Archiv der Kategorie: La Palma

Agromercado in Breña Alta – alles Bio

Sa., 04. Jul.15, La Palma, Tag 399, 2.587 sm von HH

Dass man der Werbung nicht alles glauben darf, trifft auch auf La Palma zu.
In Santa Cruz hängen Werbeplakate für einen Bio-Bauernmarkt in Breña Alta:
Frische, Qualität, regionale Produkte und Kunsthandwerk. Plus Hinweis auf eine eigene Homepage und facebook.
Auf diese Werbung falle ich herein.

 Der Bauernmarkt in Breña Alta ist ein Witz

In Santa Cruz ist wegen der Feierlichkeiten die Bushaltestelle verlegt worden. Daher muss ich mich zweimal erkundigen, wo der richtige abfährt. Keiner der befragten Busfahrer kann mit meiner Frage nach „Agromercado“ etwas anfangen.
Das verwundert mich, aber egal. Breña Alta kennen sie und so komme ich dort richtig an.

Als ich in der Markthalle stehe, wundert es mich nicht mehr, dass sich dieser Markt noch nicht herum gesprochen hat.
Was für eine traurige Veranstaltung: es gibt zwei Gemüsestände mit minimalem Angebot. Drei Tische mit gehäkelten Barbie-Puppenkleidern und Nadel-Kissen :roll: ,zwei Kuchenverkäufer, Jemand, der aus alten Zeitungen Taschen und Körbe geflochten hat und eine Käsetheke mit genau einer Sorte Käse.
Das Beste auf diesem Markt ist ein Typ mit seiner Saftpresse für Zuckerrohr.

Nach fünf Minuten bin ich rum :shock: und es sind noch 95 Minuten bis mein Bus für den Rückweg kommt.

Bei meiner zweiten Runde kaufe ich, damit ich überhaupt etwas habe, mutierte Riesen-Radieschen (Bio?). Das Angebot wird nicht größer… noch 85 Minuten.
Ein genaues Studium der Puppenkleider verhilft mir zur Erkenntnis, handwerklich gut gemacht, aber genau genommen, nicht schön… Immerhin, nur noch 80 Minuten.

Hier komme ich nicht weiter, die Zeit tot zu schlagen.
Zu meinem riesen Glück befindet sich neben der Halle eine Ausstellung, Museum wäre zuviel gesagt, die über Zigarrenherstellung informiert.
In der Region Breña Alta gibt es traditionell ein kleines Tabak-Anbau-Gebiet. Seit 150 Jahren dreht man hier in kleinem Umfang Zigarren.

Wie die Ausstellung zeigt, dreht man sie nicht auf den Schenkeln blutjunger Mädchen, sondern eine ältliche Dame erledigt das am Tisch.


Es gibt ein paar Monitore, die dreisprachig kleine Filmchen über Schnupftabak, Streichhölzer und Tabak im Allgemeinen zeigen.
Hier erfahre ich, dass die Tabakpflanze „Nicotiana tabacum“ ihren Namen dem Franzosen Jean Nicot verdankt. Dieser war von der Heilkraft der neu aus Amerika eingeführten Pflanze überzeugt. Er schickte zahlreichen, unter Zipperlein leidenden, Persönlichkeiten am Hofe die Wunderpflanze zu. So erreichte 1561 der Tabak die, unter Migräne leidende, Katharina von Medici. Das Schnupfen des Tabaks befreite sie wunderbarer Weise von Ihrem Leid und nun nahm der Schnupftabak ein Siegeszug durch Europa.

Ein paar Schaukästen mit Sammel-Alben von Zigarren-Banderolen (was es nicht alles gibt :shock: ) runden die Informationen ab.
Eine sehr hübsch gemachte Ausstellung. Noch 50 Minuten!

Ich gehe noch einmal über den Markt, die Lage ist unverändert.
Einmal die Hauptstraße und Nebenschauplätze abgelaufen… es verbleiben 20 Minuten.

Es gibt nichts mehr zu besichtigen am Parque los Alamos. Im Schatten vom Bushäuschen schreibe ich diesen Bericht ins Handy. Ich bin fast fertig als der Bus mit 15 Minuten Verspätung endlich kommt.

Außer Spesen nix gewesen: Das Bund Radieschen kostet, inklusive Fahrkarte, 5,20 EUR. Das ist doch mal ein Schnapper. ;-)

Die Mascarones – Los Gigantes y Cabezudos

Di., 30. Jun.15, La Palma, Tag 395, 2.587 sm von HH

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich zur Herabkunft der Jungfrau einige Bräuche entwickelt, die sich großer Beliebtheit erfreuen.
Diese haben mit der ursprünglichen Prozession nichts zu tun, werden aber bereits seit über 150 Jahren gepflegt.

Sehr populär ist die Parade der Riesen und Dickköpfe

Einige der Figuren stammen aus dem 19. Jahrhundert und nehmen Inselprominenz von anno dazumal oder Napoleon auf die Schippe. Da sich die Parade gerade bei Kindern großer Beliebtheit erfreut, sind viele Walt Disney Figuren aus jüngerer Vergangenheit dazu gekommen.

Der Hauptspaß für die Kinder besteht darin, dass drei, vier Großkopf-Hexen mit einem Besen bewaffnet Jagd auf die Kleinen machen.
Die Kinder, die sich trauen, zupfen am Umhang der Hexen. Wer sich dann nicht schnell genug in Sicherheit bringen kann, bekommt mit dem Besen etwas auf den Allerwertesten.
Unter großem Gequitsche und Geschrei flüchten die, die schnell genug sind.

Die ganz Kleinen, die noch an den Weihnachtmann glauben, gruseln sich furchtbar. Sie können jedoch, wie Beobachter eines Unfalls, einfach nicht weg gucken: die Faszination des Grauens.

 


Hinter den Hexen schreiten gemächlicher die restlichen Großköpfe her. Dicht gefolgt von den Riesen. Am Plaza de Espana beim Rathaus versammeln sich alle Figuren und sie führen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein kleines Tänzchen auf.

Die Riesen wirken dabei etwas statisch, da ihre Arme an Holzgestellen hängen und vom Träger nicht separat bewegt werden können. Die Großköpfe müssen aufpassen, dass ihnen nicht der Kopf verrutscht, wenn die Kinder sie bestürmen.

Für uns ist das eine große Klamauk-Veranstaltung. Diese lockt jedoch Alt und Jung vom Sofa hoch, denn die engen Gassen sind proppe voll und glücklich ist, wer vom eigenen Balkon den Riesen am Kopf kraulen kann.

 

P.S. Es ist übrigens die Frage bezüglich der Flagge geklärt – danke Tohmas und Reta  :-) –  plus freie Interpretation:
Es gibt drei Flaggen.
Das Original liegt im Safe, eine Kopie davon flattert über der Stadt und die dritte hat die besten „reinigende“ Wirkung. Somit ist doppelter „Beschiss“ im Spiel.
Aber das macht nichts, solange etwas wirkt und hilft ist alles gut.

Folklore in Santa Cruz

So., 28. Jun.15, La Palma, Tag 393, 2.587 sm von HH

Zu Beginn der Semana Chica wird nicht nur die Flagge der Jungfrau gehisst, sondern auch ihr Thron wird in die Hauptstadt getragen.
Dieser Thron wiegt zwei Tonnen und ist aus purem, mexikanischem Silber gefertig. In 42 Einzelteilen wird er in einer feierlichen Prozession heruntergetragen und in den nächsten Tagen wieder aufgebaut. In einer Woche nimmt dann die Jungfrau darauf Platz.

Santa Cruz hübscht sich weiter für diesen Festakt auf: Mit Farn geschmückte Torbögen zieren die Gassen. Rote Fußwege an der Marina werden neu gestrichen, alle Fahrbahnmarkierungen neu getüncht, Einheimische tragen T-Shirts mit „Bajada 2015“ und die Frauen entsprechenden Schmuck um den Hals.
Alle Verkäuferinnen im Supermarkt haben ein Bajada-Käppi auf, es gibt Bajada-Wein und Bajada-Brot. Jeden Tag hängen mehr Fähnchen, Banner und Flaggen in der Stadt.

Aus jedem Fenster, von jedem Balkon hängen seit heute Tücher herab.
Diese sind entweder schlicht oder geschmückt mit Brot, Milchkannen, Schuhen oder sonstigen Haushalts-Gegenständen. Offizielle Gebäude hängen mit Wappen bestickte Tücher an die Balkone.

Zusätzlich zu den Fähnchen füllt sich Santa Cruz so langsam mit Besuchern.
Es werden zwischen 40.000 und 80.000 (je nach Quelle) Gäste erwartet. Überwiegend sind dies Palmeros, die in der Ferne ihr Glück gesucht haben. Die Bajada nehmen sie zum Anlass aus Venezuela, Kuba und Kolumbien anzureisen und die Familien zu besuchen.
Unser Hafenmeister erwartet ebenfalls seine Verwandtschaft aus Übersee.

Die Thron-Prozession begleiten bestimmt 70 Prozent der Palmeros in Trachten.
Auch die ganz Kleinen müssen schon herhalten.
Alle flanieren durch die Straßen, hier und da wird Gitarre gespielt und uns kommt es vor wie im Mittelalter.
In der herrlichen Kulisse der Altstadt fügen sich die Trachten mit den vielen Fähnchen hübsch zusammen.

Die Flagge der Virgen de las Nieves

So., 28. Jun.15, La Palma, Tag 393, 2.587 sm von HH

Heute fangen die Feierlichkeiten der Bajada in Santa Cruz erst richtig an. Alles was die letzten Tage stattgefunden hat, war nur müdes Vorgeplänkel.

Heute ist Beginn der Semana Chica, der kleinen Woche.

Für uns war das Vorgeplänkel sehr angenehm:
Dadurch dass die Bühne direkt vor der Marina aufgebaut ist, werden wir fast jeden Abend unterhalten.
Mit klassischer Musik, mit Folklore oder einen Schlager-Barden. Der allerdings war ganz furchtbar und wollte gar nicht wieder aufhören zu singen.

Wahlweise findet auch eine White-Moon-Night statt mit fünf DJ‘s und utz-utz-Musik bis morgens um 5:00 Uhr.
Uns stört das nicht. Hinten in der Achterkoje bekommen wir nicht viel mit. Oder Achim greift sich einen Ohrstöpsel.

Wenn wir etwas sehen wollen, brauchen wir nur auf die Terrasse vom Hafen-Büro zu gehen und haben einen feinen Blick auf das aktuelle Geschehen.
Es gibt nämlich auch etwas fürs Auge: Freestyle Motocross Künstler drehen ihre riskanten Salti.

Offiziell beginnt die Bajada Santa Cruz durch Hissen der Flagge

Das Banner der Virgen de las Nieves wird nur alle fünf Jahre aus dem Schrank geholt. Für die Zeit der Bajada weht es hoch über der Stadt auf dem Castillo.
Zunächst wird das Banner aber gesegnet und dann feierlich von der Kirche zur Burg getragen.

Alle möchten bei diesem Transport dabei sein. Geistliche und Weltliche möchten einmal eine Ecke des überdimensionalen Tuches tragen. Einmal anfassen, einmal mit dabei sein.
Nur durch viel Selbstdisziplin kann verhindert werden, dass der Lappen in 1.000 Stücke reißt.
Polizei und Sicherheitskräfte passen zusätzlich auf.

Als dann unter Kanonenschüssen das Banner gehisst wird, müssen wir uns die Augen reiben.
Sah das Tuch, was eben noch getragen wurde, nicht ganz anders aus?
Ein Blick auf die Speicherkarte bestätigt die Annahme.
Ob das eine Vorsichtsmaßnahme ist, die jenes Zerreißen des kostbaren Originals verhindern soll? Welches Teil wurde nun feierlich gesegnet?

Achim vermutet, dass die Fälschung ein Briefumschlag ist in dem das Original transportiert wird.
Vergrößerungen unserer Bilder zerschlagen diese Theorie.
Das gehisste Original war schon auf der Burg, bevor die Fälschung dorthin getragen wurde. Auch das ist klar auf unseren Bildern zu erkennen.
Vielleicht gibt es einen Tunnel in dem das Original unterhalb der Stadt zur Burg gebracht wird?

Sämtliche Recherchen verlaufen im Nichts.
Weiß jemand etwas darüber, warum es zwei Banner gibt?

Regatta Lustral

Fr./Sa., 26./27. Jun.15, La Palma, Tag 391/2, 2.587 sm von HH

Ein Teil der Feierlichkeiten der Bajada Santa Cruz ist eine zweiteilige Regatta.

Die „regata lustral“ de La Palma

Der erste Abschnitt ist ein Rennen von Santa Cruz de Tenerife nach Santa Cruz de La Palma.
Es sind 50 Yachten für diese Regatta eingeschrieben und knapp 40 davon treffen am Morgen in der Marina ein.

Mit den Yachten kommen zusätzlich 250 Herren im Hafen an. Regatta-Frauen entdecke ich nur zwei.
Nach der verschlafenen Zeit mit unbewohnten Schiffen ist das eine angenehme Abwechslung und bringt ein wenig Leben in die Bude.

Bei den Crews handelt sich nicht um junge, coole Helden eines Volvo Ocean Races, sondern überwiegend um Herren mittleren Alters.

Das Benehmen einiger Kerle lässt leider zu wünschen übrig. Dieses rüde Verhalten kann ich nur mit rüdem Ton beschreiben:
Statt die Toilette aufzusuchen wird sich mitten im Hafen neben die Boote gestellt und vom Steg aus an die Bordwand gepinkelt. Es wird zwar nicht das Schiff getroffen, aber womöglich lässt die Zielgenauigkeit mit fortschreitendem Bierkonsum nach.
Ich mag mir nicht vorstellen, wenn im Dunkeln Schiffe verwechselt werden und es auf einmal neben uns plätschert.

Auf dem Nachbarschiff turnt einer, nur mit weißer Feinripp-Unterhose bekleidet, an Deck herum und befreit sein Schiff von Salzwasser. Die Unterbüx ist pitschnass und so kann sich seine Kimme deutlich sichtbar abzeichnen. :shock:

Ein anderer steht in grünen Shorts auf dem Vorschiff und kratzt sich genüsslich die Eier.

Hallo! Das ist er, der Untergang des Abendlandes.

Wir beide können die Spanier gut leiden und mit ihrer etwas ruppigen, direkten Art sind sie unkompliziert und leicht zu nehmen. Darüberhinaus sind sie sehr aufmerksam und ungemein hilfsbereit.
Aber die Herren pissen gerne mal an Häuserwände oder was ihnen sonst so als Pfahlersatz gelegen kommt. An vielen Ecken riecht es wie in einem Urinal.
Das ist unangenehm und verbesserungsfähig. :-)

Regatta lustral

Die kleine Regatta am nächsten Morgen fällt leider wegen zu viel Wind ins Wasser.
Erst wird der Start verschoben und eine Handvoll Schiffe läuft mit zwei Stunden Verspätung aus. Aber final wird das Rennen dann doch abgebrochen.
Das ist sehr schade, da die Rennstrecke genau an der Hafeneinfahrt entlangführt und wir eine bombige Sicht auf das Geschehen haben.

Viele segeln also gleich nach Hause und kehren gar nicht mehr in die Marina zurück.
Somit ist an Tag zwei schon wieder stiller in Santa Cruz.