So.,17.Mai.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva, Tag 2177, 20.254 sm von HH
Die Nachrichten häufen sich in unseren Info-Boxen, dass viele Länder in Europa im Frühsommer ihre Grenzen wieder öffnen wollen. Hoffnungsvoll blicken auch wir auf Informationen über Länder, die auf unserem weiteren Weg liegen. Hier herrscht allerdings Schweigen. Neuseeland philosophiert über eine ‚Bubble‘ mit Australien und den pazifischen Inselstaaten. Alles nicht spruchreif, alles (noch) ohne Konzept und Lösungen. Für Segler ist da kein Platz, eine Einreise wird weiterhin verweigert.
Auch unser Gastgeber, Französisch Polynesien, eiert um Lösungsansätze herum. In Tahiti gibt es noch einen letzten Corona-Infizierten, der inzwischen das Krankenhaus verlassen konnte. Neue Fälle sind seit etlichen Tagen nicht mehr aufgetreten. Dementsprechend wurden fast alle Einschränkungen für die Bevölkerung aufgehoben. Und nun? Natürlich möchte das Land ’sauber‘ bleiben. Aber da sind die 1500 bis 1700 Beamte, die hier im Sommer aus Frankreich erwartet werden. Für Lehrer, Gendarmen und sonstige Angestellte läuft der zweijähriger Arbeitsvertrag aus – neue Leute aus Übersee rücken an. Es erscheint nahezu unmöglich dabei sicherzustellen, dass keine Neuinfizierten darunter sind. Außerdem warten tausend Polynesier in Frankreich auf eine Rückkehr in ihre Heimat.
Man möchte die Grenzen für den Tourismus öffnen, das Haushaltsdefizit wird bereits mit einer Milliarde USD beziffert. Die polynesische Regierung hat genug mit ihren eigenen Problemen zu tun, da werden wir Segler schon mal vergessen. Noch immer ist das Reisen von Atoll zu Atoll verboten. Nur die kleinen Inseln im ‚eigenen‘ Atoll dürfen besucht werden. Für uns bedeutet es, alle Inseln im Gambier stehen uns frei, in die Tuamotus oder auf die Marquesas zu segeln, ist nicht erlaubt. In Anbetracht der geplanten Anreisewelle von Franzosen sieht es fragwürdig aus, ob diese Art des Segeln wieder erlaubt werden kann. Gefangen im Goldenen Käfig.
Wir haben nichts auszustehen. Absolut gar nichts. Seit wir uns wieder frei bewegen dürfen, nutzen wir das reichlich. Jeden zweiten Tag gehen wir auf eine Wanderung, sind zwischen zwei und fünf Stunden unterwegs, nehmen häufig ein Picknick mit. Es könnte schlechter laufen. Das Wetter ist auf unserer Seite. Sonnig, nicht zu heiß, wenig Wind, manchmal ein Schauer, damit der üppig grüne Überfluss an Land nicht zum Erliegen kommt.
Gefangen im Goldenen Käfig mit seinem Südsee-Charme. Bevorzugt vom Schicksal und doch gefangen. Die Gespräche unter uns Seglern drehen sich Im Kreis: wohin können wir? – wie lange wird es noch dauern? – was habt ihr für Pläne? Jeder weiß etwas anderes, jede Crew verfolgt ihr eigenes Konzept. Die Unruhe wächst. Wo werden wir in drei Monaten sein? Wo in einem Jahr? Ungewissheit nagt an einigen Segler-Nerven.
Wenn wir auf der schönen Insel unterwegs sind, geht es uns super gut. Wir schreiten Grundstücke mit Meerblick ab und malen uns ein Leben ‚für immer‘ auf Mangareva aus. Ich hätte einen Garten mit Gemüse und bunten Blumen und Achim würde abends gespeerte Fische nach Hause bringen. Sozial-Romantik vom Feinsten. Abends hält dieser Traum nicht immer an – wir sind hin und her gerissen. Bedeutet dieses Virus das Ende unserer Reise? Wer lässt uns auf dem weiten Weg nach Deutschland noch rein? Ohne Antikörper, ohne Impfung, ohne Impfausweis? Diese Gespräche zeigen uns, dass wir gefangen sind. Der Käfig mag zwar golden sein, aber er bleibt ein Käfig. Und nicht alle Räume sind aus Edelmetall. Die Pantry mit der etwas eintönigen Versorgungs-Lage dürfte aus Weißblech sein und der Weinkeller besteht eindeutig aus rostigem Eisen.