Archiv der Kategorie: Grenada

Ankunfts-Falle Bonaire

Di. 29.Nov.16, Grenada – St. George’s, Tag 913, 8.319 sm von HH

Grenada macht es uns leicht, Morgen früh ‚good bye‘ zu sagen und Anker auf zu gehen. Regenschauer, Boen, grauer Himmel… Aufbruch-Wetter.

Bis nach Bonaire sind es knapp 400 sm ( 740 km ). Laut Wettervorhersage ist Morgen das Schwachwindgebiet vorbei (Grüße an die Balou und La Joya  :mrgreen: ) und normaler Passat-Wind mit einer Südkomponente erwartet uns.

Unser Reise-Schnitt liegt zwischen 5 und 5,5 Knoten, macht rechnerisch eine Segeldauer von ca. 80 Stunden. Starten wir Morgen mit Sonnenaufgang und wollen im Hellen ankommen, haben wir ziemlich genau diese 80 Stunden zur Verfügung.

Auf Bonaire will man unbedingt im Hellen ankommen.
Die Anfahrt ist einfach, keine fiesen Buchten, keine Riffe, alles tutti.
Bonaire hat aber eine Besonderheit: man darf nicht ankern.

Also um Mitternacht ankommen, den Anker fallen lassen, ist nicht. Der gesamte Seeraum um Bonaire ist Marine-Park und wir müssen an eine Boje gehen. Oder in die Marina. Aber das ist im Dunkeln ebenfalls keine Option.
Dass wir eine Boje im Dunkeln finden, ohne Mond, bezweifeln wir. Daher lautet der Plan, nicht wieder eine Stunde nach Sonnenuntergang anzukommen.
Diesmal gibt es weder Plan B, noch C oder D. Diesmal muss das sitzen.

Auf 80 Stunden genau zu planen, ist nicht möglich. Zuviel kann dazwischen kommen und die Windvorhersagen werden auch per Würfel gemacht.
Daher, drückt uns die Daumen, dass es diesmal passt.

 

 

Gummibereifte Kasperbuden

So. 27.Nov.16, Grenada – St. George’s, Tag 911, 8.319 sm von HH

Ein Begriff, der häufig unter Motorrad-Fahrern Verwendung findet.
Die Puristen, die Naked-Bike-Fahrer machen sich so über überladene Motorräder wie ‚Gold Wings‘ oder überfrachtete Harleys lustig: Vollverkleidung, Rückwärtsgang, Plüschteddy und Sitzbank-Bezug in Tigeroptik für Muddi, die hinten drauf thront.

Dieser Tag fällt der Begriff (für den es sogar ein Akronym ‚GBKB‘ gibt) an Bord sehr häufig. Schuld daran sind die Kreuzfahrer, die sich vor St. George’s die Klinke in die Hand geben. Die Kreuzfahrer-Saison in der Karibik ist eröffnet…jeden Tag liegen zwei der glitzernden Kleinstädte an der Pier vor der Altstadt. Die blinken und funkeln wie übergroße Weihnachtsbäume.

Traumschiff

Traumschiff

 

 

 

 

 

 

 

 

Meist kommen sie mit Sonnenaufgang oder im Laufe des Vormittags an. Wir haben den First-Class-View auf die Buden, die 14 Tage Karibik-Rundreise mit ‚All-Inklusive‘ anbieten.
Im wesentlichen fahren alle ähnliche Routen: Barbados, Grenada, ABC, Jamaika, Martinique, St. Lucia, Barbados.

Nachts wird gefahren und morgens befindet man sich in einem neuen Hafen. Strecken auf See werden als ‚Erholungstag auf See‘ bezeichnet. Buchbar sind neben preiswerten Innenkabinen auch Außenkabinen mit Balkon. Einige Balkone haben gemäß Katalog ‚eingeschränkte‘ Sicht, durch vorgelagerte Rettungsboote.
Die Kabinengröße für den normalen Geldbeutel beträgt ungefähr 25 qm. Inklusive Bad.

So, und jetzt kommen wir ins Spiel. Achim sagt, ich soll aufhören nach den Luxus-Dampfern zu geiern.

Mit den Quadratmetern könnten wir locker mithalten und eingeschränkte Sicht hätte ich bei meinen ‚Erholungstagen‘ ebenfalls nicht. „Alles Außenkabine“, sagt er. :mrgreen:
Mein Argument, dass auf der Queen Mary ein Extra sei, dass abends das Bett aufgeschlagen wird und ein Betthupferl wartet, wischt er beiseite. „Dein olles Laken kriegst Du ja wohl noch selber angehoben“.

Die Verweildauer für die Cruiser ist kurz. Mit Sonnenuntergang legen die Pötte bereits wieder ab. Je nach Niveau der Cruise-Line mit penetrantem 10-fach Gehupe und einer Beschallung übler 80er-Jahre Musik über die ganze Bucht oder einem gepflegten 3-fach Signal.

Bis zu 2.500 Menschen verleben gemeinsam ihren Urlaub im schwimmenden Hotel. Wenn die alle gleichzeitig von Bord strömen, dann tut das dem 7.000 Seelen Ort nicht nur gut.
Konnte ich im August noch normalen Schritts durch die Straßen gehen, so heißt es nun: „Achtung, Kreuzfahrer, orientierungslose Person kreuzt ihren Weg“.

Die Gäste, die nicht durch die Stadt flanieren, werden auf dem Wasser bespaßt. Sonnen- und Strandhungrige werden nach Grand Anse gefahren, einem weitläufigem Strand am Ende der Bucht. Im 10-Minuten-Takt düsen die Barkassen durchs Ankerfeld. Wissen die nicht, dass es gilt, Sog-und Wellenschlag zu vermeiden? ;-)
Zwiebeln rollen schon quer durch die Bude.

Schön finden wir auch die organsierten Schlauchboot-Ausflüge. Ein Leit-Boot fährt vorweg und acht bis zehn Schlauchboote wie die Lemminge hinterher.
In aller Fairness muss man sagen, dass der Trip wahrscheinlich total cool ist, wenn man noch nie im Leben Schlauchboot gefahren ist – 15 PS Außenborder, mit Lenkrad und Sitz…da kann der Atanga-Skipper schon mal neidisch gucken.

Allabendlich betrachten wir die Cruiser und diskutieren, ob wir tauschen wollten oder nicht.  Unseren schlichten Dampfer gegen die aufgerüschten Luxus-Schiffe mit Mega-Buffet.
Mir wäre es zu wenig Verweildauer an einem Ort, aber den Betthupferl, den hätte ich schon gerne. ;-)

Wetter, Schiet-Wetter, Gegen-Wetter

Fr. 25.Nov.16, Grenada – St. George’s, Tag 909, 8.319 sm von HH

Am Mittwoch sind wir erneut umgezogen. Nach St. George’s, der Hauptstadt von Grenada.
Von hier aus sind Marine-Zubehörläden besser zu erreichen, das Bunkern frischer Lebensmittel ist etwas komfortabler und man kann hier ausklarieren.

Der Plan sah vor, dass wir Samstag, spätestens Montag weiter fahren wollten.
Nun macht Otto uns einen Strich durch die Rechnung.
Zumindest vermuten wir das Otto Schuld hat. Otto ist der, wahrscheinlich letzte, Hurrikan dieser Saison und bedroht extrem südlich Panama und Costa Rica.
Otto scheint für sein Gewirbel die gesamte Luft der Karibik zu benötigen, so dass wir vor Dienstag nicht los ziehen brauchen.
Es wäre mit Flaute oder gar Gegen-Wetter-Wind zu rechnen.

In St. Georges’s kann man es aushalten, wenn nicht Schiet-Wetter wäre. Okay, die Regenzeit ist noch nicht zu Ende, es darf, ja soll durchaus regnen. Aber doch bitte nicht den ganzen Tag. :shock:

Da jagt man keinen Hund vor die Tür. Also nutzen wir die Zeit und reparieren, nähen, wienern und räumen in den letzten Ecken auf.
Auch gut.

Spätestens Mittwoch heißt es jetzt ‚Reise, Reise‘, besagt die Wetter-Studie.
Unser Ziel liegt 380 sm genau westlich von uns und ist das ‚B‘ der ABC-Inseln – Aruba, Bonaire, Curacao.

Bonaire ist vor allem bekannt wegen seiner exzellenten Tauchplätze.
Ich möchte nun auch gerne weiter. Wir beide scharren mit den Hufen:
Aber nur der geduldige Segler hat immer guten Wind. ;-)

 

Arriba, arriba, andale…

Mi. 23.Nov.16, Grenada – St. George’s, Tag 907, 8.319 sm von HH

Wie geht es jetzt weiter? Wir wollen nach Mexiko.

Das wollen nur wenige, daher gab es gestern schon wieder einen Abschied für viele Monate. Die meisten Crews, die wir kennen wollen den Antillenbogen hoch und dann zu den Britischen Jungfraueninseln oder nach Cuba. Oder auf die Bahamas. Auf jeden Fall in den Norden.

Warum wir das nicht wollen? Tja, so richtig warm werden können wir mit der östlichen Karibik nicht. Es ist schon schön hier, aber unser Herz haben wir hier nicht verschenkt.

Wir wollen weg von der Kriminalität auf den Antillen: Einbrüche auf unbewohnte Yachten, Entführungen am Strand, Angriffe mit Macheten, nächtlicher Besuch am Ankerplatz und Schusswaffen-Gebrauch mit Todesfolge.
Jeden Tag ist das Netz voll mit solchen Infos.

Daher fahren wir nach Mexiko. :mrgreen:

Mexiko gilt als eines der kriminellsten und gefährlichsten Länder der Welt. Auf dem ‚Globel-Peace-Index‘ landet es auf Platz 144 von 162 Ländern. Drogen-Kriege, Korruption, Entführungen, die Liste der Vergehen ist endlos, die Taten brutal und die Warnungen laut und deutlich. Komischer Weise gilt dies nur für scharf begrenzte Bereiche und Städte in Mexico.
Der Rest des Landes gilt als gut und sicher zu bereisen. In den friedlichen Teilen des Landes hat man sich auf kleine Gaunereien spezialisiert, wie Trick-Diebstahl, zu hohe Rechnungen in Restaurants und ähnlich ’sanfte‘ Abzocke.

Wir wollen weg vom einseitigen Karibischen Nahrungsangebot.

Darf es Huhn, Huhn oder Huhn sein. Uns wachsen noch Federn.
Wir wollen köstliche Enchiladas, Tortilla, Nachos, Borritos und Tacos. Beim Schreiben läuft mir das Wasser im Mund zusammen. In Mexiko werden 800 verschiedene Nahrungsmittel hergestellt mit einem Volumen von 245 Tonnen. Wir wollen weg von der recht kümmerlichen Obst und Gemüseauswahl auf dem Märkten. Selbst die Möhren im Supermarkt kommen aus Mexiko.

Und wir wollen alte Steine sehen. Weg vom Wellblech und rosa Würfelhäusern. Das kann man kaum besser als in Mexiko: Maya Tempel, Pyramiden und großartige Kolonialstädte gilt es zu erobern.

Wir wollen nach Mexiko. Arriba, arriba, andale…

„Großer Tumult“ in der Clarke’s Court Bay

Sa. 19.Nov.16, Grenada – Clarke’s Court Bay, Tag 903, 8.307 sm von HH

Wir sind aus unserer einsamen Werft-Bucht ein paar Meilen weiter in die Clarke’s Court Bay gezogen. Hier liegen wir mitten in der Bespaßungs-Maschenerie für das, nach Abwechslung lechzende, Segler-Herz.
Morgens um 7:30 Uhr gibt es eine moderierte Funkrunde über alle Buchten. Die ’sozial Events‘ nehmen kein Ende. Von Cocktail Happy Hour bis Tai Chi ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Die Bucht ist hübsch, keine Frage.
Sie hat nur einen aufdringlichen Nachteil. Hier steht die Rum-Destille aus der unser Rigger seinen Schnaps bekommt.

Rum, „rumbullion“ = großer Tumult, hat in der Karibik eine lange Tradition. Die erste amtliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1650. Zur Rum-Herstellung wird gehäckseltes Zuckerrohr, Zuckerrohr-Saft und Wasser zu einer Maische vermengt. Diese Maische wird fermentiert und zur Gärung gebracht. Nach der Destillierung hält man dann den Rum in den Händen.

Irgend einen Teil, der bei der Herstellung vom Rum anfällt, leitet die Rum-Destille direkt in die Bucht ein. Und das stinkt. Das stinkt gewaltig. Ein Mix aus säuerlich frisch Erbrochenem und faulen Eiern. Dazu sieht das Wasser in der Bucht wie Cola aus. Gruselig.
Im hinteren Ende der Bucht kann man es nicht gut aushalten.

Dort wo wir liegen, geht es, aber auch nur, weil der Wind von See kommt. Hier hat das Wasser auch eine normale Farbe. Sonst wären wir schon geflüchtet.

Ein paar Tage werden wir hier aushalten und verweilen. Ist die Bucht doch Treffpunkt alter und neuer Segel-Freunde. Die La Joya, seit vier Monaten nicht gesehen (liebe Grüße, Petra), die Balou und Olaf mit neuem Schiffsnamen und Begleitung.

Wir haben noch ein paar Kleinigkeiten am Schiff zu erledigen: die Ankerwisch will Fett, der Gashebel ist etwas schwergängig, eine Hälfte vom Edelstahl ist noch zu polieren, der Wassermacher bekommt eine neue Membran usw.
Sobald das fertig ist, geht es Anker auf und wir verlassen die östliche Karibik. Das bedeutet schon wieder Abschied nehmen. Diesmal für sehr lange. :cry:
Die anderen wollen alle Richtung Norden oder nach Cuba.

Aber bis dahin bleibt uns noch ein wenig Zeit für ’sozial events‘.