AIS – die beste Erfindung seit Schokolade

Mi., 07.Okt.15, Atlantik, Tag 494, 2.728 sm

Unser Törn nach La Gomera, genauer, nach San Sebastian startet mit 20 sm unter Motor.
Erst als wir die Nordspitze von Gran Canaria hinter uns haben und auf Teneriffas Süden zielen, kommt der Wind.

Wir kommen überraschend flott voran und rauschen mit 6,5 kn auf das Verkehrstrennungs-Gebiet zwischen Gran Canaria und Teneriffa zu.

Ein Verkehrstrennungs-Gebiet ist eine virtuelle Autobahn, die in Seekarten verzeichnet ist. Motorschiffe müssen diese Autobahn benutzen und auf ihrer Spur bleiben. Segelboote dürfen so ein Gebiet nur im rechten Winkel kreuzen.
Eigentlich.
Wir ignorieren diese Verpflichtung geflissentlich, denn sie passt nicht gut zur Windrichtung und außerdem macht es die zu segelnde Strecke unnötig länger.
Zudem ist die Autobahn leer.

Die Nacht ist schwarz, abgesehen von den Lichtern Teneriffas vor mir.
Achim schläft und ich dröhn so vor mich hin als ich einen Blick auf den Plotter werfe: Wo kommen denn auf einmal die ganzen Schiffe her?
Ich bin schlagartig putzmunter.

Dank AIS kann ich auf unserem Plotter gut sehen, dass zwei Schiffe aus Norden kommen. Gegnerische Schiffe werden als Dreieck angezeigt und bei ‚klick‘ auf so ein Dreieck, bekommt man die Details des anderen Schiffes angezeigt: Name, woher, wohin, die Länge und das wichtigste, mit welchem Kurs und Geschwindigkeit der andere unterwegs ist.

Ich kann anhand des Tempos ungefähr errechnen, wann wir wohl kollidieren werden. Entwarnung, die sind weg, wenn wir auf ihrer Spur ankommen.

Aber zwei weitere Dampfer aus Süd machen mir Kummer.
Der erste ist noch 16 sm entfernt, aber er donnert mit 16 kn auf uns zu. Touch down in einer Stunde.
Das klingt viel. Ist es aber nicht.
Eine Viertelstunde beobachte ich, ob sich das noch von alleine ausgehen wird.
Neeein, eher unwahrscheinlich…

Da wir verbotener Weise diagonal in das Fahrwasser einlaufen, ist unsere Zeit zu lang, die wir auf seiner Spur bleiben würden.
Anluven erscheint mir zu riskant, könnte sein, dass wir dann genau in der Mitte der Fahrbahn sind, wenn er kommt. Da braucht dann nur ein wenig der Wind einbrechen und wir dümpeln mitten auf seiner Fahrbahn.
Abfallen geht nicht mehr viel, da wir schon sehr achterlich den Wind haben. Erscheint mir aber am sichersten.

Grade als ich so überlege, ob ich diese Entscheidung alleine treffen soll, kommt der Skipper, der nicht schlafen kann.
Schwein gehabt. Zu zweit ist es dann doch besser.

Noch mehr Schwein, Achim teilt meine Entscheidung. Wir fallen ab, so weit wir noch können. Jetzt bleiben wir am äußeren Rand der Fahrbahn und werden uns parallel passieren.

Achim funkt den Frachter trotzdem an. Der Wachhabende ist sofort dran und bestätigt, dass er uns gesehen hat. Wir sollen unseren Kurs halten, dann passt das.

Als er uns passiert hat, ändern wir erneut unseren Kurs, denn der nächste Dampfer rollt auf uns zu. Diesmal luven wir an und retten uns im rechten Winkel auf den Mittelstreifen.
Da sind wir sicher.

AIS ist großartig! Ohne hätten wir dieses Manöver niemals so fahren können.
Die vier fremden Schiffe hätten wir erst sehr, sehr viel später bemerkt. Und dass wir uns auf Kollisionskurs befinden, darüber hätte man bestenfalls spekulieren können. Deren Geschwindigkeit und Distanz im Dunklen abzuschätzen, unmöglich.

Ohne AIS wäre die Situation sehr stressig geworden und hätte mehrere Segelmanöver nach sich gezogen.

AIS macht während einer Nachtwache mehr Wohlbehagen als die besagte Schokolade.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.