Belizes Behörden-Blödsinn

Do., 20.Apr.17, Belize/San Pedro, Tag 1055, 10.193 sm von HH

Darf man sowas sagen?
Umso bananiger die Republik, desto blödsinniger die Behörden.
Darf man!

Belize geht mit gutem Beispiel voran: Vier verschiedenen Stellen gilt es zu besuchen, quer über die Halbinsel verteilt. Achim geht mit Reiner alleine. Wir Frauen passen auf die Schiffe auf.

Zuerst zur Immigration.
Die haben ein chaotisches Büro mit verknitterten Formularen. Zusätzlich muss eine Crew-Liste erstellt werden. Das richtige Formular zu finden ist in dem Wuhling Schwerstarbeit.

Dann zum Zoll.
Die haben blödsinnige Fragebögen. Wie viele Konserven befinden sich an Bord? Anzahl und Inhalt werden erwartet. Na, da fragen sie mit Achim ja genau den Richtigen. :lol:
Die Damen sind an der Wahrheit nicht interessiert, so kann er skrupellos Phantasie-Zahlen schreiben.
Die Frage nach Drogen, Zigaretten und Alkohol ist nur mit ‚ja‘ oder ’nein‘ zu beantworten. Mengen interessieren nicht.
Auch der Zoll will eine Crew-Liste. Allerdings mit einem Stempel von Immigration.
Weit ist der Weg zurück nicht, trotzdem nervig.

Der dritte Schritt führt zur Hafenbehörde.
Ohne Taxi ist die Bude am Ende der Landzunge nicht zu finden. Hier heißt es nun das erste Mal ‚zahlen und freundlich sein‘. Für die ersten zwei Tage wird eine ‚Befahrensgebühr‘ von 50 USD verlangt. Jeder weitere Tag kostet 2,50 USD.
Eine Crew-Liste wird nicht gefordert. Da kann man schon mal stutzig werden.

Der letzte Punkt ist die Gesundheitsbehörde.
Die Welt ist wieder in Ordnung, der Mann will zuerst eine Crew-Liste.
Daneben fragt er nach Frischfleisch und dem Vorhandensein von Gemüse an Bord.
Achim lügt. Das kann er nicht. :oops: Dass ihn seine Pinocchio-Nase nicht verrät, ist ein Wunder. Das hätte noch gefehlt, dass der Gesundheits-Inspektor an Bord kommt und mein eingekochtes Fleisch mitnimmt.

Was für ein Behörden-Samba.

Aufgelaufen

Mi., 19.Apr.17, Belize/San Pedro, Tag 1054, 10.193 sm von HH

Ich gebe Achim laufend die Tiefen durch.
Er steht mit der Hand-Funke vorne auf dem Bugkorb und äugt nach Untiefen. Ich stehe am Ruder und bekomme feuchte Hände.
„Nur noch 2,70!“ krächzte ich ins Mikro. „Du musst erst die Taste drücken und dann sprechen“, kommt zurück. Shit, vor Aufregung habe ich das vergessen.
„2,50….2,30“, brülle ich das Gerät an. Langsam tasten wir uns in die Lagune.

Willkommen in Belize.
Willkommen am zweitgrößten Riff der Welt.
Willkommen in einem Meer von Untiefen und tückischen Riffs.

Die Riffeinfahrt war vergleichsweise harmlos. Die Beschreibung in dem handgemalten Buch ** sind exakt. Befolgt man die Anweisungen, kommt man tatsächlich heil durch das Loch geschlüpft.
Hinterher ist man immer schlauer. Im Vorwege hat die Einfahrt Magengrummeln bereitet. Hinter der Durchfahrt öffnet sich eine Badewanne, gefüllt mit Türkis. Wunderschön, aber flach. Die Angaben im Buch stimmen auch hier.

Willkommen in Belize

Willkommen in Belize

 

Die Lagune dagegen hat es in sich.
Wir tasten uns näher an San Pedro, dort soll es zum Ankern am besten sein. Eine Handvoll Yachten liegt als Wegweiser schon vor Ort.
Man, ist das flach. Fast durchgängig nicht tiefer als 2,30 Meter. Ich schwitze.

Wir finden einen türkisen Fleck und der Anker fällt auf 2,20 Meter.
Bei unserem 1,95-Tiefgang plus/minus diverse Über-Zentimeter durch volle Tanks, ist das wahrlich nicht zu viel. :mrgreen:
Der Ankergrund ist nicht optimal: eine dünne Schicht Sand auf harter Korallenplatte.
Richtig eingraben kann sich der Anker nicht. Ein wenig mehr Kette als üblich soll das kompensieren.

Knapp zwei Stunden später kommt die Balou eingelaufen.
Souverän meistert sie die Einfahrt und möchte hinter uns den Anker werfen. Der Tiefgang ist zu Atanga identisch.
Aber plötzlich ist Schluss. Fünfzig Meter hinter uns bleibt Balou stecken. Reiner versucht sich von dem Huckel runter zu drehen. Vergeblich. Nichts geht mehr.

Achim mimt den ‚gelben Engel‘ und macht unser Schlauchboot klar.
Er will den Anker der Balou mit dem Schlauchboot ausbringen.
Zunächst bittet Reiner ihn, Balou mit dem Dinghy Schub zu geben. Dazu kommt das schiffseigene Bugstrahlruder zum Einsatz und die Maschine von Balou. Die qualmt bis die Schwarte kracht. Dann fliegt die Sicherung vom Bugstrahlruder raus. Das hat schon mal nicht geklappt. :cry:

Nun folgt doch die Anker-Nummer. Bis kurz vor der Sinkgrenze wird unser Dinghy mit Anker und Kette beladen. Vor dem Bug von Balou wirft Achim den Anker aus dem Dinghy und tatsächlich, es funktioniert. Mit der elektrischen Ankerwinsch und Maschine kann Balou sich am eigenen Anker vom Sandhaufen ziehen. :-)
Zum Glück ist nichts passiert außer ein paar Kratzer im Antifouling.

Adios Mexico

Mo., 17.Apr.17, Mexiko/Espiritu Santo, Tag 1052, 10.079 sm von HH
Morgen geht es weiter. Wir verlassen Mexiko. Da wir uns illegal im Land aufhalten, wollen wir unser Glück nicht überstrapazieren. Hier im Nirgendwo ist keiner an uns interessiert. Aber was wird Belize bei der Ankunft zu unserer Lücke im Lebenslauf sagen? Dass wir nicht so lange gesegelt sein können, liegt auf der Hand. Man könnte uns für Drogen-Schmuggler halten, was sicherlich eine Durchsuchung des Schiffs zur Folge hätte. Das braucht kein Mensch, auch wenn dabei vielleicht ein lang vermisstes Maßband zum Vorschein käme.
Vor uns liegen hundert Meilen. Wieder eine schlecht zu kalkulierende Distanz. Für Belize gelten die gleichen Bedingungen wie hier. Es gibt nur die handgemalten Karten. Eine Ankunft am späten Vormittag ist erwünscht. Die Einfahrt durchs Riff wird schmal sein. Viel schmaler als hier in Espiritu Santo. Vielleicht hundert Meter. Noch in der Durchfahrt muss man sofort scharf rechts abbiegen. Ein weiteres Riff lauert hinter dem Durchbruch auf Rümpfe. So fährt man ein Stück weiter. (Definiere ‚Stück‘). Dann scharf links abbiegen. Aber nicht zu früh, sonst rauscht man auf Steine. Wir wissen nun, dass die Unterlagen, die wir haben, brauchbar sind. Trotzdem steigt der Blutdruck beim Gedanken an die Anfahrt. Der einsamste Ankerplatz, den wir je hatten, ist ein idyllischer Traum. Keine Lichtverschmutzung, kein Menschen gemachter Lärm stört den Frieden. Großartig. Achim und ich könnten es noch länger aushalten. Zum Zeitvertreib düsen wir mit dem Dinghy ans Riff zum Schnorcheln. Die Innenseite ist flach, nur zwei Meter tief. Es ist richtig was los: schlafende Ammenhaie, Barrakudas, Schildkröten und allerlei Kleinvieh. Hervorragende Sicht, die Sonne lässt die Korallen leuchten. Auf die Außenseite können wir nicht. Das Riff reicht bis zur Wasseroberfläche und die Wellen brechen sich fauchend am Riffdach. Schade, wenn auf der ’schlechten‘ Innenseite schon so viel los ist, wie mag dann die bewohnte Außenseite sein?

Verdreckte Einsamkeit

Sa., 15.Apr.17, Mexiko/Espiritu Santo, Tag 1050, 10.079 sm von HH

Der Weg zum Dorf fängt gut an. Zwei Delphine sagen am Dinghy kurz ‚hallo‘.
Was die wohl wollen, im nur zwei Meter flachen Wasser?

Kurz darauf dann der Schock: Der Strand im menschenleeren Paradies ist übersät mit Plastik. Ein Weltnatur-Erbe erstickt im Müll. Weit gereister Dreck wird vom Strom und Wind hier angespült. Was einmal den Weg über das Riffdach gefunden hat, ist in der Lagune gefangen.

Die drei Familien, 25 Personen, die in windschiefen Tom-Sawyer-Hütten wohnen, kommen gegen den Müll nicht an. Der Strand vor ihrer Haustür ist penibel vom Plastik und Seetang befreit. Rechts und Links mündet ihr Paradies in eine Katastrophe.
Geschockt waten wir durch Flaschen, Schuhe und Plastikdeckel. Tausende Plastikdeckel. Blaue, rote, weiße, grüne Makel im Naturschutz-Reservat.
Man möchte weinen und verzweifeln, wenn man den Müll betrachtet.

Der schüchterne, aber freundliche Empfang einer der Dorf-Familien tröstet über das Elend hinweg. Woher wir kämen, wollen sie wissen. „Ah, aus Alemania, gut, dann habt ihr keinen Trump“, wird gescherzt. Man ist informiert. Das Dorf hat zwar keine Straße, aber eine Satelliten-Schüssel.
Den Strom dafür liefern kleine Solar-Paneele. Da gehen nach einer Stunde fernsehen die Lampen aus. Kontakt zur Außenwelt erfolgt durch kleine Fischerboote oder über UKW. Eine entsprechende Antenne steht zwischen den Hütten. Handy-Empfang nicht vorhanden. Gelebt wird von Fischfang.

In der Mitte vom Dorf steht die Satelliten-Schüssel, etwas abseits der Häuser die Toilette.
Was für ein Kontrast.
Das Klo ist ein klapperiges Gestell, direkt am Ufersaum. Über einen kleinen Tritt kann man das Toiletten-Gerüst erklimmen. Platz nimmt man in einem Meter Höhe. Dort sind in ein Brett zwei (!) Klobrillen eingefasst. Schulter an Schulter kann man so sein Geschäft verrichten.
Mit Blick auf die Lagune. Den Blick wahlweise auf Sonnenauf- oder Untergang.
Mit Blick auf einen See aus geschmolzenem Türkis.
Romantischer kann man wohl kaum auf dem Pott sitzen. :mrgreen:

Entwarnung

Fr., 14.Apr.17, Mexiko/Espiritu Santo, Tag 1049, 10.079 sm von HH
Das war doch halb so schlimm in die Bucht zu kommen. :-) Die Balou ist tatsaechlich vorweg gefahren: wenn es vorne knirscht, musst Du hinten bremsen. :mrgreen:
Auch ohne diese, zweifelsohne tolle Hilfe, ist es kein Problem in die weitlaeufige Bucht zu kommen. Der Riffdurchbruch ist hunderte Meter breit und ueberall tief. Die Koordinaten der selbst gemalten Karte sind korrekt und die Angaben ueber Beschaffenheit des Grunds und der Tiefe stimmen ebenfalls. Trotzdem ist es ein komisches Gefuehl, wenn man gemaess der ‚offiziellen‘ Karte ueber Land faehrt.
Punktgenau um halb elf stehen wir vor der Riff-Tuer. Die Sonne im Ruecken. Als ob nichts leichter waere genau so einen 80 Meilen Toern zu planen. Das hat geklappt, weil wir nachts mehrfach ein-und ausgerefft haben. Eine Aktion, die wir uns im Dunkeln ueblicherweise verkneifen. Dadurch konnten wir unsere Geschwindigkeit dem Plan anpassen.
Im Nachgang war das ueberfluessig. Hinter dem Riff wechseln sich Seegraswiesen mit Sand ab. Die befuerchtete Augapfel-Navigation ist nicht erforderlich. Ja, gar nicht moeglich. Das Wasser ist recht trueb. Schuld ist das Seegras. Die Wasseroberflaeche ist zu wellig, um unterhalb etwas erkennen zu koennen. Zu sehen ist nur, es scheint tief genug zu sein. Wir tasten uns vorsichtig hinter dem Riff voran. Unser Ziel ist moeglichst nah vor dem einzigen Dorf zu ankern. Auf drei Meter fuenfzig faellt der Anker im Sand. Und haelt.
Die Bucht Espiritu Santo wird durch ein 15 km langes Riff gebildet. Das Riff haelt die schlimmste Atlantik-Duenung aus dem dahinter liegenden ‚Binnensee‘ fern. Kraeftiger Wind von 20 Knoten fegt ueber uns weg. Die Windwelle ist beachtlich und laesst Balou und Atanga kraeftig auf und ab nicken.
Espiritu Santo gehoert zum groessten Kuesten-Nationalparks Mexikos. Dem ‚Sian Ka’an‘ Reservat (maya ‚dort wo der Himmel geboren wurde‘) und ist Unesco Naturerbe. Eine menschenleere, weglose Wildnis, bestehend aus Mangroven, Schilfgebieten, Lagunen und Seen. Inklusive zwei grosser Meeresbuchten, der Espirtitu Santo und im Norden, der Bahía Asención.
Wir liegen kaum zwei Stunden am Anker, da bekommen wir Besuch. Zwei Park-Ranger haben unser Kommen bemerkt. Als das kleine Beiboot auf uns zuhaelt, gibt es nur zwei Moeglichkeiten: Entweder wir muessen wieder weg oder eine Gebuehr wird faellig.
Die totale Fehleinschaetzung. Man heisst uns herzlich willkommen. Wir duerfen bleiben so lange, wie wir wollen. Kein Eintritt, keine Gebuehr. Nur auf Kanal 16 sollen wir in Funkbereitschaft bleiben.
Wir atmen auf. Denn ganz legal halten wir uns nicht mehr in Mexiko auf. Der letzte Hafen zum Ausklarieren war auf Cozumel. Dort fragten wir die Offiziellen, ob wir noch ein paar Tage im Sueden ankern duerfen: „Si, claro, no es un problem“. Allerdings haben wir das Gefuehl, dass diese Antwort nur auf Halbwissen beruht.