Mo., 22.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2732, 24.688 sm von HH
Da Bus fahren nicht funktioniert, leihen wir uns ein Auto für drei Tage. Der Tagespreis beträgt 30 Euro. Das ist okay. Dazu kommt jedoch die optionale Rundum-Sorglos-Versicherung mit 13 Euro. Wir buchen das volle Paket. Besser ist das bei der ungewohnten Links-Fahrerei. Achim muss fahren. Mein letzter Versuch in Thailand vor zwanzig Jahren mit einem Motorroller ist noch unvergessen. „Denk dran, dass du links fahren muss“, erinnert mich Achim bei der Übernahme des Rollers. „Klar, kein Thema.“ Ich sprach‘s, fuhr vom Hof und landete direkt im Gegenverkehr.
Achim ist allerdings fünf Jahre kein Auto mehr gefahren …
Am ersten Tag ist das Wetter okay, aber leider die Sicht total diesig, neblig verhangen. Im Norden der Nordinsel hat die Besiedelung der Weißen von Neuseeland begonnen. Hier trafen sie auf die Ureinwohner, denen hier ebenfalls das sonnenreiche und subtropische Klima gefiel.
Recht schnell kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, da die Maoris es nicht widerstandlos hinnahmen, dass die Engländer ihre Flagge in den Boden hauten und riefen: „Von nun an europäischer Boden“.
1840, ungefähr fünfzig Jahre später, als bereits 2000 Siedler im Land lebten, wurde der Vertrag von Waitangi aufgesetzt. Der ‚Treaty‘ ist bis heute Gegenstand von Diskussionen bei der Auslegung des Inhaltes. Die Übersetzung der Maori weicht ab von der Interpretation der englischen Version.
Die Stätte und das Gebäude an denen der Vertrag unterzeichnet wurde, ist heute ein Museum. Der Eintrittspreis ist mit 36 Euro pro Person so überzogen, dass wir auf die Besichtigung verzichten. Wir verpassen damit das größte Kriegskanu in Neuseeland – 88 Meter feinste Holzarbeit.
Nächster Stopp ist Kerikeri. Der quirlige Ort mit knapp 6.000 Einwohnern besitzt als Touristen-Attraktion das älteste Steinhaus Neuseelands – malerisch am Flussufer gelegen. Der schmucke Ort sieht nach Wohlstand aus. Das Sortiment an Läden ist weit reichend, deren Auslagen sind chic. Neben Fish-and-Chips-Buden gibt es einen Döner-Laden und richtige Restaurants.
Wir ziehen weiter nordwärts. Verlassen den Highway ‚twin-Ocean-Scenic-Route‘ auf Nebenstrecken, um es landschaftlich noch schöner zu haben. Hier wohnt nun kaum noch jemand. Kurvenreiche Straßen führen an die Küste zu Buchten mit Namen wie ‚One Million Dollar View‘. Wir müssen uns den View mit einem Surfer und seiner ohne Sonne sonnenbadenden Freundin teilen. Ach, wäre doch nur das Wetter besser.
Durch endloses, unberührtes Buschland verlassen wir die ansprechende Küstenregion. Hier scheint die Natur noch in einem ursprünglichen Zustand. Über der Landschaft hängt ein süßlicher Geruch. Immer wieder schwappen betörende Duftwolken ins Auto. Er entströmt der Südsee-Myrte oder Manuka. Manuka-Honig soll bereits von den Maori gesammelt und als antiseptisches Heilmittel verwendet worden sein.
In der Mitte der Insel, zwischen Ost- und Westküste wird es landwirtschaftlich. Die Hügelketten sind abgeholzt. Kuhwirtschaft überwiegt. Dass Neuseeland vor Schafen überquillt, gehört der Vergangenheit an. Auf ehemals drei Millionen Einwohner kamen in den 80er Jahren 70 Millionen Schafe (so sagt man) – heute zählen auf fünf Millionen Kiwis keine 20 Millionen Schafe mehr. Mit Kühen kann besseres Geld verdient werden. Die Preise für Wolle liegt am Boden.
Die Rindviecher sehen glücklich aus. Ganzjährig weiden sie auf den Wiesen. Jetzt im Frühling stehen sie knietief im blühenden Wiesenkerbel, zwischen Hahnenfuß und Wilder Möhre. Ein hübscher Anblick. Eine überlastete einseitige Kulturlandschaft, die schöner nicht aussehen könnte. Wildromantisch.
Die eingeschleppten oder bewusst mitgebrachten Pflanzen aus Europa und Amerika sollen bereits dreißig Prozent der nur in Neuseeland vorkommenden Pflanzen verdrängt haben. Ein nicht umkehrbarer Prozess. Sorgenfalten kann einem der Bambus auf die Stirn einbrennen. Dieser wird als Windbrecher und Heckenersatz gepflanzt. Ein Wuchermonster vom übelsten, der seine Rhizome in alle Richtungen ausstreckt.
So arg wie die ökologische Katastrophe für Neuseelands endemische Pflanzen auch ist, so ist die Mischung aus bekannten und nie gesehenen Pflanzen ein Augenschmaus.
Abseits der Touristen-Orte bekommen die Ansiedlungen ein anderes Gesicht. Das große Geld fehlt augenscheinlich. Eine Hauptstraße mit Tankstelle, ein Mini-Market und eine Kirche. Das war’s. Man muss schnell bremsen, sonst ist man auch schon direkt am Dorfende angekommen. Jobs gibt es nur in der Landwirtschaft. Die Quote der Maoris zu Weißen ist hier am höchsten. Die Arbeitslosenquote auch. Zwischen 30 und 50 Prozent der Einwohner zählen zu den indigenen Ureinwohnern – bei einem landesweiten Anteil von 15 Prozent.
Unser Weg führt weit durch die Agrar-Mitte, bevor wir abends fehlerfrei und noch immer linksseitig in Opua ankommen.