„Ich hab Angst“

Do., 13.Apr.17, Mexiko/Cozumel, Tag 1048, 9.996 sm von HH

„Sollen wir nicht einfach hier bleiben?“ „Oder dran vorbei fahren?“
Wir sitzen auf der ‚Balou‘ und planen unser nächstes Ziel. Es hagelt Vorschläge, was alles besser wäre als in Espiritu Santo einen Stopp einzulegen. „Weiter im Süden ist es vielleicht einfacher.“

„Quatsch, wir ziehen das jetzt durch. Wir schaffen das. Wenn’s einfach wäre, könnte es ja jeder.“

Die Rede ist von Achims und meiner ersten ‚Eyeball-Navigation‘, einer Augapfel-Navigation.
Über die Bucht, die wir uns ausgesucht haben, existieren nur handgezeichnete Karten :shock: Auf der zum Überfluss auch noch vermerkt ist: „nicht zur Navigation nutzen“

Im Plotter ist die elektronische Karte an unvollständig. Statt der Einfahrt in das Riff ist dort ein „grüner Balken“ gemalt.
„Alte Kartographen pflegten zu sagen, jenseits dieser Stelle werden Drachen sein.“*

Im klaren Wasser kann man Untiefen und Riffe gut mit bloßem Auge erkennen. Daher Augapfel-Navigation. Bedingung ist Sonne im Rücken. Die darf allerdings nicht zu tief stehen.
Einer steht am Bug oder klettert ein Stück in den Mast und hält Ausschau nach dunklen Klötzen im Wasser. Er gibt dem Rudergänger die Anweisungen.
Personen mit links-rechts-Schwäche sind von solchen Aufgaben zu befreien. :lol:

Eine polarisierende Sonnenbrille hilft sehr bei dieser Arbeit. Durch sie werden störende Reflektionen auf der Wasseroberfläche reduziert und garstige Riffe sind noch besser zu erkennen. So die Hoffnung.

Prämiere. Wir haben das noch nie gemacht.
Die Balou hat auf den Caymans und in Puerto Rico schon erste Erfahrungen hinter sich. Erfolgreich, da sie noch neben uns schwimmen.
Unser Tiefgang ist nahezu identisch, daher „darf“ die Balou vorfahren.

Die Planung der Abfahrt wird nicht vereinfacht durch die Bedingung „Sonne im Rücken“.
Wir müssen unbedingt vormittags ankommen. Erreichen wir Espiritu Santo erst am Nachmittag, können wir dort nicht rein.
Also, wann müssen wir hier los? Seit Tagen kreisen wir um die Antwort.
Der Wind ist recht schwach, es ist mit Gegenströmung zu rechnen, bremsen kann man immer… Die Entscheidung ist gefallen.
Um 15:00 Uhr geht es los. Eine Nachtfahrt mit Ankunft mit Sonne im Rücken.