Die Faszination des Grauens

Sa., 25.Mrz.17, Mexiko/Puerto Morelos, Tag 1028, 9.971 sm von HH

Es ist wie bei schrecklichen Nachbarn im Restaurant, die mit offenem Mund kauend sich lauthals krähend unterhalten. Man muss immerzu hingucken.
So geht es mir mit dem ‚Schwimm-mit-Delphinen-Freiwasser-Becken‘ schräg gegenüber von Atanga.

Ich mag Delphinarien nicht, ob nun gekacheltes Becken oder Freiwasser.
Der Engel auf meiner Schulter lehnt jeden Besuch und eine Unterstützung von Delphinarien kategorisch ab.

Eine artgerechte Haltung ist in einem Becken kaum möglich. Delphine schwimmen bis zu 150 km am Tag und tauchen 300 Meter tief. Hier endet ihr Grund nach vier Metern.

Sie bekommen toten Fisch, den sie in freier Wildbahn verschmähen. Dieser muss mit Wasser aufgespritzt werden, da Delphine nur über Nahrung Wasser aufnehmen.

In gekachelten Becken verkümmert ihr Sonar, da die Beckenwände irreführende Signale geben. Künstliches, gechlortes Salzwasser reizt die Augen.
Im Freiwasser schwimmen sie häufig in ihrer eigenen Kloake. Hier in der Marina liegt ihr Becken genau an der Hafeneinfahrt. Vielleicht ist trotz Ufernähe ist ein regelmäßiger Wasseraustausch gewährleistet.

Ich kann sie vom Cockpit aus springen sehen.
Schon sitzt der Teufel auf meiner anderen Schulter und flüstert mir ins Ohr: „Komm, stell Dir vor, mit einem Delphin zu schwimmen. Ihn einmal anfassen. Muss das nicht ein Traum sein?“

Mit Beate, dem Engel und dem Teufel, machen wir uns auf den Weg, um die Sache aus der Nähe zu betrachten. Als Schaulustiger kann man ungestört dem Treiben in den Gehegen zuschauen. Das ist tricky, macht das doch Lust auf mehr.
Mein Teufel läuft zur Hochform auf: „Los, das willst Du auch. Schau, wie sie lächeln, das macht ihnen gar nichts aus. Alles freiwillig. Das ist auch für die Delphine ein großer Spaß.“

Im Zweistunden-Takt werden Gäste zu den Delphinen gelassen.
In jeder Ecke des Beckens hat ein Delphin seine Kunden. Die nicht gebuchten Tiere werden in der Zwischenzeit von Trainern mit Ballspielen unterhalten oder abgelenkt.

In Gruppen von 10 Personen darf man 30 Minuten einen Delphin streicheln und sich einmal an der Rücken-Flosse ein paar Meter ziehen lassen. Das kostet 120 USD.
Für 170 USD schrumpft die Gruppe auf vier Personen und neben dem Streicheln wird man von zwei Delphinen durchs Wasser geschoben. Dafür muss man sich flach aufs Wasser legen, die Delphine kommen von hinten und drücken einem mit der Schnauze an den Fußsohlen durchs Wasser. Kurz bevor man am Zaun zerschellt, lassen sie ab. :mrgreen:

Einen privaten Delphin bekommt man für 399 USD für zwei Personen. Den darf man dann tot streicheln. 45 Minuten lang. Bauch. Kopf. Rücken. Alles wird getäschelt. Die Krönung ist dann von zwei Delphinen gleichzeitig gezogen zu werden.

Ich habe Glück. Mein Teufel hält beim Betrachten der Schändung der Tiere relativ schnell die Schnauze. Mir vergeht die Lust auf Delphin-Schwimmen.

Die Kunden wirken allerdings glücklich und begeistert. Selbst kleine Mädchen haben keine Angst, sich von den zwei Meter langen Tieren ziehen zu lassen. Die kleinen Diven, die beim Pony-Reiten schon mal in Tränen ausbrechen, wenn sie endlich auf dem Tier sitzen, sind furchtlos.


Das wohl liebenswürdigste Tier der Welt verbreitet Vertrauen und Sympathie.
Katzen-Hasser, Hunde-Gegner, kennt man alle, aber es gibt wohl niemanden, der sagt: „Ihh, Delphine sind echt widerlich.“

Ich wünsche mir (und den Delphinen), dass sich das Delphin-Schwimmen nachhaltig ins Gedächtnis brennt. Zumindest bei einem Teilnehmer.
Vielleicht ist heute die Geburtsstunde von einem leidenschaftlichen Umweltschützer.
Leider habe ich gelesen, dass Zoos angeblich nicht den Lerneffekt haben sollen, den man ihnen häufig zuschreibt. Nur jeder zehnte Besucher erinnert sich knapp an die Namen der gesehenen Tiere.