Schnapsidee Wüstenquerung

15.09-18.09.24, Australien/NT/Kulgera/Mt.Dare/Purni Bore, Tag 290-293 Roadtrip, 23.936 km total, Tages-km 322+250+159

Nach dem Uluru kehren wir zum Stuart Highway (die Asphaltstraße Nord/Süd) zurück. Der frische Wind der letzten Tage ist noch frostiger geworden. Selbst tagsüber kommen wir kaum aus den Pullis raus. Die Nächte sind eisig. Sechs Grad – gefühlt wie drei.  Wir nisten uns zwei Nächte im Roadhouse Kulgera ein und überdenken unsere Pläne.

Tagsüber können wir nur im Windschatten vom Auto sitzen – der Wind ist eisig.

Harley mit Anhänger – der Fahrer sitzt im Pup vom Roadhouse …

… und ist seine eigene Karikatur. Der Cowboy im Hintergrund ist eine Puppe.

Wie fahren wir jetzt weiter? Im Süden ist es noch kälter, also bietet sich Richtung Osten an. Die Idee haben wir schon länger, die hat nur mehrere Haken.
Von Kulgera bis zum nächsten Ort – Birdsville – sind es 770 Kilometer. Nur unbefestigte Straße, davon 340 Kilometer durch die Wüste. Die Simpsonwüste  besteht aus 1.100 Sanddünen, die sich parallel von Nord nach Süden ziehen. Die Dünen sind drei bis vierzig Meter hoch und man muss sie alle überqueren. Simpson Desert ist die trockenste Region Australiens und im Schnitt fahren fünf Fahrzeuge am Tag auf diesem Track. Vier Übernachtungen sollte man auf jeden Fall einplanen. Auf den Dünen ist kaum eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h zu schaffen.
„Bereite dich gut vor und wir empfehlen diesen Track nur erfahrenen 4×4 Fahrern“, mahnen Bücher und Infoblättchen.

Das Auto hat ein eingebautes Funkgerät – check ✓
Richard aus Cairns hat uns ein Handfunkgerät mitgegeben, falls wir das Auto (aus Gründen) verlassen müssten – double check ✓
Wir haben vier nagelneue Reifen (more agressive) – quadruple check ✓
Wir haben zwei Tanks mit 160 Litern Diesel – check ✓
Essen für mindestens acht Tage an Bord – check ✓
Achtzig Liter Trinkwasser dabei, zehn Liter mehr als empfohlen – check ✓
Kein Regen die nächsten fünf Tage vorhergesagt – check ✓
Fehlende Sanddünen-Erfahrung:  „Erfahrung ist, was einem zustößt“, findet der Fahrer. Die Beifahrerin ist zuversichtlich: „Optimismus ist der Mangel an Information“. :mrgreen:

Neben der normalen Vorbereitung muss man eine „Sand Flag“ am Auto montieren. Eine rote, fluoreszierende Fahne muss 3,5 Meter über dem Boden schweben. Ein Ausrüstungsgegenstand von dessen Existenz man im normalen Leben gar nichts weiß. Geschweige denn, wo man so etwas kaufen kann. In Australien ist das kein Problem. Fast jeder 4WD-Outdoor-Outback- Laden hat Sand Flags im Sortiment. Eine biegsame, dreigeteilte Stange plus Fahne in der praktischen Transporthülle. Eine Halterung für den Bullenfänger liegt gleich daneben. Eine Papierkarte, extra nur für diese Strecke, haben wir uns auch noch gekauft. Albern, wie sich die nächsten Tage herausstellen soll. Der Rest aber nicht!

Sand Flag. Mit zwei Gewinden wird die Stange zusammen geschraubt.

Wir fahren also los. Es beginnt mit übelster Wellblechpiste. Nach fünfzig Kilometern Schüttelei sind wir nicht mehr sicher, ob unsere Idee wirklich so gut war. Achim versucht die richtige Spur und Geschwindigkeit zu finden, was nicht immer gelingt. Er lässt Druck aus den Reifen: von 36 psi auf 30. Für seine Verhältnisse ist das viel. Angeraten sind 25 bis 28 psi. Da ist Achim immer ein wenig schüchtern. Als German Autobahn-Fahrer mag er nicht gerne mit platten Reifen unterwegs sein.

Diese Bodenwellen sind fast unerträglich zu fahren.

Der einzige Ort auf 770 Kilometer ist Finke – eine Aborigines Community.

Wir haben noch immer den inzwischen halb geleerten Bierkarton dabei. Die Strafen sind uns zu hoch. Wir fahren nicht in das Dorf.

Die Straße wird nach der Aborigines Community noch schlechter. Wir bleiben dran. Umdrehen kommt nicht in Frage. Es gibt keine Schlaglöcher oder Auswaschungen, nur diese fiesen Bodenwellen machen uns zu schaffen. Die Landschaft ist platt und begeistert durch die Abwesenheit von allem. Es ist Rinderfarmland. Allerdings ohne sichtbare Rinder.

Weideland – nun ja

Auf der Strecke bleibt schon mal etwas zurück …

Mit einem Schnitt von immerhin 50 Stundenkilometern erreichen wir nach zweihundertfünfzig Kilometern unser erstes Übernachtungsziel. Das ‚Mount Dare Hotel‘. Ein Hotel im europäischen Sinn ist es nicht. Eher ein Haus mit Kneipe und Restaurant. Hamburger, Pommes und ähnliches Fastfood kann man hier bekommen. Ein letztes Stück Zivilisation mit Dusche. Aber ohne Trinkwasser oder gar Internet.
Hier bekommen wir auch den ‚Desert Pass‘ ohne den man nicht weiter fahren darf. Die nächsten 500 Kilometer sind als Nationalpark ausgewiesen. Der Pass ist teuer – 200 Dollar – gilt dafür aber ein Jahr. :roll:

In der Mitte von Nichts steht dieses Hotel: Mount Dare Hotel.

Man kann auch tanken in Mount Dare – der Tankwart freut sich. Der teuerste Diesel, den wir bisher in Australien finden konnten. 3,05 Dollar. Der landesweite Schnitt liegt bei 2,00 Dollar. Aber wir müssen hier tanken, alles andere wäre fahrlässig. In den Dünen wird das Auto schlucken. Die Wetten liegen bei 20 Liter, statt 12 wie normal.

Außer uns sind noch ein Dutzend andere Autos hier. Seit Tagen hoffen wir, dass wir auf jemanden treffen, der das gleiche vor hat. Aber die anderen Gäste sind nur Tagestouristen und fahren Morgen nach Alice Springs zurück oder kommen gerade aus der Wüste. Immerhin schaut uns im Gespräch niemand entgeistert an, dass wir alleine weiter fahren wollen. Ein Blick auf unser Auto und es wird wohlwollend genickt. „Less pressure – weniger Druck“, ist der einzige Dauer-Tipp, den Achim bekommt.

Wir schlafen gut. Es nachts weiterhin kalt.
Nach Mount Dare bleibt die Straße schlecht, die Landschaft wird lieblicher. Wir erreichen ‚Dalhousie Springs‘. In dieser Region gibt es 70 Quellen, die aus dem großen Artesischen Becken entspringen. Unter knapp einem Viertel der Fläche Australiens befindet sich ein riesiges Wasserreservoir. Der größte Trinkwasserspeicher der Welt. Diese Quellen haben vor über einhundert Jahren Siedler in die lebensfeindliche Region gelockt. Überreste einer Farm liegen malerisch in sanfte Hügel gebettet.

Die Landschaft wird weicher.

Die Ruinen von Dalhousie Springs.

Malerische Pfähle

Dieser junge Mann wurde mit 15 zum Arbeiten auf die Farm geschickt, um einen Mann aus ihm zu machen. Man macht unweigerlich Witze über Generation Z. ;-)

Ein paar Kilometer weiter kann man sogar in einer der Quellen baden. Heiß baden. Die Wassertemperatur beträgt 38 bis 42 Grad. Wir nutzen dieses Bad ausgiebig, denn eine Dusche wird es die nächsten Tage nicht geben.
Mit uns planscht eine Gruppe von zehn Männern – in fünf Autos unterwegs – in der Quelle herum. Für einige der Jungs ist es das zweite Mal, dass sie in die Simpsonwüste fahren. „Letztes Mal haben wir hier übernachtet. Macht das besser nicht, abends kommen Bill-Trilliaden von Mücken.“  Wir hören auf den Rat, zumal wir schon von Bremsen angefallen werden.

Badewanne mit vielen Mineralien. Die Haare merken es als erstes. Schwer kämmbar. Seife und andere Mittel sind in der Quelle nicht erlaubt.

So sehen die Quellen von oben aus – abfotografiert von den ausgestellten Dalhousie-Ruinen-Fotos.

Hinter Dalhousie Springs wird es richtig schön.

 

Nach knapp zwei Stunden Weiterfahrt erreichen wir die Grenze zur Simpson Wüste. Der letzte Campingplatz mit Plumpsklo auf der Strecke.
Es ist Vollmond. Nachts hören wir weit entfernt ein paar Dingos heulen. Werwolf-Phantasien kommen hoch. Zu sehen bekommen wir keinen Dingo.
Mit uns campieren zwei Motorradfahrer und ein Vater mit seinem erwachsenen Sohn. Der junge Mann hat keinen Bock auf Wüste ohne Internet und zieht eine Flunsch. Der Vater ist ein Glücksgriff-Nachbar. Er fährt die Simpson beruflich. Führt Konvois mit Anfängern durch die Wüste. „Ihr habt so ein Glück“, bescheinigt er uns, „es hat viel mehr geregnet im Winter als sonst. Die Wildblumen blühen. Das bekommt man hier nur sehr selten zu sehen. Und es ist wenig los auf der Strecke. Die Saison ist fast zu Ende. Bald wird es zu heiß, dann wird die Strecke gesperrt. Aber im Augenblick ist es so kühl, dass die Fahrt richtig Spaß macht.“

Wir outen uns als die Anfänger, die er sonst gegen Geld durch die Wüste bringt. Ich bin erleichtert, dass er keine Bedenken hat. „Das Auto ist geeignet. Genug Wasser habt ihr. Nur den Luftdruck musst Du noch etwas verringert“, rät er Achim. „18 psi auf Sand, sonst wird das nichts.“

Teil zwei folgt.

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