
Wir dürfen aber unser Dinghy am Steg festmachen, unseren Müll los werden und die Waschmaschine benutzen. Alles für lau. Na, das ist ja mal ein Service.
Die Marina liegt am Highway und vor der Tür halten einmal stündlich die Busse, die uns in 15 Minuten in die Stadt bringen.

In Belize City finden wir einen gut sortierten Supermarkt und natürlich den Gemüsemarkt. Endlich keine Importware, sondern frisches Obst aus hiesigem Anbau. Alles frisch und zum halben Preis wie in San Pedro. Toll.

Auf dem Markt nach der Toilette zu fragen, ein Akt der Verzweiflung. Die Belohnung ist eine ultra saubere Toilette. So wie die Toilette, so ist auch der innere Zirkel der Stadt. Es liegt auffällig wenig Müll in den Straßen.
An Belize City scheiden sich die Geister…Grusel-Stadt oder exotischer-schwüler Dschungel-Ort? Ich bin für Letzteres. Es sind mal wieder die Menschen, mit ihrem freundlichen Lächeln und Winken, die es heraus reißen.

Jahreszeiten – schmerzlich vermisst

Sa., 13.Mai 17, Belize/Robinson Cays, Tag 1077, 10.252 sm von HH

In den Tropen gibt es drei Jahreszeiten: heiß, sehr heiß und unerträglich heiß.
Wir haben ‚unerträglich heiß‘.
Schon vor dem Aufwachen erreichen die Temperaturen über 30 Grad. Wir können gar nicht so viel trinken, wie wir schwitzen.

Schon längst ist europäische Arroganz über die Unbeweglichkeit der Einheimischen einem mitfühlenden Wohlwollen gewichen. Man kann bei dieser Hitze nicht gut arbeiten. Wir verstehen, warum tageweise vor der Hütte im Schatten gesessen wird.

Vor zwei Monaten, in einer Art Winter, gingen die Temperaturen nachts runter auf 20 Grad.
Was für eine Wohltat. Durchschlafen, ohne im eigenen Saft gebacken zu werden.
Eine Jacke überziehen? Großartig. Es bildet sich Gänsehaut? Prima, der Körper funktioniert noch.

Vorbei.

Ein Projekt am Tag, lautet die Devise. Und das möglichst in den Morgenstunden. Obwohl das auch nur Spinnerei ist. Es macht keinen Unterschied, ob es beim Putzen oder beim Dinghy aufblasen, noch ein paar Grad wärmer ist.
Kochen ist was für Masochisten. Ist ja modern geworden seit ‚Shades of Grey‘. :lol:
Die können alle zu mir kommen: die Ecke in der Pantry schafft es, selbst bei Kurzgerichten, locker auf 38 Grad.

Auch mein Auge vermisst die Jahreszeiten.
In den Tropen gibt es grün, sehr grün oder grün-grün.
Wir haben grade ‚grün‘.

Von Freunden, die weiterhin Bilder von nickenden Schneeglöckchen, überquellenden Wiesen von blühendem Bärlauch und den ersten Rosenknospen posten, muss ich mich leider entfreunden. :shock:
Mangroven, Lianen, Bromelien, sind alle exotisch und aufregend. Aber es geht doch nichts über die sanftgrünen Blätter-Rosetten der Akelei, die sich zerbrechlich zart aus dem Boden schieben. Ein kleines Wunder, was sich da jeden Frühling aus der Erde dreht.

Hier agiert die Natur mit dem Holzhammer. Alles ist üppig, alles ist groß, alles grün.
Blüten sind selten. Aber, wenn ein Baum Blüten trägt, sind die groß wie Kalbsköpfe.
Meistens mit einem Hauch Plastik-Look. Grelle Farben, um Aufmerksamkeit kreischend.
Falls das nicht reicht, wird häufig noch ein betörender Duft ausgestrahlt.
Gepflegtes Understatement ist die Sache der Tropen nicht.

Die Regenzeit steht vor der Tür.
Die ersten Regentage hatten wir schon. Eine Art vierte Jahreszeit: schwül-heiß.
Allerdings ohne die Klärende Abkühlung danach, wie zu Hause.
Nun dreht die Pflanzenwelt hier völlig durch. Alles scheint zu explodieren. Die Rosenschere, achtlos im Garten vergessen, ist am nächsten Tag überwuchert. Bambus kann bis zu einem Meter am Tag wachsen. Himmel, wer denkt sich solche Pflanzen aus?

Ich liebe die Tropen. Ich liebe diese Prahlerei, diese Übertreibung der Natur.
Und wer mag sie nicht, diese lauen Sommer-Nächte? Mit Wind, wie Samt auf der Haut (da war er wieder, mein Lieblingssatz ;-) ) und einem Sternenhimmel zum Greifen nah.
Aber Jahreszeiten werden vermisst.

Robinson Point Cay

Do., 11.Mai 17, Belize/Robinson Cays, Tag 1075, 10.243 sm von HH

Die Balou ist seit gestern auf ihrem Weg nach Florida.
Wir sind allein. Denken wir zumindest. Aber weit gefehlt, unsere Ankunft wird von vielen Augen gesehen. Die meisten der Inseln sind bewohnt, was wir erst erkennen, als wir mit unserem Dinghy eine Tour durch das Gewirr unternehmen.

Fischer hausen dort in schiefen Wellblech-Hütten. Uns haben sie längst gesehen und kommen längsseits. Abgewohnte Gesellen, kein Schwiegermutter-Traum.
Der Käpt’n mit den verfilzen Locken dröhnt uns barsch an. In einer unbekannten Sprache, die an Chewbacca erinnert. Die fehlenden Zähne helfen nicht bei der Verständigung.
Sein dunkelhäutiger Gefährte, eine Art Han Solo, übersetzt: „Könnt ihr unser Handy laden?“

Wir sind verblüfft. Wenn wir mit viel gerechnet haben, aber nicht dass wir als Docking-Station tätig sein sollen. :lol:
Das Handy wechselt die Seiten. „Wir kommen heute Abend wieder. Seid ihr dann noch da?“, will Käpt’n Locke wissen. Wir nicken. „Okay, alles klar, bis später.“

Der Korallenhaufen ‚Robinson Point Cay‘ wird von Gonzales bewohnt.
Was er macht und wovon er lebt, bleibt unklar, obwohl Gonzales englisch spricht.
Er hat kein Boot und muss auf seine Fischer-Kumpels warten, die ihn mit Nahrung versorgen.
Er heißt uns herzlich willkommen auf der Insel, die in Privatbesitz sei. Der Eigentümer käme aber nur selten vorbei und würde dann mit elf Personen im Obergeschoß des Stelzenbaus wohnen.
Dass das Haus noch steht, grenze an ein Wunder. Der Hurrikane im letzten Jahr hat die Insel mit Zwei-Meter-Wellen überspült. Kaum vorzustellen, wenn man sich jetzt den Ententeich betrachtet.

Wir sollen uns gerne umsehen auf Robinson Point Cay.
Früher gab es einen kleinen Werftbetrieb auf der Insel, der aufgegeben wurde, nachdem ein schlimmer Unfall passierte. Alte Slip-Anlagen und zwei Wracks im seichten Wasser sind die stummen Zeitzeugen.

Gonzales hat frischen Fisch geliefert bekommen und bietet uns einen halben Jack. Die Bezahlung erfolgt in der härtesten Währung der Welt: in Rum.
Ich hätte ihm lieber Reis gegeben, aber er ist da klar strukturiert, was er bevorzugt.

Strom erhält er über einen Generator. Der scheint kaputt oder es herrscht Geldmangel für Sprit. Abends liegt seine Behausung komplett im Dunkeln. Manchmal blitzt kurz eine Taschenlampe auf. Ein Solar-Panel wäre fein, lässt er uns wissen.

Der Wookiee kommt abends, um sein Handy zu holen.
Kein Fisch für Euch heute, bedauert er. Ob wir etwas Salz für ihn hätten zum Kochen? Klar, kein Problem.
Unverständliche Worte rufend, zieht er seines Wegs. Wer wohl Morgen sein Handy lädt?

Atanga vor Anker

Atanga vor Anker

 

Der Weg nach zu den Robinson Cays

Di., 09.Mai 17, Belize/Robinson Cays, Tag 1073, 10.243 sm von HH War Segeln je schöner? Entspannter? Einfacher? Nein! Die 50 Meilen zu den Robinson Cays sind ein Segeltraum. Durch den schwachen Wind haben wir keine Windsee. Genua und Groß ziehen uns ohne Krängung Richtung Süden. Atanga läuft bei 10 Knoten Wind mit 4,5 Knoten wie aufgezogen. Einen halben Knoten Strömung bekommen wir geschenkt. Die leichte Restdünung verschwindet auch noch als wir zwischen Riff und den vorgelagerten Atollen, Turneffe-und Lighthouse-Reef, gelangen.
Wir segeln parallel zum Barriere Riff an der Außenseite entlang. Wie der Name schon sagt, liegt das Riff wie eine Hürde in 20 Meilen Abstand zur Küste. Zwischen Riff und Küste kann man ebenfalls segeln. Das ist etwas für flache Boote oder Menschen mit mehr Nerven als wir es haben. Wir bleiben draußen.
Selten findet man in der Barriere einen Durchbruch. Vor Belize City existiert so einer. Ein tiefer, breiter Kanal, der von Kreuzfahrern und Versorgungs-Schiffen genutzt wird. Das erste Mal seit langer Zeit stimmen Karte und Realität überein. Es gibt Tonnen, die an den richtigen Stellen stehen.
Der Kanal ist zwölf Meilen lang und zieht sich in vielen Schleifen durch unsichtbare Untiefen. Die Bedingungen sind weiterhin so gut, dass wir den Kanal segeln. Erinnert an Elbsegeln, nur ohne Ufer. In den flachen Bereichen liegen verstreut kleine Inseln und Inselchen. Sie entsprechen zumeist nicht dem Karibik-Klischee. Es fehlen malerische Kokos-Palmen, es gibt keine Strände. Diese Inseln sind flache Korallen-Pfannkuchen mit Mangroven überwuchert. Ein Anlanden unmöglich.
Außer auf Robinson-Cays. Auf der Rückseite erkennen wir einen kurzen Strand. Mit der Balou davor. Der Ankerplatz ist zur Abwechslung mal richtig tief. Zehn Meter. Keine Barre, die eine Ansteuerung mit Schweiß auf der Stirn bedeutet. Der Ankergrund könnte nicht besser sein. Lehmiger Mud, der hält wie Zement. Der Lehm im Wasser macht leider das Wasser trüb. Die Sicht fällt unter einen Meter. Macht nichts, man kann nicht alles haben. Der Rest stammt aus dem Kitsch-Roman.

Es geht nach Robinson Cays

Mo., 08.Mai 17, Belize/San Pedro, Tag 1072, 10.193 sm von HH

Morgen geht’s weiter nach Robinson Cays.
Nur ein Tagestrip von knapp 50 sm. Wir erwarten schwachen Wind, müssen also früh raus, um noch im Hellen anzukommen.
Die Balou ist schon da. Beate und Reiner haben ihre Gäste aus Deutschland in Belize City „raus gekippt“ und warten dort auf uns, bevor sich unsere Wege trennen.
Einen Abend wollen wir noch ‚Robinson‘ spielen.
Die Balou will nach New York und für Mittwoch steht der Wind günstig. Ein Wiedersehen wird für den Jahreswechsel angepeilt. :-)

Auch für uns läuft die Zeit im Norden der Karibik langsam ab.
Das Wasser wird jeden Tag wärmer und das verheißt nichts Gutes. Die Hurrikan-Saison steht vor der Tür. Die zerstörerischen Wind-Teufel brauchen eine Wassertemperatur von 27 Grad, um sich überhaupt entwickeln zu können. Die Temperatur bis 50 Meter Wassertiefe ist entscheidend. Bis dahin kann ein Hurrikan das Meer aufwirbeln. Ist im Sommer die Karibik bis zu 100 Meter Tiefe lauwarm, so kann ein Hurrikan geradezu explodieren.
Ein Hurrikan schafft Wellenberge von 30 Metern zu erzeugen, wie Drucksonden im Golf von Mexiko gemessen haben.

Offizieller Beginn der Saison ist am 01. Juni. Aber es geht schon zögerlich los.
Auf der Pazifik-Seite von Mexiko entsteht aktuell ein Tropischer Sturm. Mit 80%iger Wahrscheinlichkeit, dass er zum Zyklon wird. Ein Zyklon ist der gleiche Wind wie ein Hurrikane. Er hat nur einen anderen Name, da diese Biester im Pazifik toben.

Uns bleiben also noch drei Wochen für Belize übrig.
Den Anfang macht Morgen Robinson Cays. Ein palmenbewachsener Sandhaufen im endlosen Gewirr der Korallenriffe von Belize.
Einen Freitag gäbe es dort auch, weiß Beate zu berichten.