Wir brauchen einen Schuldigen

Do., 08.Okt.15, La Gomera, Tag 495, 2.829 sm

Nach 22 Stunden angenehmer Überfahrt erreichen wir La Gomera.
Dort wartet bereits die La Joya auf uns. Michael empfängt uns mit einem strahlenden Lachen, einem frischen Baguette und einem guten Ratschlag: „Sucht Euch einen anderen Liegeplatz, damit ihr das Cockpit nicht offen nach Westen habt. Aus den Bergen kommt häufig abends ein kalter Wind.“

Achim checkt uns also im Marina-Office ein und fragt mich, ob wir dem Rat folgen und einen Platz auf der anderen Seite des Steges nehmen wollen. Die sehen recht schmal aus, daher soll ich mit schätzen, welcher der breiteste ist.
Ich winke ab und sage Achim soll es doch lieber selber entscheiden. Was immer ich sage, kann nur falsch sein, lässt mich meine Erfahrung vergangener Jahre die Lage einschätzen. Nein, meine Meinung ist gefragt und wir einigen uns auf den Platz neben „Lilly“.

Also alle Leinen los und abgelegt.
Ich rödel alle Festmacher für das erneute Anlegen zurecht, während Achim langsam durch den Hafen tuckert. Eine Mittelspring lege ich auf die Backbordseite, da Lilly rechts von uns liegen wird.
Beim Einfahren in die Boxengasse höre ich von hinten ein Kommando: „Wir nehmen nicht Lilly, sondern das blaue Motorboot. Weisst du welches ich meine?“
Jaaa, weiss ich, aber was zum Henker soll das denn jetzt? Dafür ist die Spring an der falschen Seite.

Achim fährt also wieder aus der Gasse und ich tüttel den Tampen auf der anderen Seite fest. Innerlich grummelnd über diese Umentscheidung in der letzten Sekunde. Nach einer Ehrenrunde im Hafen bin ich fertig und Achim fährt erneut in die Gasse.
Plötzlich ruft er von hinten: „Das ist die falsche Gasse, Du hast mich in die falsche Gasse gelockt. Wo ist das Motorboot?“
Ich rolle mit den Augen und bin sauer. „Nein, wir sind richtig. Das Motorboot ist da vorne.“ „Wie heisst es?“ „Grrr, das weiss ich doch nicht. Ich hab mir nur Lilly gemerkt, aber die willst du ja nicht.“

Wir finden das Motorboot, machen fest, aber den ausgewachsenen Ehe-Disput-Dialog gebe ich an dieser Stelle nicht wieder.
Beide grummeln wir vor uns hin als der Marinero klopft und sagt: „Hier könnt ihr nicht bleiben.“ Wieso das nicht? Wir haben extra im Büro gefragt… Es bleibt dabei, wir müssen wieder raus.

Da kein weiterer Platz zur Verfügung steht, nehmen wir wieder unseren alten und parken diesmal rückwärts ein. Das klappt ohne Probleme. Wir räumen gemeinsam auf und entsalzen Atanga. Und stellen den häuslichen Frieden wieder her.

Aber aus einem gemütlichen Nachmittag wird trotzdem nichts, denn ein kräftiger Wind bläst uns genau ins Cockpit. Wer war es noch gleich, der uns den Rat gab, das Schiff anders herum zu legen? Wir brauchen einen Schuldigen…

3 Gedanken zu „Wir brauchen einen Schuldigen

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