Archiv der Kategorie: Union Island

Regenzeit

Di., 07. Jun.16, Union Island/Clifton, Tag 738, 6.537 sm von HH

Im Juni beginnt nicht nur offiziell die Hurrikan Saison, sondern auch die Regenzeit.
Normaler Weise hält sich Wetter ja nicht an den Kalender. In diesem Fall schon.
Regenfälle häufen sich.

Natürlich ist eine Menge Wind mit dabei. Mehr als uns lieb ist. Das führt soweit, dass wir mitten in der Nacht im Cockpit sitzen und Ankerwache halten. Wie schon gesagt, die Ankersituation ist in Clifton nicht optimal.

Von oben kann man gut sehen, wie vertrackt hier die Lage ist. Winddreher aus Süd legen uns, gefühlt, nur drei Meter vor den klapprigen Zweimaster. Das braucht kein Mensch.

Wir waren vor ein paar Tagen auf dem Hausberg, um die sündige Aussicht zu genießen. Die Landepiste ist übrigens ein internationaler Flughafen. :mrgreen:
Schließlich kommen hier Maschinen aus Barbados und Grenada rein.
Bei der Landung rasieren sie den Dorfbewohnern fast einen Scheitel.

Der Regen, der uns eher lästig ist, wird von den Einheimischen sehnsüchtig erwartet.
Auf die Frage, ob es heute noch mal trocken wird, kommt ein besorgtes „Hoffentlich nicht“.
Die Regentonnen sind leer, alles Grüne braun verdorrt.

Der heftige Wind bringt Tonnen an Algen mit. Das niedliche Dinghy Dock in Clifton ist randvoll mit dem Zeug. Da bleibt fast die Schraube vom Außenborder stecken.

Im Nachbortort Ashton stehen Wasser-Fässer auf der Straße zur freien Verfügung.
Es gibt dort sogar einen öffentlichen Brunnen, der seit 200 Jahren rege für Brauchwasser genutzt wird.
Einen Deckel über dem Brunnenschacht sucht man übrigens vergeblich. Geht ja nur 8 Meter in die Tiefe…

Auf unserem Rückweg stoßen wir auf der Straße auf einen Trupp halbwüchsiger Jungs in Schul-Uniform. Die werfen mit Steinen nach einem Baum.
Hilfe, nein, nicht nach dem Baum, sondern nach einem Leguan.
Es ist so ein Großer, wie wir neulich auf den Tobago Cays gesehen haben.

Der soll im Kochtopf landen, soviel ist klar.
Ein zweiter hat bereits sein Leben ausgehaucht. Offensichtlich ist das Jagen von Leguanen verboten, denn als ein Auto vorbei kommt, wird das Werfen unterbrochen und das tote Tier wird verborgen.

Wir werden ignoriert und vor unseren Augen wird weiter geworfen.
Ein Depp steht unter dem Baum und muss aufpassen, dass er keinen Stein an den Kopf bekommt. Er soll das Tier fangen, wenn es fällt.
Wir gehen weiter und nur einen Augenblick später landen sie einen Treffer.
Dem Tier wird schnell und effizient der Schädel an einer Betonkante eingeschlagen. :shock:

Die armen Tiere.
Aber kann man den Jungs das verübeln? Das Angebot an Fleisch ist dünn auf den Inseln. Dazu noch teuer. Wenn wir angeln, ist das im Prinzip das Gleiche.
Guten Appetit. :cry:

Und noch das Fundstück des Tages: Wie auf einem Altar aufgebahrte Snickers.
Ein mannshoher Kühlschrank und komplett leer bis auf die paar Schokoriegel.
Die wissen in dem Laden, was sich gehört. :mrgreen:

Langfahrtsegler rüsten auf

So., 05. Jun.16, Union Island/Clifton, Tag 736, 6.537 sm von HH

Seit wir aus Europa weg sind, häufen sich die Gespräche über die Sicherheit an Bord am Anker. Dass im Februar auf St. Vincent ein Segler erschossen wurde, war gerade gnädig in den Erinnerungen versackt, da kommt es jetzt zu dem Überfall in den Tobago Cays.

Ein Englisches Paar wird von drei Männern überfallen.
Der Frau wird eine Pistole (wahrscheinlich Schreck-Schuss) an den Kopf gehalten, während der Mann die Wertsachen herausgeben soll. Im Verlauf der Überfalls wird er durch eine Taschenlampe am Kopf verletzt.

Die Emotionen kochen wieder hoch.
Den Engländern hat es keinen Sicherheitsgewinn gebracht im Pulk zu liegen.
Ihre Yacht lag 30 bis 100 Meter von mehreren anderen Schiffen entfernt.
Wir lagen 700 Meter weiter. Mutterseelen alleine, wären wir eigentlich das bessere Opfer gewesen.

Es ist hoffentlich so, dass man auf Hilfe hoffen darf, wenn Räuber aufs eigene Schiff einsteigen.
In diesem Fall jedoch, werden die Rufe der Engländerin für Feier-Lärm oder häuslichen Ärger gehalten. Der Schuss aus der Schreckschuss-Pistole für Party-Raketen.

Eine andere Crew beobachtet das Geschehen vom eigenen Cockpit aus.
Ob keine Hilfe erfolgt aus (berechtigter) Angst ums eigene Wohl, aus Fehlinterpretation der gesehenen Dinge, aus Phantasielosigkeit, was an Gegenmaßnahmen möglich wäre, aus Scham, einen Ehestreit zu stören oder schlicht aus Gleichgültigkeit, macht nur moralisch einen Unterschied.

In Diskussionen sind sich alle einig: Einbrecher suchen das Weite, wenn umliegende Yachten wach sind, die Szenerie erleuchten und durch Lärm auf sich aufmerksam machen.

Es ist schwierig in Sekundenschnelle eine unbekannte, heikle Situation zu überblicken, einzuschätzen und die richtigen Mittel zu finden.
Allerdings lieber einmal zu viel einen Ehestreit stören als einmal zu wenig einen Überfall vereiteln.

Folgende Maßnahmen wären denkbar, ohne sich selber zu gefährden :
– Zur betroffenen Yacht rüber brüllen und mit einer starken Lampe leuchten
– UKW-Funk immer auf Stand-by halten und die ‚Distress‘ Taste drücken. Auf allen umliegenden Yachten, die ebenfalls den Funk eingeschaltet haben, ginge Alarm los. Die Küstenwache würde automatisch informiert.
– Das Nebelhorn drücken oder tröten

Bei der Einbruch-Verhütung sind sich ebenfalls alle einig. Es muss den Eindringlingen so schwer wie möglich gemacht werden, überhaupt an Bord zu kommen. Sollte dies nicht zu verhindern sein, dann sollen sie wenigstens nicht auch noch unter Deck gelangen.

Die Maßnahmen sind vielfältig wie die Yachten:
– Bewegungsmelder am Heckkorb, der das Schiff in Flutlicht taucht
– Alarm-Trittmatten (sogenannte Katzenklingeln), die Alarm auslösen
– Drahtlose Alarmanlagen, die durch Bewegungsmelder ausgelöst werden
– Panikknopf am Bett, der eine Alarmanlage auslöst
– Stolperdrähte
– Niedergang von innen verriegeln
– Metall-Kreuze oder Drähte in den Luken, Luke kann zur Lüftung geöffnet bleiben
– alle Luken verschlossen halten

Zur Selbstverteidigung gegen die Einbrecher, wenn man sich gegenüber steht, sollen Tränengas, Teaser, Nico-Signale und sonstiges Stech- und Hauwerkzeug zum Einsatz kommen.
Ich glaube allerdings, dass diese Art der Verteidigung kaum umsetzbar sein wird.
Wenn zwei, drei entschlossene Kerle mit Pistolen (ob echt oder nicht, kann ich als Laie nicht unterscheiden) vor einem stehen, werde ich kaum, pfffft, die Pfefferspray-Flasche heben.

Die wichtigste Prävention bleibt somit, das Verscheuchen der Einbrecher.

Achim und ich fühlen uns mit unserem Mittel-Cockpit recht sicher.
Ist es doch für uns selber eine üble Kletterei von der Badeplattform aus über die Heckreling zu steigen. Danach kommen diverse Stolperfallen, weil unsere Regenabdeckung über den Achter-Luken spinnennetzartig verspannt ist.
Ein Tampen, der den Baum am Schlagen hindert, macht die Situation nicht leichter.

Seit neuestem hängen wir unsere Badeleiter nach hinten aus und sichern mit einem Fender, dass sie nicht ans Heck zurück geklappt werden kann. Viel Platz ist nun nicht mehr für einen Dieb.
Oder er müsste die Leiter abschneiden, was sicherlich nicht geräuschlos möglich ist.

Unsere Luken lassen wir offen stehen.
Mit geschlossenen Luken zu schlafen, trüge gesichert den Erstickungstod nach sich. Da ist das Risiko überfallen zu werden kleiner. :mrgreen:

Wir vertrauen drauf, dass die Regenabdeckung und die reißfesten Mückengaze ein Eindringen über die Luken verhindern. Zudem quietschen sie erbärmlich, wenn man sie ganz aufstellt, um Platz zum Einsteigen zu haben.
Ein lange bemängeltes Manko , erweist sich nun als positiv.

Unseren Niedergang schließen wir neuerdings ebenfalls ab.
Etwas was ich nie wollte und für unnötig erachtet habe.
Achim hat von innen einen Riegel angebaut, so dass man nur mit roher Gewalt und Lärm einsteigen kann.

Als dritte Maßnahme haben wir einen Bewegungsmelder im Salon installiert.
Der lag bislang unbeachtet und als Fehlinvestition bewertet in der Backs-Kiste.
Sobald sich jemand am Niedergang zu schaffen macht, geht ein grässlich piepender Alarm-Ton los.

Wir hätten es noch besser gefunden, diesen Bewegungsmelder im Cockpit zu haben, aber beim Schaukeln und Drehen am Anker, funktioniert das nicht zuverlässig.
Ein so entstandener Fehlalarm hat uns zu Tode erschreckt. Das war nichts. :shock:

Wir sitzen allabendlich aber nicht zitternd im Salon und kommen vor Furcht nicht in den Schlaf.
Das Risiko von einer Kokos-Nuss erschlagen zu werden, halten wir für ungleich höher.

Gefährliche Nüsse

Gefährliche Nüsse

Union Island

Fr., 03. Jun.16, Union Island/Clifton, Tag 734, 6.537 sm von HH

Inzwischen sind wir schon drei Tage auf Union Island.
Union Island ist die südlichste Insel von ‚St. Vincent und den Grenadinen‘ auf der wir ausklarieren können, bevor es ins nächste Land, nach Grenada, geht.

Unser Liegeplatz ist nur suboptimal.
Wir haben den Anker hinter einem Riff geworfen, ähnlich dem Außenriff in den Cays.
Da es hier beengt ist, können wir nicht genug Kette auslassen, dann würde unser Schwoi-Kreis zu groß. Zehn Meter mehr wären besser.
Der Anker liegt zwar perfekt auf fünf Meter, aber es wird schnell tiefer, so dass nicht genug Kette am Grund liegt.
Unglücklicherweise hat die Bucht bauart bedingt 100 Meter hinter uns ein weiteres Riff. Das würde uns unsanft stoppen, sollten wir slippen.

Mit der Situation sind wir nur mäßig happy, aber Clifton gefällt uns so gut, so dass wir die etwas wackelige Ankersituation billigend in Kauf nehmen.

Cifton ist ein lebendiger, bunter Ort.
Da hier Tourismus eine größere Rolle spielt, gibt es eine Vielzahl an Bars und Kneipen. Es ist sauberer und aufgeräumter als auf Mayreau oder Canouan.

Ein Dutzend Gemüse-Buden buhlen um Kunden. Unser Bestand an Obst und Vegies war auf Null runter, so dass wir ordentlich einkaufen.
Ein schlacksiger Farbiger fängt uns gleich am Dinghy Dock ab, betreibt mit seiner Vorstellung: „Hi, I’m Hermann, the German“ großartige Kundenbindung und führt uns erst zum Zoll und dann zum Ziel, seinem Gemüse-Stand.
Den Verkauf überlässt er Frau und Tochter, die ebenfalls Marketing-Experten sind. Wir bekommen bei jedem Einkauf eine Kleinigkeit geschenkt. :-)

Die Supermärkte haben wenig zu bieten. Ein paar Konserven, Ketchup und Putzmittel.
Und die obligatorische Mehl-Ecke. Was nach dem Lager des örtlichen Drogen-Dealers aussieht, ist pfundweise abgefülltes Mehl, Milchpulver, Zucker und manchmal Reis.
Hoffe ich zumindest. ;-)

Und dann gibt es noch die Adams-Family.
Die haben ihren privaten Friedhof im Hinterhof des Hauses, gleich bei den Regentonnen. Mit eigener Mauer, Podesten für die Grabsteine, nur für die Adams. Zum Glück für die Familie sind erst drei Todesfälle seit Gründung des Friedhofs zu beklagen.

Für Unterhaltung am Anker sorgen Kite-Schüler, der Kite Schule vor Ort.
Ein Kiter hat sich schon in unserem Bug-Korb verfangen. Nach totalem Kontrollverlust über die Mächte, die ihn bewegen, zieht ihn sein Schirm ohne Brett quer durchs Ankerfeld.
Nur mit Hilfe von Jörn (aus Finkenwerder :shock:) und dessen Dinghy bekommt er den Schirm zu stoppen.