Archiv der Kategorie: Grenada

Verschärfter Arbeitsdienst

Do., 11. Aug.16, St. Georges/Grenada, Tag 803, 6.590 sm von HH

Ich glaube, ich muss ertrinken. Langsam füllt sich die Maske mit Schweiß. Wasser drängt aus jeder Pore meines Körpers. Ich schwitze wie ein Schwein und man könnte meinen, dass ich gerade aus der Dusche gekommen wäre. Meine Hose sieht aus, als ob ich mich eingenässt hätte. Es ist relativ kühl heute. Gerade mal 30°C, aber trotzdem nicht unbedingt ideal, um Laminierarbeiten im Achterschiff zu machen.

Ich ertrinke

Ich ertrinke

Drei Tage bin ich jetzt allein an Bord und arbeite meine „To Do“ Liste ab. Fast so, wie früher im Job, jedoch mit dem feinen Unterschied, dass man hier an Bord Dinge nicht so recht aussitzen kann, bis sie sich von allein erledigt haben, oder sie niemanden mehr interessieren. Auch die Ansage…“das müsste mal einer machen“ bringt mich hier nicht voran.

 To Do

Nachdem unsere Kupferfolie (Erdung für die Funke) nun seit über einem Jahr in der Bilge ist, entschließe ich mich dazu, sie zu laminieren und zu streichen. Damit gewinnen wir wieder etwas Platz und es besteht keine Gefahr mehr, dass die Folie durch irgendwelche Gegenstände, oder durch eingedrungenes Wasser beschädigt wird. Die Kurzwellenfunke ist für uns so wichtig, da wir damit von praktisch jedem Ort der Welt Wetterinfos bekommen und Emails empfangen und verschicken können. Das ist total cool und kosten tut es auch nichts.

Diese Arbeiten verbieten sich, wenn die Frau an Bord ist. Das Schiff sieht aus wie nach einem Bombeneinschlag. Die Pantry ist zur Ablage mutiert. Überall liegt Werkzeug und das Polyesterharz und die Bilgefarbe stinken erbärmlich. Das Achterschiff ist als Schlafplatz gesperrt und auch die Raumluft im Salon ist….sagen wir mal… belastet. Aber wozu ist man Chemiker, wenn einen das stören würde.

Ich komme ganz gut voran. Die Not-Antenne an der Heckreling, die zum Einsatz kommen soll, wenn wir mal den Mast verlieren sollten, ist wieder angeschlossen. Hoffen wir mal, dass das total überflüssig war.

Der zweite Inverter (wandelt 12V Gleich- in 230V Wechselstrom) ist wieder angeschlossen und somit kann auch wieder am Ankerplatz Staub gesaugt werden. Das war mir immer sehr wichtig.

Die Kupferfolie in den beiden etwas kritischen Bereiche im Achterschiff sind laminiert und gestrichen. Sieht wieder richtig gut aus.

 

Nebenbei muss ich mich um mein leibliches Wohl kümmern. Es gelingt mir recht gut Bier in den Kühlschrank nachzulegen. Es passen immer nur drei Dosen in das Kühlfach. Da ist genaue Planung gefordert, sonst gibt es warmes Bier.

Die Küche an Bord hat stark nachgelassen. An Tag 1 gab es Ravioli von Maggi. Die mochte ich mal total gern. Vor vierzig Jahren. Die haben aber wohl das Rezept geändert. Das was ich da auf dem Teller hatte, entsprach nicht meiner Erinnerung. Geschmackliches Empfinden wird wohl doch nicht nur von der Erwartung gesteuert. Hat mich an die Dinger vom „Super U“ erinnert. Ich könnte immer noch würgen. Bratnudeln (das kann ich) und Wraps mit Grünzeug und Hühnerbrust runden die kulinarischen Höhenflüge an Bord der letzten Tage ab.

Wraps ohne Fleisch

Ich werde es schon überleben. Das bisschen was ich esse, kann ich ja auch trinken (!!Achtung: Planung Kühlfach)

 

Karneval in Grenada

Die., 09. Aug.16, St. Georges/Grenada, Tag 801, 6.590 sm von HH

Für uns beginnt der Karneval Sonntag Nacht. Ab ca. 4 Uhr fahren die Laster mit turmhohen Lautsprechern vor und drehen auf. Soca!!!! Die allgegenwärtige Beschallung hier auf den kleinen Antillen. In einer Lautstärke, die in etwa der einer startenden Saturn 5 Rakete in 10m Entfernung entspricht. Für die jüngeren unter uns…die Saturn wurde bei den Apollo Missionen eingesetzt (Mondlandung usw., ist schon ein bisschen her). Ursprünglich hatte ich einen Jumbo Jet als Vergleich heranziehen wollen, aber das trifft es nicht. Einen startenden Jumbo würde man bei dem Lärm nicht mehr hören. Alles vibriert. Der Krängungsmesser, das Schott, das Geschirr und selbst die Rippen tanzen im Rhythmus der brutalen Bässe….wohlgemerkt im Schiff ca. 100m entfernt von der Strasse. Die Disc Jockeys sind so, wie ich sie erinnere. Sie spielen ihren eigenen Stiefel. Immer wieder die gleichen Lieder und dazu brüllen sie noch lauter ins Mikro, als es die Musik sowieso schon ist. Die Nacht ist für uns vorbei.
Heute ist die Pretty Mas angesetzt. Toll! Pretty klingt nach sexy Girls und lachenden Menschen. Nach einem nicht abreißenden Strom von Tanzgruppen und von lachenden Menschen, die eine gute Zeit haben. Ich bin begeistert und gehe auf die Strasse.
Es geht ganz nett los, aber dann …Pause. Wieder kommt eine Gruppe und wieder …. Pause. Die Wagen sind soweit auseinander, dass man zwischen den vorbeiziehenden Gruppen locker ein 7 Gänge Menü kochen und verspeisen könnte. Mir ist langweilig. Neben mir steht ein Typ aus Trinidad und meinte, dass der Umzug etwas „slow“ wäre. Wie recht er hat. Zum einschlafen. So ganz bekomme ich den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass es den Tanzgruppen nicht anders geht.

Ein Festival der guten Laune….


Meine Erwartung an einen Karneval alá Rio wurden auch nicht ganz erfüllt. So mit heißen Girls und „shake it…shake it…shake it“. Offensichtlich stehen die Jungs hier auf mehr.

Ich hätte auf Martin, einen der Security Leute hier in der Marina, hören sollen. Er sagte, dass er sich während des Karnevals lieber um die Erbsen auf dem im Inland liegenden Grundstück seiner Oma kümmern wolle.

Karneval und weitere Pläne

So., 07.Aug.16, St. Georges/Grenada, Tag 799, 6.590 sm von HH

Wir haben Schweizer Segler kennengelernt. Als Urs hört, dass ich Morgen nach Deutschland fliege, schaut er mich erschrocken an: „Das ist doch nicht Dein Ernst?“ Ich kapiere nicht. „Morgen und Dienstag ist Karneval. Kaaaaarneval! Da hast Du keine Angst Deinen Mann hier alleine zu lassen?“

Nein, hatte ich bislang nicht. Danke.

Wenn ich mir die Mädchen hier so anschaue, erscheint mir das nicht nötig. Karibische Schönheiten geht irgendwie anders.
Meine Anmerkung zerreißt Urs in der Luft: Er habe die Karneval-Mädels auf St. Lucia gesehen. Holla die Waldfee. Das seien Feger, echte Feger!

Ich schaue Achim fragend an. Er versteckt sich hinter seiner 15 Punkte umfassenden to-do-Liste, die er während meiner Abwesenheit abarbeiten will.
Na bitte, geht doch. Wusste ich doch, dass ich mir keine Sorgen machen brauche. :-)

Wenn ich Ende August wieder zurück komme, verlassen wir die Karibik.
Die Zeit bis zum Ende der Hurrikan-Saison , hier im Süden der Karibik abzusitzen, erschien uns zu langweilig.

Wir segeln zurück nach Französisch Guyana.
Gegen die vorherrschende Windrichtung und, noch unfreundlicher, gegen die vorherrschende Strömung. Dies machen wir im Rahmen einer kleinen Rallye. Nereid’s Rally

Im Augenblick sind es 13 Yachten, die teilnehmen. Bei dieser Rallye geht es nicht um Geschwindigkeit und Sieg. Der Spaß während der Zwischenstopps steht im Vordergrund.
Fünf Crews haben wir in der Zwischenzeit schon kennen gelernt.
Verdammt kleine diese Segler-Welt.
Wir haben uns auf den Kanaren, in Mindelo und vor Anker in den Tobago Cays getroffen. Das verspricht eine gute Zeit zu werden.

Im November kommen wir in die Karibik zurück, die wir mehr mögen als erwartet.
Im nächsten Jahr planen wir hier noch eine Runde zu drehen.

Ein neuer Film zeigt Euch was uns so gut gefällt.

 

 

Hitze und Abkühlung

Fr., 05.Aug.16, St. Georges/Grenada, Tag 797, 6.590 sm von HH

Das Leben in einer Marina, das Leben am Steg, bringt genau einen Vorteil mit sich: Man kann jederzeit von Bord.
Alles andere ist schwierig.

Am Anker gibt es Wind. Im Yacht Club weht kaum mal ein Lüftchen. Wir haben über unserem Bimini noch eine zusätzliche Sonnenabdeckung gespannt. In der Hoffnung, dadurch die Temperatur auf 30 Grad halten zu können. Gelächter.
Es ist einfach schweine warm.

Am Anker gibt es keine Mücken. Neulich wurde schon mit großen Gift-Schleudern das Gestrüpp rund um den Hafen gesprüht. Genützt hat das vielleicht zwei Tage was. Dadurch dass es fast jeden Tag regnet, können die Biester sich großartig vermehren.
Zum Glück regnet es meistens nur nachts und am frühen Morgen. Erfrischung bringt der Regen leider nicht.

Am Anker gibt es super klares Wasser zum Abkühlen.
Jetzt fahren wir mit dem Dinghy in die Bucht, um mal wieder zu planschen.

Mit dem neuen Außenborder kein Problem, zwei Minuten und wir sind da.
Vollspeed gleich volles Vergnügen. :-)


Die Sache hat nur einen Haken. Bei hohem Tempo saugt unser Dinghy-Cover Wasser an. Das sucht sich unter der Gummiwulst seinen Weg und sprüht hinten aus den Löchern für die Ruderhalterung wieder raus. Ein großer Teil fließt dabei ins Dinghy.
Vollspeed gleich volles Boot. :cry:

Den alten Außenborder haben wir übrigens schnell verkaufen können.
Jimmy Cornell sagt, dass sich auf jeder Yacht ein Ersatz-Außenborder befinden soll.
Jimmy Cornell verrät aber nicht, wo man ihn lagern kann.

Grenada – Insel der Muskatnuss

Mi., 03.Aug.16, St. Georges/Grenada, Tag 795, 6.590 sm von HH

Verschlossene Türen. Wir stehen tatsächlich vor verschlossenen Türen.
Der Produktion-Leiter der Muskatnuss-Fabrik, die wir besuchen wollen, wird heute beerdigt.
Er scheint beliebt gewesen zu sein. Man hat die komplette Fabrik geschlossen, damit alle ihm die letzte Ehre erweisen können.
Sein Ableben ist auch unser Pech. Wir kommen nicht rein.

Mit dem Mini-Bus zockeln wir ganz in den Nord-Westen von Grenada, nach Gouyave, um ein wenig über die Muskatnuss zu lernen, die allgegenwärtig auf Grenada ist.
Nutmeg überall. Im Cocktail, im Eis, am Hühnchen, am Fisch, sogar bis auf die National-Flagge hat die Nutmeg es geschafft.

Grenada, flächenmäßig grad halb so groß wie Hamburg, ist der zweitgrößte Muskatnuss-Lieferant, mit 25 bis 30 Prozent der weltweiten Produktion.
Der Bedarf an Muskatnüssen wird auf 10.000 Tonnen jährlich geschätzt.

Somit werden von dieser kleinen Fabrik, mit einer Technik aus den 50er Jahren, jedes Jahr ungefähr 250 Millionen Nüsse in die Welt geschickt.
Nun stehen wir vor verschlossener Tür und schlendern unverrichteter Dinge durch Gouyave.

An einer der vielen Kirchen werden wir von einem jungen Kerl, der barfuß den Kirchenboden mit einem Mopp bearbeitet, angehalten.

Er fragt was wir in Gouyave wollen: „Nutmeg-Fabric?“. „Yes.“ „Die hat heute zu.“
Ach nee, danke für die Info. ;-)
Dann entpuppt sich unser Schlaumeier aber als die Boden-feudelnde Enzyklopädie der Muskatnuss.

Er atmet, ja, er lebt förmlich die Nutmeg. Er begeistert sich und ist nicht aufzuhalten. Er habe mal in der Fabrik gearbeitet.

Was folgt ist ein 20 minütiger Vortrag über die Ernte der Muskatnuss, das Auslösen aus der Schale, über das Sortieren der Muskatnuss, die Qualifizierung der Muskatnuss, die Sortierung und den Versand.

Ein leidenschaftlicher Vortrag darüber, dass alle Teile der Nuss verwertet werden und wofür. Über die Muskatnuss-Blüte, die Macis, die rote Hülle. Diese schmeckt um einiges milder als die eigentliche Nuss.
Über die harte Schale um die Nuss. Diese wirft er in Holzkohle, damit das Nutmeg-Aroma beim Grillen auf das Fleisch übergeht.
Über die Erntezeit, die Erntedauer, die Ernte-Art. Und Hundert Informationen mehr.

Ein freundlicher Typ, der mit wenig Zähnen im Mund und vor Dreck starrenden Klamotten, den verstorbenen Produktions-Leiter ersetzten könnte.
Zumindest was seine Leidenschaft für die Muskatnuss betrifft.

Was der junge Mann verschweigt, ist eine Verwendung, die die Diskrepanz von 2.000 Tonnen zwischen Weltbedarf und der geschätzten Produktion  erklärt: Muskatnuss hat eine halluzinogene Wirkung. Ähnlich dem Cannabis.
Mit dem kleinen Unterschied einer schlecht vorhersagbaren Wirkung und der Gefahr von starkem Brechreiz.